Reisen: Wie Hotels und Restaurants Touristen umwerben
Wer nach dem „besten“ Hotel oder Restaurant sucht, landet in den Fängen der Marketingindustrie. Das ist nicht per se schlecht.
Fragt man Google nach „Berlins bestem Hotel“, ist es wohl das Adlon Kempinski. Das steht zumindest ganz oben auf einer Liste hinter der obersten Anzeige auf der Trefferliste. Laut der dortigen Top-Ten des Inserenten luxuryhotelsguides.com rangiert das Haus am Pariser Platz knapp vor dem Ritz-Carlton am Potsdamer Platz. Klickt man bei Google aber den ersten Suchtreffer, der nicht als „Anzeige“ gekennzeichnet ist, führt zunächst das Hotel Kastanienhof in Prenzlauer Berg eine Bestenliste an, beim zweiten Suchversuch dann das i31 Hotel in der Invalidenstraße in Berlin- Mitte. Die Treffer auf diese weniger prominenten Häuser sind „gesponsert“, heißt es da. Einen dritten Versuch kann man sich dann wohl sparen.
Natürlich sind das Attribut „gut“ und alle Steigerungsformen davon subjektiv, Bedürfnisse ja extrem verschieden. Unterstellt man aber, dass kein Hotelgast gern ein Zimmer mit sechs- bis achtbeinigen Mitbewohnern teilt und jeder ein mikrobiologisch einwandfreies Frühstück schätzt, ist „gut“ eben auch ein Stück weit objektivierbar. Keines der gefundenen Berlin-Hotels ist eine Kaschemme. Wenn viele Internetnutzer ein Haus oder Restaurant „sehr gut“ bewerten, ist es das mutmaßlich auch für die meisten. Insofern haben Bewertungsplattformen wie Tripadvisor, HRS oder Booking.com zur Demokratisierung der Reiseindustrie beigetragen, sie werden von den schmuddeligsten Hoteliers und Gastronomen gefürchtet.
Was ist eine Empfehlung wert, wenn der Gastgeber sie erkaufen kann?
Auf der anderen Seite: Was sind diese Empfehlungen wert, wenn nicht transparent ist, wie viele und welche Faktoren über Position in Bestenlisten bestimmen, wenn sich Gastwirte dort einkaufen können? Tripadvisdor erklärt, dass die Plattform auch Hotels von „kommerziellen Partnern“ wie Expedia oder Hotels.com listet. Werden die bevorzugt? Wer einen Gastgeber sucht, begibt sich nicht nur im Internet fast automatisch in die Fänge der Marketingindustrie. Und die schickt Reisende auf die immergleichen ausgetrampelten Pfade.
Vor genau 40 Jahren gewährte der Berliner Journalist und Buchautor Detlef Fritz auf der Jugendseite des Tagesspiegels Lesern einen intimen Einblick in die Szene und Gedankenwelt der selbsternannten „Travellers“, die sich von fremdorganisierten „Touristen“ abgrenzen wollten und sich auf den beschwerlichen Landweg gen Indien und Südostasien machten. Diese jungen Leute fanden Abenteuer – aber eher selten die wirklich besten, billigsten oder aufregendsten Gaststätten und Herbergen. „Wer sich von zufälligen Reisebekanntschaften trennt, kann sichergehen, sie schon bald wiederzutreffen. Vom Pudding-Shop in Istanbul bis zur Freak-Street in Katmandu, läuft der Traveller in jeder Großstadt, an jeder Umsteigestation den wichtigen Treffpunkt an, muss ihn auch anlaufen, wenn er wissen will, welcher Bus wann wo hinfährt und was ihn in den nächsten Orten erwartet“, schrieb Fritz im Februar 1978. Seine Abenteuer und kritisch bis lustigen Reflexionen darüber sind nun in einer erweiterten und aktualisierten Auflage neu erschienen („Hippie-Trails – Reiselegenden und ihre Geschichte“, Reisebuch Verlag).
Allein in Berlin gibt es 15.000 Restaurants und Imbisse
Schon damals – und wohl auch schon viel früher – stellte sich die Frage: Wollen wir wirklich „das Beste“? Oder suchen selbst Individualreisende nicht eigentlich das, was alle Individualisten suchen? Die Reisemarketingindustrie passt sich an und bietet Hilfe durch die unüberschaubar große Touristenwelt. Allein in Berlin gibt es laut jüngster Schätzungen mehr als 15 000 Imbisse und Restaurants. Wer will objektiv beurteilen, welches davon das „Beste“ ist?
Es geht um Überblick. Den sollen Algorithmen der anzeigengetriebenen Internetportale bieten. Und redaktionell kuratierte Reiseführer, die aber ebenso durch Anzeigen mitfinanziert sind – und diese auch nicht immer als solche kennzeichnen. Dazu kommt, dass Reisebuchautoren in der Regel selbstständig arbeiten. „Sie können von den Honoraren kaum leben“, erklärt Reisebuchautor Detlef Fritz. Grenzen zwischen PR und Journalismus würden verschwimmen. Einen festen Ehrenkodex gebe es nicht. Aber immerhin: „Dass für eine Erwähnung in einem Reiseführer oder einem Artikel Geld fließt, mag in Einzelfällen zwar vorkommen, wäre aber die verpönte Ausnahme.“
Reiseführer-Redaktionen verlangen Neutralität von ihren Autoren
Auch die Reiseführerredaktion von Marktführer Marco Polo im MairDumont-Verlag aus Ostfildern bei Stuttgart, der rund 250 Titel im Sortiment hat, arbeitet überwiegend mit freien Autoren zusammen, verlangt von ihnen per Vertrag aber Neutralität, erklärt eine Redakteurin. Hotelbetreiber oder Gastronomen könnten die Redaktion auf ihr Angebot aufmerksam machen, man leite es dann an die Autoren in den Ferienländern weiter. Ähnlich erklärt es der Reise Know-How Verlag aus Bielefeld und nennt als wichtige Grundregel: „Autoren lassen sich nicht einkaufen.“
Nicht verlagsgebundene Reisejournalisten, Blogger zum Beispiel, machen sich ihre Regeln selbst. Doch auch sie streben im besten Falle nach Objektivität. Der ehemalige NDR-Redakteur Matthias Morr testet Kreuzfahrten. Auf seinem Blog schiffstester.de berichtet er von einem „tanzenden Kapitän“ und einer „Eisparade – wie auf dem Traumschiff“. Bei Youtube folgen ihm immerhin bald 27 000 Abonnenten. „Die Reederei sollte die Kabine zur Verfügung stellen und die Reisekosten übernehmen – das ist alles. Einen Tagessatz oder ähnliches stelle ich den Reedereien aktuell nicht in Rechnung“, erklärt Morr. Er könne sich bisher durch Werbung auf Youtube und das Sponsoring eines Online-Reisebüros finanzieren. „Dadurch fühle ich mich auch noch relativ unabhängig.“ Auf dem Kongress, der begleitend zur Tourismusmesse ITB Berlin am Mittwoch beginnt, will Morr mit Fachleuten diskutieren, wie ein Modell aussehen könnte, bei dem die Reederei ihm zwar etwas bezahlt, ihm aber keine Käuflichkeit unterstellt wird. Ein klassischer Reisebuchverlag könne einer Reederei Anzeigen verkaufen – die Inhalte würden im Idealfall davon unabhängig von einer Redaktion produziert. „Das ist ein akzeptiertes Modell. Die Frage ist: Wie könnte ein sauberes Modell für Leute wie mich aussehen?“
Die ITB ist größer als manche Automesse
Reisende suchen Ziele. Doch wie verhalten sich die, die gefunden werden wollen? Vor allem durch Vernetzung. Hotels kooperieren mit Eventmanagern, Restaurants und Betreibern von Touristenattraktionen. Diese Partner zahlen sich Provisionen und gewähren gegenseitig Rabatte. Auch das sollte wissen, wer den Concierge nach dem „besten Restaurant“ der Stadt fragt. Weil im Tourismus besonders viele, auch kleine und unterschiedlicher Player mitspielen, die sich permanent neu vernetzen wollen, ist die Tourismusmesse ITB größer als so mache Automesse – obwohl in der Branche noch deutlich höhere Summen erlöst werden.
Die deutsche Hauptstadt, wo im vergangenen Jahr knapp 13 Millionen Gäste mehr als 31 Millionen Übernachtungen gebucht hatten, unterstützt diese Vernetzung – zum Beispiel über die halbstaatliche Förderagentur Visit Berlin. Dort finden Hotels gegen einen Beitrag, der sich nach der Zimmeranzahl bemisst, Zugang zu rund 300 „Partnern“, die ihnen Rabatte einräumen. Auch der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, bei dem fast alle Berliner Hotels Mitglied sind, organisiert Kooperationen – bis hin zum Rabatt beim Stromversorger.
Gastwirte sind auf Werbung angewiesen
Die wenigsten Restaurantbetreiber und Hoteliers können allein von Mund-zu-Mund-Propaganda leben, sie brauchen Marketing und Werbung. Doch Investitionen dafür sind ohne die richtige Strategie leicht verpulvert, warnt Alexander Doderer, Marketingexperte aus dem badischen Villingen. Seine Beratungsagentur Gruppe Drei hat Konzepte für Regionen wie den Spessart, den Schwarzwald Nationalpark oder das Ostseebad Boltenhagen entwickelt. Gastgeber, die nur einen kleinen Etat für Marketing haben, sollten in die „Bodenplatte“ investieren, rät Doderer. Also in den Onlineauftritt, dann in sozialen Medien. Gastgeber sollten auch analoge Medien nicht unterschätzen. „In jedem Fall aber müssen sie eine Geschichte erzählen“, rät er. Und sei es nur die vom Gastwirt. „Sonst bringt das alles gar nichts.“ Aus 5000 Klicks würden nicht automatisch volle Tische oder Betten, auch wenn es eigentlich „die besten der Stadt“ sind.
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