Junckers Investitionspaket: Wer hat so viel Geld?
Die EU-Staaten hoffen auf Investitionen aus Brüssel. Sie haben eine Wunschliste mit rund 2000 Projekten geschickt. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ein Paket von insgesamt 315 Milliarden Euro versprochen und nun die Qual der Wahl.
„Wer soll das bezahlen“, singen rheinische Jecken Jahr für Jahr im Karneval, „wer hat so viel Geld?“ Die gleichen Fragen quälen nun auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker – und daran ist er selbst nicht ganz unschuldig. 315 Milliarden Euro hat der Luxemburger den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten für neue Investitionen versprochen. Und die zeigen keine falsche Bescheidenheit. Insgesamt rund 2000 Projekte mit Kosten in Höhe von etwa 1300 Milliarden haben die Mitgliedstaaten in Brüssel eingereicht.
Auf 610 Seiten sind Vorschläge gebündelt, wo die Milliardensumme investiert werden könnten. Auch Deutschland hofft auf großzügige Zuschüsse aus Brüssel. Die Bundesregierung hat Projekte im Gesamtwert von 89 Milliarden an die Kommission gemeldet. Einer von insgesamt 58 Posten ist der Auf- beziehungsweise Ausbau eines Breitbandnetzes für schnelles Internet überall in Deutschland. Kostenpunkt: stolze 24 Milliarden Euro. Weitere 13,5 Milliarden, so hofft Berlin, sollen in den Ausbau und die Anbindung von Windkraftparks ans Stromübertragungsnetz fließen.
Auch seit Jahrzehnten umstrittene Projekte wie die Vertiefung der Elbe finden sich in der Liste wieder. Sie soll es auch den größten Containerschiffen ermöglichen, Europas zweitgrößten Seehafen Hamburg anzulaufen. Die Hansestadt dürfte wirtschaftlich auch von einem möglichen Projekt profitieren, dass die Dänen eingereicht haben: Den Bau eines Tunnels zur Fehmarn-Belt-Querung, die die Strecke zwischen Hamburg und der wirtschaftlich starken Øresund-Region zwischen Dänemark und Südschweden verkürzen soll. Gleichzeitig hat Berlin mit dem Projekt „Haitabu“ auch ein politisch aufgeladenes Projekt auf die Liste gesetzt. Dahinter verbirgt sich ein Hafenterminal für Flüssiggas (LNG) samt nötiger Anlagen. Das öffentlich-privat finanzierte Projekt mit einem Volumen von einer Milliarde Euro solle helfen, die Abhängigkeit Deutschlands von den derzeitigen Lieferanten zu reduzieren. Man kann spekulieren, dass paneuropäische Projekte, wie etwa ein Seestromkabel zwischen Frankreich und Irland (1,2 Milliarden Euro) etwas größere Chancen auf Realisierung haben werden als die Schulreform, die die Italiener mit 8,7 Milliarden veranschlagen. Die Griechen waren bei der Formulierung ihrer Wünsche im europäischen Vergleich verhältnismäßig bescheiden und führen selbst regionale Stromleitungen für 10 Millionen Euro auf. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte am Dienstag in Brüssel, über die konkrete Umsetzung von Projekten würden „nicht die Politiker entscheiden“, sondern Experten unter Aufsicht der Europäischen Investitionsbank (EIB). Es werde nur „vernünftige Projekte“ geben. Wer diesem Expertengremium angehören soll, ist dabei noch unbekannt.
Doch was vernünftig und was unvernünftig ist, auch darüber herrscht in Brüssel Uneinigkeit: Der Grüne-Europapolitiker Sven Giegold fordert neben der ökonomischen auch eine ökologische Prüfung der Projekte. „Die Mittel müssen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz fließen“, forderte Giegold. Noch sind Wirtschaftsexperten auch grundsätzlich skeptisch, ob Junckers Investitionsplan am Ende aufgeht, ob die angepeilten 315 Milliarden überhaupt zusammenkommen. „Für mich sind da noch viele Fragen offen“, sagt zum Beispiel Ökonomieprofessor Henrik Enderlein. Man müsse sich schon fragen, warum viele der Projekte bisher keine Finanzierung gefunden hätten. „Wenn Risiko und Ertrag absehbar und annehmbar sind, sollte sich eigentlich eine Finanzierung finden. Und ob, wenn das nicht gegeben ist, es richtig ist, die Kosten vom Nationalstaat auf die EU zu verlagern, das bezweifle ich.“