Gewinner oder Verlierer?: Wie Fintechs aus der Krise kommen
Für die digitale Finanzbranche ging es lange Zeit steil bergauf. Die Pandemie hat sie ausgebremst. Wer die Krise übersteht, könnte an ihr wachsen.
Es ist gerade mal ein paar Jahre her, da war Fintech den meisten noch kein Begriff. In einer Umfrage von damals erklärten drei Viertel der Befragten, das Wort noch nie gehört zu haben. Das hat sich gewiss geändert. Mittlerweile haben Millionen Menschen ein Konto bei Smartphone-Banken, investieren ihr Geld auf Trading-Plattformen. Und dennoch beklagt die digitale Finanzbranche, nicht sichtbar genug zu sein. Vor allem nicht für die Politik.
Seit dieser Woche trennen Fintechs und Politiker zumindest nur noch wenige Häuserblöcke. In Brüssel, in Fußweite zum Europäischen Parlament und zur Kommission, hat sich ein neuer Verband gegründet: die European Fintech Association, kurz EFA. Zu der Lobbyorganisation gehören gut 20 europäische Fintechs, etwa Kreditplattformen, digitale Vermögensverwalter oder Online-Dienstleister. Ihr haben sich aber auch namhafte Unternehmen wie die Berliner Mobilbank N26, Überweisungsdienstleister Transferwise oder der umstrittene Zahlungsabwickler Wirecard angeschlossen.
Das Ziel des neuen Verbandes ist jedenfalls klar: kräftig werben für den gesamten Fintech-Sektor. „Fintech-Unternehmen liefern dringend benötigte und innovative Finanzdienstleistungsprodukte, sind aber bisher nicht ausreichend gehört worden“, beklagt EFA-Präsident Marc Roberts. Dabei könne Europa ein führender Standort für Fintech-Unternehmen sein.
Aus Sicht der Branche kommt der Verband wohl zur richtigen Zeit. Denn wegen der Coronapandemie geriet das Geschäft vieler Fintechs ins Stocken. Konnten die sich bislang über immer größere Finanzierungsrunden freuen, sind Investoren in der Krise deutlich zurückhaltender. Ein Problem, denn vor allem Start-ups brauchen häufig jeden Cent, um ihr Geschäft voranzubringen.
Hilfsprogramme helfen längst noch nicht allen
Das spürt auch das Bielefelder Fintech Coindex. Eigentlich wollte Gründer Kai Kuljurgis schon im April mit einer neuen Plattform für Investitionen in Kryptowährungen an den Start gehen. Wenn alles glatt läuft, klappt es immerhin noch in diesem Sommer. „Es ist aber noch einiges an Arbeit“, sagt Kuljurgis. „Die Pandemie und die dadurch entstandene Stimmung trifft uns vor allem beim Fundraising, also der Beschaffung von Risikokapital.“ Die Technologie sei neu, die Materie komplex. Das mache es in Deutschland ohnehin schon schwer, Investoren zu finden. „Dieses Problem hat bedingt durch die Pandemie noch an Gewicht gewonnen“, sagt Kuljurgis.
[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]
Und auch die staatlichen Hilfsprogramme für Finanz-Start-ups wirken hierzulande längst noch nicht für alle. Von einer ersten Maßnahme profitieren nur solche Fintechs, die von privaten Wagniskapitalgebern gestützt werden. Das Prinzip: Hilft ein Investor bei Liquiditätsengpässen, kann dieser sich die Mittel vom Staat zu einem gewissen Teil aufstocken lassen. Eine zweite Maßnahme für kleinere Start-ups ist gerade erst angelaufen.
Fintechs dürfen bei Krisenbewältigung nur zuschauen
Die Vorsätze der Fintechs sind groß. Unternehmen wie Moneyfarm wollen Europas führende Vermögensverwalter werden, Smartphone-Banken wie N26 etablierte Häuser ablösen. Doch die Coronakrise hat gezeigt, dass viele junge Finanzfirmen noch nicht da stehen, wo sie hinwollen. So schlug zuletzt sogar wieder die Stunde der klassischen Hausbanken – etwa bei der Verteilung der Corona-Schnellkredite. Viele Fintechs sind bei der staatlichen Förderbank KfW nämlich nicht akkreditiert, um die Mittel verteilen zu dürfen.
Weil die KfW keine eigenen Filialen hat, arbeitet sie bei den Liquiditätshilfen mit Banken zusammen. Die prüfen den Anspruch der Unternehmen, beantragen die Hilfen bei der Förderbank und leiten die Mittel weiter. Und das machen vor allem die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie private Geschäftsbanken. Die KfW beruft sich dabei auf das Hausbankprinzip. Die Idee dahinter: Die langjährige Hausbank und der Kreditnehmer kennen sich meist schon länger. Der Bank falle es daher leichter, die Pläne eines Unternehmens richtig einzuschätzen, argumentiert die KfW.
Bundesfinanzministerium prüft Ergänzungen beim Hausbankprinzip
Junge Banken wie Penta, die sich ebenfalls auf Geschäftskunden fokussieren, hatten das Nachsehen. Dabei nutzen immerhin gut 20.000 Unternehmen den Service der Plattform, allein im März kamen 1400 Kunden dazu. Penta ist deshalb eine Kooperation mit der Volksbank Bielefeld-Gütersloh eingegangen. „Die Zusammenarbeit ermöglicht es uns, zumindest unseren Unternehmenskunden mit Sitz in Ostwestfalen-Lippe über die Volksbank schnell und einfach Zugang zu den staatlichen Liquiditätshilfen zu verschaffen“, sagt Penta-Chef Marko Wenthin.
Das Hausbankprinzip der KfW habe sich bewährt, erklärt das Bundesfinanzministerium auf Nachfrage. Dennoch prüfe man weitere Optionen. „Sollten Bereiche identifiziert werden, in denen das Hausbankprinzip sinnvoll ergänzt werden kann, wird die Bundesregierung diese weiter verfolgen.“ Das Ministerium stehe im Austausch mit Akteuren, die dazu einen Beitrag leisten könnten. „Hierzu zählen auch Fintechs“, heißt es.
Digitale Finanzgeschäfte könnten sich schneller durchsetzen als gedacht
Auch wenn viele Fintechs bei der Bewältigung der Krise nur zuschauen dürfen, so könnten sie doch langfristig von ihr profitieren. Schließlich hat die Coronapandemie spürbare Effekte auf die Digitalisierung. Weil Bankfilialen geschlossen blieben, mussten viele ihre Finanzen plötzlich digital regeln. An den Ladenkassen zahlen Verbraucher immer häufiger mit der Karte oder dem Smartphone. Mit Schildern fordern Händler gar dazu auf, kontaktlos am Kassenterminal zu bezahlen. Schließlich geht Bargeld durch viele Hände – und stellt so ein Infektionsrisiko dar.
Experten mutmaßen deshalb, dass die Coronakrise den Trend hin zu digitalen Finanzgeschäften nun massiv beschleunigen könnte. „Eine Entwicklung, die mehrere Jahre dauern sollte, wird durch die Coronapandemie nun auf wenige Monate kondensiert“, sagt Gökhan Öztürk von der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Ursprünglich rechnete der Analyst damit, dass bis zum Jahr 2025 nur noch gut jeder dritte Kauf hierzulande in bar beglichen wird. Vor drei Jahren taten das noch mehr als die Hälfte.
Nicht nur Banken, sondern auch die Abwickler im Hintergrund würden profitieren
„Sollte die Beschleunigung nach Covid-19 weiter anhalten und eine Vielzahl der Kunden ihr Bezahlverhalten beibehalten, ist auch eine Quote von 20 Prozent bis 2025 nicht unrealistisch“, so Öztürk. Und davon würden dann nicht nur Smartphone-Banken, sondern auch digitale Zahlungsabwickler profitieren.
Auch Kai Kuljurgis ist zuversichtlich, die Coronakrise nutzen zu können. „Geldanlage und Investment sind aktuell gefragte Themen“, sagt der Gründer von Coindex. Jetzt hofft er, dass das auch bei potenziellen Investoren ankommt.