Günstige Südfrüchte: Wie Entwicklungsländer unter unseren Supermarktpreisen leiden
Bauern aus Afrika und Südamerika könnten häufig nicht von ihrer Ernte leben, beklagen Hilfsorganisationen. Sie geben den großen Ketten die Schuld.
Die Deutschen lieben Bananen: Pro Jahr verzehrt jeder hierzulande zwölf Kilo im Schnitt. In Sachen Beliebtheit steht die gelbe Frucht damit auf Platz zwei hinter dem Apfel. Das dürfte auch daran liegen, dass viele Supermärkte Bananen immer günstiger anbieten – zu günstig, wie Hilfsorganisationen bemängeln. Denn die Bauern in den Produktionsländern bekommen weniger Geld, wenn im deutschen Lebensmittelhandel das Kilo nur 79 Cent kostet.
Besonders in den vergangenen Monaten seien die Preise für Bananen drastisch zurückgegangen, behauptet der gemeinnützige Verein TransFair, dessen Dachverband das Fairtrade-Siegel vergibt. Die Folge: „Bananenbauern und Importeure zahlen drauf“, sagt der Vorstandsvorsitzende Dieter Overath. Und das führe zu mehr Armut, Kinderarbeit und Drogenhandel als Zuverdienst. Trotz Transportwegen von bis zu 11 000 Kilometer kosten die Früchte oft nur halb so viel wie heimische Äpfel.
NGOs machen Supermärkten schwere Vorwürfe
Die Schuld gibt die Organisation den großen Einzelhandelsketten. Diese würden ihre Marktmacht missbrauchen, um sich mit Tiefstpreisen gegen die Konkurrenz zu behaupten. „Seit Monaten unterbieten sich die Händler regelmäßig in den Kilopreisen“, sagt Overath. Und das trotz steigender Anforderungen an Qualität, Umwelt- und Arbeiterschutz.
Wie teuer Bananen tatsächlich sein müssten, haben die Organisationen „Trueprice“ und „Trucost“ berechnet – und dafür etwa die unzureichende Entlohnung und mangelnde Absicherung der Arbeiter berücksichtigt. Hinzu kommen Kosten für ökologische Folgen wie Wasserknappheit. Das Ergebnis: Ein Kilo konventioneller Bananen verursacht umgerechnet rund 33 Cent solcher externen Kosten. Was für deutsche Supermarktkunden ein kleiner Betrag ist, dürfte den Ecuadorianern spürbar fehlen. Das durchschnittliche Monatseinkommen in dem südamerikanischen Land entspricht nur einem Fünftel des deutschen Lohns.
Aldi will Verbesserungen entwickeln
Zuletzt wandten sich auch die ecuadorianischen Bananenbauern in einem offenen Brief an den Discounter Aldi. Im Herbst hatte die deutsche Kette nämlich angekündigt, in den folgenden Monaten den Preis für Bananen zu senken. Die Aldi-Preise würden sie zwingen, das ecuadorianische Gesetz zu brechen, schrieben die Bauern. In Ecuador gilt ein Mindestpreis für den Export von Bananen von umgerechnet 5,50 Euro pro 18- Kilo-Kiste. „Die veröffentlichten Briefe des ecuadorianischen Bananensektors nehmen wir sehr ernst“, heißt es dazu bei Aldi Nord. Das Unternehmen wolle Maßnahmen entwickeln, die zu „systemischen Verbesserungen“ in der Bananenproduktion führen.
Niedrige Preise belasten keinesfalls nur die Bananenbauern. Ganz ähnlich geht es auch auf dem Kaffee- oder Kakaomarkt zu, sagen die NGOs. Der Weltpreis für Kakaobohnen ist 2017 regelrecht eingebrochen, und seitdem ging es nur schleppend wieder aufwärts. Betroffen sind vor allem Nigeria, Ghana und die Elfenbeinküste, von deren Sträuchern nahezu der gesamte Kakao für den deutschen Markt stammt. In der Elfenbeinküste verdiene eine durchschnittliche Bauernfamilie mit ihrer Ernte aktuell 170 Euro pro Monat, schätzt das Bundesentwicklungsministerium. Das reicht kaum zum Leben. Mehr als zwei Millionen Kinder arbeiten auf den westafrikanischen Kakao-Plantagen.
Langfristig nur noch nachhaltiger Kakao
Die Lieblingssüßigkeit der Deutschen, die Schokolade, hat auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) auf den Plan gerufen: „Wir müssen den Menschen endlich faire Preise zahlen, damit die Bauern von ihrem Einkommen leben können und kein Kind mehr auf den Plantagen schuften muss.“ Müller hat sein Ziel in einem Zehn-Punkte-Plan festgehalten, den er kürzlich vorgestellt hat. In den kommenden Jahren soll der Anteil an zertifiziertem Kakao zunächst schrittweise steigen, langfristig soll sogar alles aus nachhaltigem Anbau stammen; heute sind es zehn Prozent, behaupten NGOs. Von einer deutlich höheren Quote profitieren die Bauern: Siegelorganisationen verlangen meist nämlich einen Mindestpreis. Umsetzen will Minister Müller das unter anderem mit EU-weiten Standards und Informationskampagnen.
Mehr Aufklärung an der Obsttheke könnte auch den Ananasbauern in Costa Rica helfen. Das mittelamerikanische Land ist der weltweit größte Produzent der Südfrucht. Pflücker würden hier bis zu zwölf Stunden pro Tag arbeiten und erhielten teilweise nicht einmal den Mindestlohn, berichtet die Entwicklungsorganisation Oxfam. Zudem würden immer noch giftige Pestizide versprüht – teils ohne Schutz für die Arbeiter. Sie klagen über Hautausschläge, Atemprobleme und Kopfschmerzen.
Lidl macht es vor
Die deutschen Einzelhändler wollen die Rolle des Täters nicht akzeptieren. Edeka etwa verweist auf zahlreiche Initiativen, in denen sich der Verbund bereits für bessere Bedingungen engagiert. Zudem liege nicht alles in der Hand der Supermärkte: „Der Handel bezieht seine Produkte von Lieferanten in den jeweiligen Produktionsländern“, heißt es beim deutschen Einzelhandelsverband (HDE). Deshalb stelle die Sicherung von Standards bei den Lieferanten eine große Herausforderung dar. Gleichzeitig sei die Zusammenarbeit mit Organisationen wie Fairtrade oft ein komplizierter und langwieriger Prozess.
Eine Supermarktkette hatte damit offenbar weniger Probleme: Der Discounter Lidl stellt bereits alle konventionellen Bananen schrittweise auf Fairtrade um. Seit Anfang des Monats sollen schon in 1300 Filialen nur noch zertifizierte Früchte zum Verkauf stehen. Und das, so heißt es von Lidl, koste den Kunden pro Kilo nur zehn Cent mehr.