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Nur ein knappes Drittel der Steuersenkung, die den Staat 20 Milliarden Euro kostete, floss in zusätzlichen Konsum.
© picture alliance/dpa

Mehrwertsteuersenkung oder Kinderbonus?: Wie der Wumms wirkt

Das Wirtschaftsinstitut IMK untersucht Effekte des Konjunkturpakets: Der Kinderbonus hilft vor allem einkommensschwachen Haushalten.

Der Kinderbonus von 300 Euro pro Kind hat der Binnenkonjunktur mehr Schwung verpasst als die Mehrwertsteuersenkung. Der Effekt pro Euro könnte sogar etwa doppelt so groß sein, hat das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ausgerechnet. Anders als die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent in der zweiten Jahreshälfte 2020 habe die Einmalzahlung „zielgerichtet Haushalte mit Kindern und niedrigen bis mittleren Einkommen erreicht“, schreibt das gewerkschaftliche IMK. Gerade dieser Personenkreis sei in der Pandemie „besonders häufig mit zusätzlichen Ausgaben konfrontiert“. Dagegen nutzten vor allem Haushalte mit höheren Einkommen die Gelegenheit, durch die Mehrwertsteuersenkung Anschaffungen vorzuziehen, was gut für die Konjunktur, aber verteilungspolitisch unsinnig gewesen sei.

Direktzahlungen stärken den Konsum

„Unsere Analyse liefert starke Indizien dafür, dass der Kinderbonus im Verhältnis zum eingesetzten Steuergeld weitaus mehr ,Wumms‘ gebracht hat als die zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer“, sagte IMK-Chef Sebastian Dullien. Von den für den Bonus ausgezahlten Mitteln – insgesamt 4,3 Milliarden Euro – dürften knapp zwei Drittel für zusätzlichen Konsum genutzt werden. Dagegen legten Berechnungen des Ifo-Instituts nahe, dass von den 20 Milliarden Euro, welche die Mehrwertsteuersenkung den Staat gekostet hat, nur knapp ein Drittel in zusätzliche Konsumausgaben geflossen seien.

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Das IMK empfiehlt deshalb, bei künftigen Konjunkturprogrammen „sowohl aus Effizienz- als auch aus Verteilungsgründen einen größeren Anteil der eingesetzten Mittel für Direktzahlungen zu verwenden“. Für ihre Untersuchung werteten die Ökonomen die Angaben von 6100 Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden aus einer Umfrage im November aus. Die Befragung erfasste somit die Situation nach Auszahlung beider Tranchen des Kinderbonus im September und Oktober.

20 Milliarden verpuffen fast

Trotz der niedrigeren Preise hatte die Mehrwertsteuersenkung keine Auswirkungen auf das Konsumverhalten bei 79 Prozent der Befragten. Lediglich 16 Prozent berichteten, sie hätten eigentlich für später geplante Anschaffungen vorgezogen. Gerade einmal 4,5 Prozent gaben an, sie hätten zusätzlich etwas angeschafft. Das Münchener Ifo-Institut hatte als Effekt der Mehrwertsteuersenkung im Gesamtvolumen von 20 Milliarden Euro lediglich Mehrausgaben von 6,3 Milliarden Euro ermittelt.

Wohlhabende nutzen Steuersenkung

Die Daten des IMK liefern auch Indizien dafür, dass vor allem Haushalte mit höheren Einkommen die Gelegenheit genutzt haben, während der Mehrwertsteuersenkung einzukaufen. So haben unter den Befragten, deren Haushalt finanzielle Rücklagen hatte, knapp 18 Prozent ursprünglich erst für später geplante Anschaffungen vorgezogen. Von den Haushalten ohne Rücklagen taten das lediglich 11,5 Prozent. 11,3 Prozent der Befragten aus Haushalten mit Einkommen unter 1500 Euro netto monatlich berichteten von Anschaffungen, die sie sonst erst zu einem späteren Zeitpunkt getätigt hätten. Dieser Anteil lag bei den Befragten mit mindestens 4500 Euro monatlichem Netto-Haushaltseinkommen mit 19,5 Prozent erheblich höher.

Kinderbonus wird ausgegeben

Ganz anders das Bild beim Kinderbonus. „Dieser richtete sich in erster Linie an kindergeldberechtigte Haushalte mit niedrigeren oder mittleren Einkommen, weil er mit dem steuerlichen Freibetrag verrechnet, nicht aber auf die Grundsicherung angerechnet wird“, schreibt das IMK. Im November, also schon wenige Wochen nach der Auszahlung, gaben 37 Prozent der Befragten mit Kindern an, den Bonus bereits komplett ausgegeben zu haben. Bei weiteren 27 Prozent war die Einmalzahlung zumindest teilweise in den Konsum geflossen.

Besonders hoch ist die beobachtete Ausgabenneigung mit mehr als 80 Prozent vom ausgezahlten Betrag bei Haushalten, die monatliche Einkommen unter 1500 Euro netto haben. Diese Gruppe hatte in der Befragung auch besonders häufig angegeben, in der Pandemie mehr Geld ausgeben zu müssen. Die IMK-Forscher nennen beispielsweise technische Anschaffungen für Online-Unterricht oder den Wegfall von kostenlosem Schulessen. Das unterstreiche, dass der Kinderbonus zielgerichtet dort geholfen habe, wo der Bedarf besonders groß war, schreiben die Ökonomen.

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