In den Boden statt in die Luft: Wie Staaten und Öl-Konzerne daran arbeiten, CO2 zu speichern
Die CO2-Speicherung CCUS stößt hierzulande auf Skepsis, doch weltweit sind über 40 Anlagen im Bau. Gerade Shell, BP und Saudi Arabien setzen darauf.
Von Saudi-Arabien bis Norwegen erlebt die umstrittene Lagerung von CO2 als Mittel im Kampf gegen die Erderwärmung einen neuen Aufschwung. Auf der Suche nach Möglichkeiten zur CO2-Vermeidung investieren reiche Monarchien am Persischen Golf und globale Energiekonzerne in Technologien zur Speicherung von Kohlendioxid (CCUS).
Umweltschützer sehen die Technologie kritisch, und auch viele Politiker in Deutschland sind dagegen. Erst vor wenigen Tagen lehnte der Umweltausschuss des Bundestags die Forderung der FDP ab, die Möglichkeiten der geologischen CO2-Speicherung zu nutzen. Doch international gewinnt CCUS immer mehr Freunde, nicht zuletzt in der Ölindustrie. Mehr als 40 CCUS-Anlagen sind weltweit im Bau, weitere 21 sind bereits im Betrieb – vor zehn Jahren waren es nur acht.
Die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass derzeit rund 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus Kraftwerken und Industrieanlagen abgefangen werden, bevor sie den Treibhaus-Effekt verstärken können. Zu einem kleinen Teil wird das abgefangene Kohlendioxid in der Chemie-Industrie oder zur Herstellung von Baustoffen verwendet, größtenteils wird es komprimiert und unterirdisch gelagert.
Auch BP und Shell investieren
Laut der IEA könnten Staaten und Unternehmen mit Hilfe von CCUS in den nächsten 50 Jahren rund 600 Milliarden Tonnen an CO2-Emissionen abfangen und dann in ein Endlager schicken oder anderweitig nutzen. Investitionen in die Lagerung werden wegen der steigenden Kosten für CO2-Emissionen attraktiver. Zudem schreiben sich immer mehr Weltregionen und Unternehmen das Ziel der Klimaneutralität auf die Fahnen.
Dazu gehören auch Ölkonzerne: BP und Shell wollen bis zum Jahr 2050 klimaneutral wirtschaften. Der Verband OGCI, ein Zusammenschluss von 12 Ölmultis, will bis 2025 den CO2-Ausstoß seiner Mitglieder um jährlich bis zu 52 Millionen Tonnen zu reduzieren.
Die CO2-Lagerung soll dabei helfen, doch bisher verblasst der Nutzen von CCUS neben dem Ausstoß des Energiesektors: Den 40 Millionen Tonnen an CO2, die jährlich durch CCUS gebunden werden, stehen Emissionen von 33 Milliarden Tonnen im Jahr durch Öl und Gas gegenüber.
Lastwagen, die ihre Abgase binden
Doch CCUS-Anhänger hoffen auf viel größere Effekte. Ahmad al-Kowaither, Technologie-Chef beim staatlichen saudischen Ölkonzern Aramco, prüft die Verwendung von abgefangenem Kohlendioxid in der Herstellung von Kunststoff und Beton. Zudem experimentiere Aramco mit Lastwagen, die fast die Hälfte ihrer CO2-Abgase einfangen und im Fahrzeug speichern, berichtete Kowaither im US-Sender CNN. In einem Aramco-Ölfeld unter der Wüste sollen laut Kowaither pro Jahr 800.000 Tonnen CO2 verschwinden. Dieselbe Menge soll in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unter die Erde gepumpt werden.
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Tausende Kilometer weiter nördlich genehmigte die norwegische Regierung kurz vor der Jahreswende ein noch größeres Projekt. Der Staatskonzern Equinor hat sich mit den Ölmultis Shell und Total zusammengetan, um Kohlendioxid aus norwegischen Industrieanlagen aufzufangen und rund zweieinhalb Kilometer unter den Meeresboden verschwinden zu lassen. Ab dem Jahr 2024 soll das Vorhaben namens „Nordlichter“ jedes Jahr 1,5 Millionen Tonnen CO2 entsorgen.
Warnung vor dem einfachen Ausweg
Experten warnen vor dem Eindruck, dass CCUS einen einfachen Ausweg bietet. „Wenn wir eine Tonne CO2 industriell nutzen, muss das nicht zwingend zum Klimaschutz beitragen: Alle Emissionen der Produktion und Nutzung müssen in der Bilanz berücksichtigt werden“, sagte Sabine Fuss vom Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Wenn die Nutzung von abgefangenem CO2 viel Energie erfordert, könnte unter dem Strich ein höherer CO2-Ausstoß herauskommen.
Vor allem der Einsatz zur Ölgewinnung steht in der Kritik. Bei diesem Verfahren wird abgefangenes CO2 in ein Ölfeld gepresst, um das Öl besser fördern zu können. Das meiste CO2 bleibt dabei unter der Erde. Laut IEA werden jeden Tag eine halbe Million Barrel Öl auf dieser Weise gewonnen, hauptsächlich in den USA – es ist die derzeit am meisten genutzte Form von CO2-Lagerung. Viele Experten und Umweltschützer kritisieren, dass Kohlendioxid für die Ölförderung verwendet wird, die ihrerseits wieder CO2 produziert.
In Norwegen bleibt das Kohlendioxid komplett unter der Erde. „CO2 dorthin zurückschicken, wo es hergekommen ist“, lautet das Motto des norwegischen Equinor-Konzerns. Theoretisch könne so viel Kohlendioxid unter dem Meer vor Norwegen gelagert werden, wie das Land in 1000 Jahren produziere.
Thomas Seibert