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Ryan Ding vom Mobilfunkkonzern Huawei wirbt für die 5-G-Technik.
© AFP

Mobilfunk: Wie gefährlich ist 5G?

Ärzte warnen vor einer hohen Strahlung beim neuen Mobilfunkstandard, aber wissenschaftliche Studien gibt es dazu kaum.

An diesem Freitag um 15 Uhr endet die Bewerbungsfrist für Unternehmen, die Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G ersteigern wollen. Die Versteigerung selbst plant die Bundesnetzagentur für Frühjahr. Bedenken gibt es nicht nur bei Datenschützern, sondern auch bei Medizinern. Ihrer Meinung nach ist es möglich, dass die Technik dieser fünften Mobilfunkgeneration (daher 5G) gesundheitsgefährdend sein wird.

Was ist 5G?

5G ist der neue, schnelle Mobilfunkstandard, der ab 2020 in Deutschland flächendeckend eingeführt werden soll. Damit sollen etwa hohe Datenmengen extrem schnell übertragen und geringere Reaktionszeiten erreicht werden. Diese sind etwa für den Ausbau des autonomen Fahrens notwendig. Es handelt sich aber im Gegensatz zu UMTS (3G) und LTE (4G) um keine einzelne feststehende Technologie, deren Entwicklung abgeschlossen ist, sondern eher um ein Konzept, das verschiedene Techniken vereint. So werden intelligente Antennensysteme zum Einsatz kommen, die „Beamforming“ ermöglichen. Dabei werden Mobilfunkstrahlen nach Bedarf gebündelt und dorthin gelenkt, wo sie gerade benötigt werden. Eine andere Technik ist das „Network Slicing“, bei dem virtuelle Netzabschnitte für Reaktionszeiten unter einer Millisekunde sorgen sollen. Wie sich all dies auf die Strahlenbelastung von Personen auswirken wird, weiß bisher niemand. Ingenieure erforschen derzeit erst mögliche Messverfahren für solche dynamischen Bedingungen.

Was sind die Vorwürfe der Kritiker?

„Mit der Implementierung von 5G drohen ernste, irreversible Konsequenzen für den Menschen“, heißt es in einem Appell von gut 400 Medizinern und Naturwissenschaftlern. Sie fordern einen Ausbaustopp. Der Mitunterzeichner Ernst Ulrich von Weizsäcker, Umweltpolitiker und ehemaliger SPD- Bundestagsabgeordneter, sagt, die Politik müsse „darauf bestehen, dass die Gesundheitsrisiken, die mit der allgegenwärtigen Hochfrequenzstrahlung für mobile Geräte verbunden sind, untersucht werden, bevor wir die gesamte Bevölkerung immer höheren Werten der elektromagnetischen Felder aus dieser Technologie aussetzen“.

Kann Handystrahlung Krebs verursachen?

Zu einer Gesundheitsgefährdung durch 5G gibt es bislang keinerlei konkrete wissenschaftliche Untersuchungen. Die Strahlen, mit denen mobile Geräte und die sie erreichenden Sendeanlagen arbeiten, werden als „hochfrequente elektromagnetische Felder (EMF)“ bezeichnet. Sie sind nachweislich „nicht ionisierend“, ihre Energie reicht – anders als etwa bei Röntgenstrahlen – also nicht aus, um Biomoleküle wie etwa die Erbsubstanz DNS zu zerstören und damit direkt die Entstehung von Tumoren zu begünstigen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass Krebs über andere, indirekte Mechanismen entstehen könnte. Zu EMF gibt es über tausend Studien. Zwei experimentell besonders hochwertige sind 2018 erschienen. In beiden geht es um einen möglichen Zusammenhang zwischen der Langzeit-Exposition gegenüber Mobilfunkstrahlung und der Entstehung von Krebs. Sie stammen vom US- National Toxicology Program (NTP) und dem italienischen Ramazzini-Institut, einem „gemeinnützigen Unternehmen“ zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zur Krebsprävention. In beiden wurden Ratten bereits im Mutterleib und dann ihr ganzes Leben lang mit elektromagnetischen Feldern bestrahlt. Deren Frequenzen lagen im Bereich der seit Jahren verwendeten Mobilfunktechnologie GSM (2G), bei 900 beziehungsweise 1900 Megahertz. Lebenslang hoher Strahlenintensität ausgesetzte männliche Ratten erkrankten in beiden Studien häufiger an seltenen Tumoren des Herzens als Ratten in der Kontrollgruppe.

In der NTP-Studie fanden sich bei Männchen zudem häufiger bestimmte Hirntumore. Der Effekt war aber so klein, dass er zufällig zustande gekommen sein könnte. Die verwendeten Feldstärken waren wesentlich höher als jene, denen Menschen täglich ausgesetzt sind, zumal die Tiere dauerhaft am ganzen Körper bestrahlt wurden. Methodisch sei an diesen Studien – im Gegensatz zu vielen anderen – nichts auszusetzen, die Hinweise seien ernst zu nehmen. Zu diesem Schluss kommt eine Expertengruppe des Schweizer Bundesamts für Umwelt.

Gibt es genügend Studien?

Auch bisherige Mobilfunkstandards wurden vor ihrer Einführung nicht systematisch auf Gesundheitsrisiken hin untersucht. Das EMF-Portal der RWTH Aachen bietet einen Überblick über die bisher veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten. Experten dort kommentieren die Studien laienverständlich. Seit etwa einem Jahr ist dies aber nur noch sehr eingeschränkt möglich. „Wir haben den Hochfrequenzbereich gerade zurückfahren müssen aus finanziellen Gründen“, sagt Sarah Drießen, Leiterin des Portals. Zuvor habe die Telekom das Projekt unterstützt – möglicherweise auch, damit niemand dem Konzern vorwerfen könne, die angebotene Technik sei nicht wissenschaftlich untersucht worden. Drießen sieht es aber vor allem als staatliche Aufgabe, diese Forschung zu finanzieren. Die Politik aber schiebe die Verantwortung zurück zur Universität. „In Deutschland sehen viele nicht mehr die Relevanz der Erforschung von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung, weil die Technik als akzeptiert gilt.“ Drießen hält es für wichtig, die NTP-Studie zu wiederholen, um die Erkenntnisse zu überprüfen.

Sind 5G-Frequenzen bedenklich?

Vorerst werden Frequenzen um zwei Gigahertz (GHz) beziehungsweise um 3,4 bis 3,7 GHz versteigert. Sie liegen nicht viel höher als diejenigen, die für aktuelle Mobilfunknetze genutzt werden. Später werden Antennen aber auch mit weit höheren Frequenzen funken, etwa mit 26 Gigahertz. Zu diesen Frequenzen und ihren Auswirkungen auf Lebewesen gibt es kaum Daten. Solche hochfrequente Strahlung dringt wegen der kurzen Wellenlänge kaum in den Körper ein. Sie wird schon an der Körperoberfläche absorbiert. Insofern dürften hier Bedenken bezüglich möglicher krebsfördernder Wirkungen im Körperinneren eher nicht begründet sein. Sie ist aber energiereich, könnte also Wirkungen etwa auf Haut und Schweißdrüsen haben. Es wird zudem nicht ausgeschlossen, dass die Frequenzen etwa für Träger von Herzschrittmachern problematisch sein könnten, wenn sie sich in unmittelbarer Nähe eines Senders aufhalten. Letzteres wird, weil der öffentliche Raum aufgrund der niedrigeren Reichweite mit mehr Sendestationen („Kleinzellen“) bestückt werden muss und diese auch an Gebäuden oder „Stadtmöbeln“ angebracht werden sollen, in Zukunft wahrscheinlicher.

Wie reagieren Bundesregierung und EU?

Die EU lehnt es ab, beim 5G-Ausbau das Vorsorgeprinzip gelten zu lassen. Auch die Bundesregierung sieht keinen Anlass, 5G grundsätzlich zu hinterfragen oder, wie in dem Appell gefordert, den Ausbau zu begrenzen oder stärker zu regulieren, bis neue Daten vorliegen. Sie beruft sich unter anderem auf die „International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP)“, eine private Organisation mit Sitz in Oberschleißheim. Ihr wurde in der Vergangenheit nicht nur – etwa durch einen Spezialberichterstatter des Europäischen Parlaments – eine gewisse Industrienähe vorgeworfen. Sie wird auch dafür kritisiert, als Quelle möglicher Gesundheitsrisiken allein die Erwärmung von Gewebe gelten zu lassen und damit andere indirekte Wirkungen von vornherein auszuschließen. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums verwies gegenüber dem Tagesspiegel auf die im Koalitionsvertrag für den Bereich der „niederfrequenten und stationären Felder“ festgeschriebene Einrichtung eines Kompetenzzentrums „Strahlenschutz und Stromnetze“. Das EMF-Portal leiste hier bereits wichtige Arbeit und man sei im Gespräch mit der Aachener Uni. Es sei zudem „ein wichtiges Anliegen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes, dass sich durch die Errichtung der Kleinzellen die elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Felder im öffentlichen Raum insgesamt nicht stark erhöhen“.

Wie kann man die Strahlendosis senken?

Bei Handys sollten Sie Headsets und Freisprechanlagen verwenden, das hält den Sender des Mobiltelefons vom Ohr fern. Wenn möglich, stellen Sie Ihr Gerät auf den „Flight Mode“. Mobile Geräte sollte man möglichst nur bei gutem Empfang (ohne Außenantenne also auch nicht im Auto) nutzen. Achten Sie auf einen niedrigen SAR-Wert („spezifische Absorptionsrate“) des Gerätes. Und installieren Sie den Router möglichst nicht an Orten, in deren Nähe Sie sich ständig aufhalten. Wenn möglich, schalten Sie das W-Lan über Nacht aus.

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