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Gescheitert. Im Hornbach-Clip lacht der Vater über seine Unfähigkeit als Heimwerker. Entwickelt wurde der Spot in Berlin.
© promo

Agenturszene in der Hauptstadt: Werbung für die Welt aus Berlin

Exportprodukte der kreativen Art: Die Berliner Werbeagentur-Szene ist so stark wie noch nie - hier entstehen weltweite Kampagnen.

Ein Männertraum: Der Vater baut vor den Augen seines Jungen ein Ferienhaus im Grünen. Das Grundgerüst aus Holzstreben steht bereits, sanfte Musik begleitet die Szene – bis das Haus über dem Mann zusammenkracht. Der Junge lässt sein Fahrrad fallen, bricht in Tränen aus. Doch dann klettert der Vater aus den Trümmern. Er hält sich den Arm, zieht einen Splitter aus der Wunde an der Schläfe – und lacht laut. Happy End: Vater und Sohn liegen sich in den Armen. Die Botschaft: „Bereue nichts. Entdecke die Größe im Scheitern.“

Der positive Umgang mit Niederlagen ist etwas, womit man sich in Berlin auskennt. Gründer scheitern hier regelmäßig mit ihren Firmenideen – und geben trotzdem nicht auf. Etwas muss erst einmal richtig schiefgehen, damit man lernt, wie man es besser macht. Was für Gründer gilt, trifft ebenso auf Heimwerker zu. Das meint zumindest die Berliner Werbeagentur Heimat. Sie hat die neue Kampagne für die Baumarktkette Hornbach entwickelt, deren Spots seit einigen Tagen im Fernsehen laufen. Dazu kommen Anzeigen, Werbeplakate, eine Internetseite, Auftritte in sozialen Netzwerken. Nach Deutschland wird die „Bereue nichts“Kampagne auch in Schweden zu sehen sein, in Luxemburg, Österreich, Tschechien und Rumänien. Die Hornbach-Werbung ist ein Exportprodukt aus Berlin: entwickelt in der Hauptstadt, ausgestrahlt in alle Welt.

1400 Unternehmen, fast 1,6 Milliarden Euro Umsatz

Und sie ist nur ein Beispiel von vielen. Die Kampagne für den Konkurrenten Toom („Respekt, wer’s selber macht“) hat das Berliner Team von Scholz & Friends entwickelt, ebenso wie den Markenrelaunch von RWE („Energie wird Innogy“). Die Agenturgruppe BBDO hat sich in Berlin die weltweite Werbekampagne für die Automarke Smart ausgedacht („Die Stadt braucht Vordenker“), Jung von Matt Spree die Werbekampagne für Nikon („I am Nikon“), zu sehen in 138 Ländern.

Das zeigt: Berlins Werbewirtschaft blüht auf. Kamen die großen Kampagnen früher aus Düsseldorf, Frankfurt am Main oder Hamburg, kann die Hauptstadt inzwischen durchaus mithalten. Über 1400 Unternehmen sind mittlerweile in der Berliner Werbebranche unterwegs. Zusammen generieren sie einen Umsatz von fast 1,6 Milliarden Euro. „Berlin hat inzwischen eine enorme Bedeutung in der Werbebranche“, sagt Jürgen Schepers, Branchenkoordinator Kreativwirtschaft bei der Industrie- und Handelskammer Berlin.

Ein Wandel, der nicht selbstverständlich ist. Matthias Schmidt kann sich noch gut an die neunziger Jahre erinnern. Als der Werber damals sein Studium an der Universität der Künste beendete, war Scholz & Friends eine der wenigen großen Agenturen, die ein Büro in Berlin hatten. Die Agenturen saßen dort, wo die großen Unternehmen ihren Sitz hatten. Und das war nun mal nicht in Berlin, sondern in Städten wie Düsseldorf, Hamburg oder Frankfurt der Fall. „Heute kann es sich dagegen kaum eine Agentur mehr erlauben, kein Büro in Berlin zu haben“, sagt Schmidt. Seit zwei Jahren ist er Partner bei Antoni, einer Agentur, die ausschließlich Werbung für Mercedes macht. Auch Antoni sitzt bewusst in Berlin. „Heute muss eine Werbeagentur dort sitzen, wo sie die besten Talente findet“, sagt Schmidt.

Mehr "Freiraum für Experimente" in der Hauptstadt

Trotzdem heißt das nicht, dass Berlin etwa Hamburg oder Düsseldorf den Rang als Werbestadt abspenstig machen kann. Constantin Dudzik, Geschäftsführer bei Scholz & Friends in Berlin, berichtet vielmehr von einem regen Austausch zwischen den Städten. „Zwischen Hamburg und Berlin entsteht aktuell vielmehr eine neue Kreativachse“, sagt er. „Der ICE zwischen beiden Städten gleicht morgens und abends oft einem kleinen Kreativagentur-Klassentreffen.“ Hamburg sei das Tor zur Welt, Düsseldorf könne durch die Nähe zur Wirtschaft punkten. Und Berlin? Hier gebe es mehr „Freiraum für Experimente“.

Besonders wichtig ist das, wenn Agenturen weltweite Kampagnen entwickeln wollen. „Sie dürfen dann nicht alles ausschließlich durch die deutsche Brille betrachten“, sagt Till Eckel, Geschäftsführer von Jung von Matt Spree. Ohne internationale Mitarbeiter gehe das nicht. Von den 100 Mitarbeitern, die die Agentur in Berlin hat, kommen rund 20 Prozent aus dem Ausland. Und internationale Talente lassen sich nun mal eher nach Berlin locken als nach Düsseldorf oder Hamburg.

On Tour. Werbung der FDP in London für den Start-up-Standort Berlin.
On Tour. Werbung der FDP in London für den Start-up-Standort Berlin.
© dpa

Das weiß auch Antoni-Partner Schmidt. Als eine der ersten deutschen Agenturen konnte sein Büro in diesem Jahr für Mercedes einen Werbespot beim Superbowl platzieren: Die Werbeblöcke bei der Übertragung des Finales der American Football-Liga sind extrem begehrt, Konzerne lassen sich die Spots besonders viel kosten. Dass die Berliner Agentur Antoni den Spot entwickeln durfte, war nicht selbstverständlich. Auch wenn sie exklusiv für Mercedes arbeitet, konkurriert sie doch mit Agenturen in den USA, die normalerweise den Zuschlag für den Superbowl bekommen. Schmidt spricht daher vom „Mount Everest der Werbebranche“, den sie erklommen hätten.

Agenturen wünschen sich mehr Unterstützung vom Senat

Auch um solche internationalen Erfolge zu erringen, beschäftigen die großen Agenturen in Berlin inzwischen immer mehr Mitarbeiter. Bei Scholz & Friends sind es 200, bei BBDO sogar fast 1300. Doch gerade weil die Werbebranche inzwischen so wichtig ist für die Stadt, ärgert es manche, dass die Agenturen vom Senat so wenig Unterstützung bekommen. BBDO-Chef Frank Lotze zum Beispiel wünscht sich, dass sich die Stadt dafür einsetzt, einen Kreativwettbewerb wie den Art Directors Club nach Berlin zu holen. Für Agenturen sind diese Auszeichnungen sehr wichtig. „Berlin wäre ein idealer Ort für so eine Veranstaltung“, sagt Lotze. „Schließlich entstehen hier große, internationale Werbekampagnen. Warum sollen sie nicht auch hier ausgezeichnet werden, zumal es für Berlin Einnahmen und zusätzliches Renommee bringen würde?“

Außerdem würde eine solche Veranstaltung Nachwuchskräfte anlocken. Und die können die Agenturen gut gebrauchen. Fast alle haben derzeit Stellen ausgeschrieben. Zum einen ist die Fluktuation in der Branche hoch. Zum anderen wünschen sich viele Mitarbeiter irgendwann mehr Gehalt, das sie in Berlin nicht unbedingt bekommen und deshalb wegziehen. So haben viele, die für Werbeagenturen in der Stadt arbeiten, keine feste Stelle. Zwar ist das ein branchenweites Problem, doch in Berlin scheint es besonders stark ausgeprägt zu sein: Von mehr als 15 000 Angestellten in der Branche sind nur 7500 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

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