Projekt Seidenstraße: Wie China seinen Einfluss in Belarus ausbaut
Das größte Seidenstraßen-Projekt hat China in Belarus gebaut: einen gigantischen Industriepark. Nun gefährden die Proteste in Minsk Pekings Ziele.
Männerfreundschaft allein wird es nicht gewesen sein, die Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping dazu veranlasst hat, als einer der Ersten Alexander Lukaschenko zum Wahlsieg zu gratulieren. Vielmehr gilt Belarus als wichtiger Baustein, wenn nicht der wichtigste, für den Erfolg der Seidenstraßeninitiative, einer weltweiten Infrastrukturmaßnahme, durch die China seinen geopolitischen Einfluss ausbauen und stärken will.
Ausgerechnet der Great Stone Industrial Park, rund 25 Kilometer von Minsk gelegen, ist der Schlüssel zum Erfolg für Chinas Projekte in Europa. Was sich nach Naturerholungsgebiet anhört, ist Chinas größtes Seidenstraßen-Projekt im Ausland. Allein der Bau des High-Tech-Industrieparks hat zwei Milliarden Dollar gekostet. Xi selbst bezeichnete den Park als Perle des Seidenstraßenprojektes. Das Gelände hat eine Gesamtfläche von 112 Quadratkilometern, liegt unweit des Nationalen Flughafens Minsk und soll zu einem Handelsumschlagplatz zwischen Ost und West wachsen.
China wird sicherstellen wollen, dass alle diese Investitionen nicht in einem destabilisierten Belarus verloren gehen. Die Proteste sind eine Bedrohung der Herrschaft Lukaschenkos wie auch eine Gefahr für das Seidenstraßenprojekt in Belarus. Laut China Global Investment Tracker haben chinesische Investoren seit dem Start der Belt and Road Initiative (BRI), wie das Seidenstraßenprojekt im Englischen genannt wird, vor gut sieben Jahren bisher schon 1,6 Milliarden US-Dollar in Weißrussland investiert, hauptsächlich in den Bereichen Transport, Logistik und Energie, Schlüsselsektoren für die BRI.
Lukaschenko will Hightech-Unternehmen anziehen
Unternehmen mit hohem Exportpotenzial und Fokus auf Hightech sollen sich, wenn es nach Lukaschenko geht, in seinem Land ansiedeln. Egal ob sie aus den Bereichen Maschinenbau, Elektronik und Telekommunikation, Feinchemie, Biotechnologie, Pharma, neue Materialien, Logistik, E-Commerce oder Big Data kommen. Alexander Lukaschenko will, dass sich Hightech-Unternehmen aus aller Welt auf dem Areal des Great Stone Parks mit der „Produktion der Zukunft“ befassen.
Belarus möchte mit dem Standort vor allem auch ausländische Investoren in den Park bringen, indem es zum einen Steuervergünstigungen und zum anderen Zugang zu den 183 Millionen Kunden in der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion (EEU) bietet. China seinerseits hofft, den Park zu einem wichtigen Logistikzentrum für den Handel mit der EU zu machen.
Bisher hat der Great Stone Park laut chinesischen Staatsmedien über 56 ausländische Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich angezogen und aus China kommen Technologie-Schwergewichte wie die Telekomausrüster Huawei und ZTE. Durch ein spezielles rechtliches Rahmensystem und steuerliche Anreize sollen sich noch mehr Unternehmen in der Sonderwirtschaftszone des Great Stone Parks ansiedeln. Attraktiv ist etwa, dass die Unternehmen dort bis zu zehn Jahre lang steuerfrei agieren können, bis sie die ersten Gewinne erzielen. Danach zahlen sie bis zum Jahre 2062 gerade mal 50 Prozent des bestehenden Steuersatzes. Auch von der Grund- und Immobiliensteuer sind die Unternehmen befreit.
Selbst eine Öko-Stadt ist in Planung
Auch an die Arbeitskräfte wurde gedacht. Die Einkommensteuer für Park-Mitarbeiter liegt bei 9 Prozent, während sie im Rest des Landes 13 Prozent beträgt. In Planung ist eine Öko-Stadt mit komfortablen Lebensbedingungen für die 200.000 Arbeiter. Später sollen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Einkaufszentren, Sport- und Erholungszentren dazukommen. Ziel ist es, neue Technologien, Talente, aber vor allem ausländische Investoren anzuziehen, sodass der Park zum Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von Belarus beiträgt, so die gängige Meinung von Ökonomen. Aber bisher ist es vor allem China, das in Belarus investiert.
Als Logistikknotenpunkt ist Belarus jetzt schon wichtig. Etwa 80 Prozent aller Züge zwischen China und der Europäischen Union fahren über die GUS-Republik, laut dem German Economic Team Belarus. Der Gütertransit wächst beständig. Jedoch fährt ein großer Teil der Container bisher leer aus Europa nach China zurück. Das ist ein Anreiz für Belarus, seine Exporte nach China bis 2025 auf 5 Milliarden Dollar erhöhen.
Laut der Nationalbank der Republik Belarus stiegen die gesamten ausländischen Direktinvestitionen Chinas in Weißrussland im vergangenen Jahr auf 450,3 Millionen US-Dollar und waren damit zwar deutlich niedriger als die des wichtigsten Handelspartners Russland, der 4,5 Milliarden US-Dollar investierte. Doch Lukaschenko, der seit 26 Jahren an der Macht ist, war darauf bedacht, nicht zu abhängig von Russland oder Europa zu werden. Den Handel mit China, das in seinen Augen keine Bedrohung für die belarussische Souveränität darstellt, hat er gerade deswegen in den vergangenen Jahren vorangetrieben.
China ist für Weißrussland ein wichtiger Handelspartner
Im vergangenen Jahr betrug der bilaterale Handelsumsatz mit China 2,7 Milliarden Dollar, ein Plus von 58 Prozent gegenüber 2018, und die chinesischen Exporte nach Weißrussland beliefen sich nach Angaben des chinesischen Außenministeriums auf 1,8 Milliarden Dollar. China ist nach Russland, der Europäischen Union und der Ukraine zum viertgrößten Handelspartner Weißrusslands aufgestiegen. Doch die Allianz zwischen Peking und Minsk baut auf dem gängigen Seidenstraßen-Modell auf. China tritt als Kreditgeber auf, was zu hoher Verschuldung führen kann. Das wirft nicht nur die Frage auf, wie diese Schulden jemals beglichen werden sollen, sondern auch, welche Absichten China damit letztlich hat.
Zuletzt hatte das belarussische Finanzministerium Ende vergangenen Jahres ein Darlehen in Höhe von 500 Millionen Dollar von der China Development Bank bekommen. Laut der Belarusian Telegraph Agency ist es nicht an ein bestimmtes Projekt gebunden und kann für jeden Zweck ausgegeben werden, einschließlich der Rückzahlung früherer Schulden, der Aufrechterhaltung der belarussischen Devisenreserven und der Förderung des Handels.
Das Darlehen wurde Belarus einige Tage vor der Wiederaufnahme der vorher gescheiterten Gespräche mit Russland über eine stärkere wirtschaftliche Integration gewährt. Diese Gespräche endeten ohne Einigung, was zu einer Einstellung der Öllieferungen von Russland an Weißrussland führte. Schließlich trafen Minsk und Moskau eine Vereinbarung über begrenzte Ölmengen, die ausreichen, um den „ununterbrochenen Betrieb der Raffinerien des Landes“ sicherzustellen. Alexander Lukaschenko steht jedoch weiterhin unter dem Druck russischer Forderungen.
Das Darlehen im vergangenen Jahr war nicht das erste von China an Weißrussland. Zwischen 2000 und 2014 erhielt Minsk mehr als 7,6 Milliarden US-Dollar an finanzieller Unterstützung aus China in Form von Hilfe und Darlehen. Auch im vergangenen Jahr schon hatten chinesische Finanzinstitute der Entwicklungsbank der Republik Belarus eine Kreditlinie in Höhe von 15 Milliarden US-Dollar eröffnet. Die Frage ist, ob ein möglicher Regimewechsel in Minsk die zunehmende Abhängigkeit von China beenden würde – eine Aussicht, die Peking gar nicht gefallen dürfte.
Ning Wang