25 Jahre Mauerfall: Wie sich Berlins Wirtschaft aus dem Jammertal arbeitet
Nach dem Fall der Mauer war die Berlin-Euphorie der Wirtschaft groß – bis zum Absturz. Inzwischen ist der Anschluss geschafft. Doch nicht nur Senatorin Yzer sieht noch viel Arbeit.
Cornelia Yzer packt 25 Jahre Berliner Wirtschaftentwicklung in einen Satz. „Die Versorgungsmentalität gibt es in Berlin nicht mehr, sie ist der Anpackermentalität gewichen“, sagte die Wirtschaftssenatorin am Mittwoch. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer am 9. November 1989 präsentiere sich die Bundeshauptstadt zu Recht selbstbewusst – auch ökonomisch. „Berlin ist nach langen Jahren der Irrwege endlich eine prosperierende Stadt, die sich aus eigener Kraft den wirtschaftlichen Anschluss unter Schmerzen erkämpft hat.“
Mit Irrwegen meint die Senatorin Projekte wie die Spandauer Wasserstadt. In der Euphorie nach der Vereinigung der geteilten Metropole nahm der Senat das Stadtentwicklungsprojekt in Angriff und investierte bis 2008 einen hohen dreistelligen Millionenbetrag. Ursprünglich für 50.000 Einwohner geplant, wurde die Wasserstadt zehn Jahre später deutlich abgespeckt. Yzer (CDU) formuliert es ziemlich drastisch: „Heraus kam eine Brache.“
Mitte der 90er platzte die Euphorie-Blase
Nach der Wende seien die Verantwortlichen von völlig überzogenen Erwartungen ausgegangen, was die wirtschaftliche Perspektive Berlins angeht, sagt auch Karl Brenke. „Man hat richtig geprasst“, so der Konjunktur- und Ostdeutschlandexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Quittung: Von zehn Milliarden Euro Anfang der 1990er Jahre wuchsen die Schulden nach dem Auslaufen der Berlin-Hilfen 1994 rasant auf inzwischen über 60 Milliarden Euro.
Den Boomjahren, in denen vor allem der Konsum zum überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum Berlins beitrug, folgte ab 1995 ein Jahrzehnt des Absturzes. Nach dem Wegfall der Berlin-Förderung waren weder die Produktionsbetriebe im Westteil der Stadt noch die ehemals Volkseigenen Betriebe Ost-Berlins überlebensfähig. „Die Euphorie-Blase platzte“, beschreibt Brenke die Zeit. Plötzlich fehlten die großen Industrien – allein 100.000 Arbeitsplätze gingen in diesem Sektor verloren –, die Bauwirtschaft war mehr als zehn Jahre lang rückläufig, bei der Arbeitslosenquote bildete Berlin im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht.
Yzer: "Bei aller Dynamik ganz am Anfang"
Über die Gegenwart zu sprechen macht Yzer deshalb sichtbar mehr Freude. Der Exodus sei gestoppt. Mehr als das: „Wir können heute mit Stolz sagen, das gerade die Bestandsunternehmen wettbewerbsfähig sind und Innovationsführer in ganz Deutschland.“ Sie verweist auf die enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft, auf die „vielversprechende Start-up-Szene“ auf die „gesunde Industrie“. Seit 2008 entwickelt sich die Wirtschaft in Berlin besser als im Bundesdurchschnitt, im abgelaufenen Jahr wuchs sie um 1,2 Prozent. Die Arbeitslosigkeit geht zurück.
Wirtschaftforscher wie Klaus Brenke sehen den Anteil der Politik daran allerdings begrenzt. „Die Kreativwirtschaft zum Beispiel lebt von sich heraus“, sagt er. Vergleichsweise günstige Gewerbemieten, eine große Auswahl an jungen, gut gebildeten und internationalen Arbeitskräften seien hier Erfolgsfaktoren. Auch bei einem anderen Wachstumstreiber – dem Tourismus – profitiere Berlin vom allgemeinen Trend zu Städtereisen. Senatorin Yzer sieht für die nächsten Jahre viel Arbeit. „Wir stehen bei aller Dynamik ganz am Anfang.“