Energie: Wenn Fernwärmekunden in die Röhre schauen
Verbraucherschützer fordern eine Reform des Wärme-Marktes und kritisieren Monopolstrukturen.
Viele der 5,5 Millionen Fernwärme-Kunden in Deutschland zahlen aus Sicht von Verbraucherschützern zu viel. Wie die Preise zustanden kommen, sei schwer nachzuvollziehen, kritisierten der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), der Mieterbund und der Verband Neue Energiewirtschaft am Mittwoch in Berlin. „Es ist einer der letzten unregulierten Monopolmärkte“, sagte Verbraucherzentralen-Chef Klaus Müller und forderte Reformen ähnlich wie bei Strom und Gas.
Preise sollen offen gelegt werden
Notwendig seien eine gesetzliche Pflicht für Anbieter, ihre Preise detailliert offen zu legen, außerdem verständlichere Rechnungen und Wettbewerb im Markt. Alternativ zur Marktfreigabe soll eine Behörde wie die Bundesnetzagentur die Preise in dem Monopolsektor regulieren. Jeder siebte Haushalt in Deutschland heizt mit Fernwärme, die meisten sind Mieter. Nach Berechnungen der Verbraucherschützer heizen Fernwärme-Kunden mit Abstand am teuersten. Seit 2010 seien die Preise mit einem Plus von etwa 20 Prozent überdurchschnittlich gestiegen, kritisierte Müller.
Vattenfall versorgt in Berlin 1,2 Millionen Wohneinheiten mit Fernwärme
In Berlin werden nach Angaben von Vattenfall 1,2 Millionen Wohneinheiten mit Fernwärme versorgt. Ein Sprecher des Unternehmens wies die Monopol-Vorwürfe der Verbraucherschützer zurück: „Es gibt in Berlin keinen Anschlusszwang“. Anfang des Jahres sei der Preis für den Tarif Fernwärme Klassik zudem um 1,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gesenkt worden. Im Vergleich zu 2013 sei der Preis um 6,5 Prozent gefallen.
Der Deutsche Mieterbund kritisierte jedoch, dass die Preise der Fernwärmeanbieter nicht nachvollziehbar seien. Immer wieder gebe es Beschwerden von Mietern, „die die Tarife für Fernwärme nicht verstehen und mit Preiserhöhungen konfrontiert werden, die nicht akzeptabel sind“, erklärte Mieterbunddirektor Lukas Siebenkotten.
Vattenfall verweist dagegen auf eine Prüfung des Bundeskartellamts, wonach „die unterschiedliche Preisgestaltung vielfältige Ursachen haben kann, zum Beispiel die spezifische Anlagen- und Netzinfrastruktur, unterschiedlichen Brennstoffeinsatz sowie verschiedene Größen der einzelnen Fernwärmeversorgungsnetze und deren Kundenstruktur“. Auch das Bundeswirtschaftsministerium betonte, der Fernwärmemarkt werde von den Kartellbehörden überwacht und sei daher nicht unreguliert. Die Verbände monierten eine Entwicklung zu immer höheren Grundpreis-Anteilen, die Kunden mit einem geringen Verbrauch besonders belaste. Ein solches System stehe im Widerspruch zu Energieeffizienz-Anreizen. Die Fernwärme basiere zudem wesentlich auf fossilen Rohstoffen wie Kohle und Gas.
"Alle Förderprogramme für Gas- und Ölheizungen sofort beenden"
Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, findet die Entwicklung auf dem Heizungsmarkt „alarmierend“. Es sei geradezu absurd, dass im vergangenen Jahr wieder mehr Ölheizungen installiert wurden. „Wie soll Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen, wenn heute noch massenhaft fossile Technologie eingebaut wird, die die nächsten Jahrzehnte weiter Öl und Gas verbrennt?“, sagte Verlinden. Die Bundesregierung müsse dringend aktiv werden „und alle Förderprogramme für Gas- und Ölheizungen sofort beenden.“ Außerdem müsse sich etwas bei der Besteuerung von Energieträgern ändern. ( mit AFP und dpa)