Werbung in sozialen Netzwerken: Wer dealt schon gern mit Datenpiraten?
Werbetreibende sollten von Facebook & Co. mehr Transparenz verlangen. Denn Preisfindung und Methoden sind intransparent. Ein Gastkommentar.
Vor einigen Jahren hieß es, Daten seien das neue Öl. Facebook hat dieses Mantra wahr werden lassen. Als gut geschmierte Datenraffinerie liefert die Plattform einen begehrten Treibstoff für die Werbewirtschaft: passgenaue Nutzerprofile en masse. Diese lassen sich die werbetreibenden Unternehmen einiges kosten. Facebook alleine setzte im vergangenen Jahr mehr als 50 Milliarden Dollar mit datengetriebener Werbung um. Der Internetkonzern, zu dem auch Instagram und Whatsapp gehören, dominiert gemeinsam mit dem Google-Mutterkonzern Alphabet den Markt für digitale Werbung.
Das Daten-Duopol erzielte 2018 einen kombinierten Umsatz von rund 195 Milliarden Dollar - und damit bereits etwa 80 Prozent dessen, was der „echte“ Ölriese Exxon Mobil für sich verbuchen konnte. Angesichts dieser Marktmacht und der Ankündigung seitens Facebook, seine Dienste technisch zusammenzuführen, liegt es nun an den werbetreibenden Unternehmen, dafür zu streiten, dass sie einen willkürfreien, gleichberechtigten Platz auf der Plattform erhalten. Und dass die Nutzungsbeschränkungen für die Daten aller Nutzer beachtet werden. Werbetreibende müssen sich ihrer Macht bewusst werden, um marktmissbräuchliches Verhalten vermeiden zu können.
Wichtig ist dafür vor allem, dass sie Zugriff auf jene Algorithmen erhalten, welche die Reichweite ihrer Anzeigen und deren Position gegenüber anderen Unternehmen beeinflussen. So ließe sich die nötige Transparenz herstellen. Des Weiteren sollte die Interoperabilität der Plattformen untereinander durch die Werbekunden durchgesetzt werden. Facebook hat insbesondere bei Werbung auf Smartphones eine marktbeherrschende Stellung errungen. Die ist auch dem Kartellamt nicht verborgen geblieben. Die Wettbewerbsbehörde legt besonderes Augenmerk darauf, woher Facebook seinen Datenrohstoff bezieht und inwiefern bei dessen Verarbeitung Rechtsverstöße vorliegen.
Nutzungsbedingungen für die Sammlung von Daten dürfen nicht aufgezwungen werden
Im Fokus steht die Frage einer rechtmäßigen Verwendung der Daten und des Zugangs zu Facebook, Instagram und Whatsapp. Entsprechend hat das Bundeskartellamt jüngst entschieden, dass Nutzern - also Verbrauchern und Unternehmen - bestimmte Nutzungsbedingungen für die Sammlung und die Verwendung von Daten durch Facebook und seinen Tochterunternehmen nicht aufgezwungen werden dürfen. Denn Facebook arbeitet seit Jahren mit Daten von Nutzern, die weder einen Account bei der Social-Media-Plattform besitzen noch einer Verarbeitung ihrer von Facebook an anderer Stelle gesammelten Daten je zugestimmt haben.
Das aber schreibt die Datenschutzgrundverordnung vor. Und genau dieser Praxis, die gegen die grundgesetzlich zugesicherte informationelle Selbstbestimmung verstößt, hat das Kartellamt daher auch nach dreijähriger Prüfung einen Riegel vorgeschoben. Angesichts des bisherigen Umgangs mit staatlicher Autorität hat Thomas Nötting im Fachblatt „Werben & Verkaufen“ angemerkt, dass nur die werbungtreibenden Unternehmen Facebook zu einer nachhaltigen Änderung seiner Arbeitsweise bewegen können. Offen bleibt die Frage, wer bei den Unternehmen in Aktion treten sollte.
Die Marketing- und Media-Manager, die bis zu dreistellige Millionenbudgets in Werbung investieren, scheinen befangen zu sein. Eine Umfrage der Organisation der Werbungtreibenden brachte dies kürzlich auf den Punkt. Auf die Frage, was aus Sicht der Marketingprofis 2019 die größte Herausforderung sei, lautete die Antwort „mangelnde Transparenz bei Google und Facebook“. Gefragt nach der Mediengattung, in der die Marketingentscheider in diesem Jahr ihre Investments am stärksten ausweiten wollen, war die mehrheitliche Antwort: „Social Media“, also Facebook und Instagram.
Die Preisfindung ist nicht nachvollziehbar
In ihrem Bemühen, junge Zielgruppen zu erreichen, die über klassische Medien kaum mehr ansprechbar sind, klammern sich Marketingentscheider an nahezu jeden Strohhalm, wohl wissend, dass der nicht sonderlich belastbar ist. Wenn also Geld in Plattformen investiert wird, sollte Auskunft verlangt werden. Vor allem, wenn selbst Profis ihnen nicht vertrauen, weil deren Preisfindung nicht nachvollziehbar ist, sie keine neutrale Überprüfung von Werbewirkung zulassen und auch die der Leistungserbringung zugrunde liegenden Methoden nicht transparent sind.
Jede größere Firma hat seit Jahren Social-Media-Guidelines, um Mitarbeitern Regeln für den Umgang mit digitalen Plattformen an die Hand zu geben. Aber ein Regelwerk für die Gestaltung von geschäftlichen Beziehungen zu ebendiesen Plattformen fehlt. Dabei haben Compliance-Abteilungen in den vergangenen Jahren wichtige und gute Arbeit geleistet, um klare Verhaltensregeln vorzugeben. So wäre es für jedes deutsche Unternehmen undenkbar, mit Lieferanten zu arbeiten, die der Markenpiraterie verdächtig sind. Für Datenpiraten gilt dies nicht. Noch nicht.
Christian Bachem ist promovierter Medienökonom und als Partner der Strategieberatung Markendienst Leiter des Berliner Büros.
Jan Froehlich ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz im Bereich des Kartellrechts.
Christian Bachem, Jan Froehlich