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Die VW-Tochter Skoda baut in Tschechien bereits Komponenten für Beatmungsgeräte.
© AFP

Fahrzeugbauer als Krisenhelfer: Wenn Autoschrauber zu Medizintechnikern werden

Die Konzerne spenden Masken und wollen selbst Beatmungsgeräte herstellen. Doch Experten zweifeln, ob das gelingen kann.

Die deutsche Autobranche bereitet sich auf die Produktion von medizinischer Ausrüstung vor. Nachdem Bosch in dieser Woche einen Coronavirus-Schnelltest für Krankenhäuser und Arztpraxen präsentierte, wollen nun weitere Hersteller folgen. Dabei geht es vor allem um Schutzausrüstung wie beispielsweise Atemschutzmasken. Doch bis zur Umsetzung gibt es organisatorische wie regulatorische Fragen zu klären.

Mit der Bundesregierung laufen dazu bereits Gespräche, heißt es aus Industriekreisen. Zudem soll eine Plattform ins Leben gerufen werden, über die quasi eine Art Matching stattfindet: Hersteller melden ihre Kapazitäten, medizinische Einrichtungen ihre Bedarfe. An diesem Wochenende könnten es dabei entscheidende Fortschritte geben. So wird in der Regierung offenbar überlegt, für den Bereich der Atemschutzmasken eine neue Kategorie einzuführen, an die weniger strikte Anforderungen gestellt werden.

Dabei gehe es um Masken aus dem Bereich medizinischer Mundschutz, wie sie etwa bei Operationen getragen werden. Auch diese sind derzeit auf dem Markt nur schwer erhältlich. Durch weniger strenge Anforderungen könnten sie leichter und in höherer Stückzahl produziert werden und damit Bürgerinnen und Bürgern für den alltäglichen Gebrauch auf der Straße zur Verfügung stehen, heißt es. Voraussetzung dafür sei aber etwa, dass auch die entsprechenden Materialien wie beispielsweise Vliese geliefert werden können.

Wichtige Fragen klären, bevor Produktion startet

Bevor nun aber groß in die Produktion eingestiegen wird, gilt es zwei zentrale Fragen zu klären: Wie groß ist erstens überhaupt der Bedarf an solchen Masken. Und wie schnell kann zweitens etwa aus China Nachschub kommen, wo womöglich die Nachfrage sinkt beziehungsweise die Produktion wieder angelaufen ist.

Atemschutzmasken werden weltweit dringend gebraucht.
Atemschutzmasken werden weltweit dringend gebraucht.
© dpa

Fest steht, dass für die Bedarfskoordinierung bereits seit vergangenem Wochenende an einer Plattform gearbeitet wird: „IndustrieVsVirus“ heißt sie und ist im Rahmen des „WirVsVirus“-Hackathons der Bundesregierung entstanden. Mit dabei sind etwa Bosch, Audi, der Medizintechnikhersteller Dräger und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die LinkedIn-Gruppe, über die Hilfsangebote reinkommen, hat bereits fast 700 Mitglieder.

Bosch hat einen Schnelltest entwickelt

Über die Plattform soll der Matchingprozess laufen, Unterstützung gibt es dafür auch vom US-Unternehmen Microsoft, über dessen Server die Plattform seit kurzem offenbar läuft. Wie schnell neue Medizintechnik entwickelt werden kann, hat Bosch bereits bewiesen. Zusammen mit dem nordirischen Medizintechnik-Unternehmen Randox hat der weltgrößte Zulieferer mit seiner Sparte Healthcare Solutions in nur sechs Wochen einen Coronavirus-Schnelltest entwickelt, der ab April erhältlich sein soll.

Das vollautomatische Verfahren zum Nachweis von Virenerbgut soll von der Entnahme der Probe bis zum Ergebnis weniger als zweieinhalb Stunden brauchen. Bosch ist in Stuttgart ansässig, Anfang der Woche hatte dort der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Autohersteller und Maschinenbauunternehmen des Südwestens aufgerufen, einen Beitrag zur Versorgung mit medizinischen Produkten zu leisten.

Angebote werden über Portale koordiniert

Daraufhin gibt es nun Angebote von mehr als 100 Unternehmen, teilte ein Regierungssprecher mit. Diese würden sich grundsätzlich in der Lage sehen, Komponenten für medizinisches Equipment zu liefern, aber auch Atemschutzmasken und Schutzkleidung zu fertigen oder teilfertigen und liefern zu können. Die Taskforce Beatmungsgeräte wurde umbenannt in Taskforce Medizinbedarf.

Koordiniert werden die Angebote und Kompetenzen in Baden-Württemberg entlang von Portalen. Zum Beispiel die „Corona-Kooperationsbörse der Biopro BW“. Der Verband der Metall- und Anlagenbau (VDMA) koordiniert Lieferanten für Medizintechnik. Und „Spectaris“ (Deutscher Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik): Übersicht und Registrierung von branchenfremden Unternehmen, die der Medizintechnikindustrie ihre Unterstützung und Produktionskapazitäten anbieten.

Daimler könne 3D-Drucker-Kapazitäten freiräumen

Und auch: Südwesttextil – Innovationsnetzwerk place2tex: Eine vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderte Initiative von Südwesttextil, Allianz Faserbasierte Werkstoffe Baden-Württemberg (AFBW) und Techtex Neckar Alb. Die Plattform dient als zentrale Koordinierungsstelle für Anfragen von Unternehmen zur Möglichkeit der Herstellung von Schutzausrüstung (insbesondere Masken). Die Plattform stellt den Kontakt zu Entwicklern, Konfektionären, staatlichen Krisenstäben und Ministerien her. Auch, aber nicht nur im Südwesten, haben Autohersteller bereits Hilfe angeboten und bereiten sich auf eine Unterstützung in der Produktion vor.

Daimler betonte indes, dass die Herstellung von medizinischen Komponenten mit Blick auf die aufwendige Zertifizierung und Sicherheitsbestimmungen zwar „nicht trivial“ sei. Man verfüge aber natürlich über 3D-Drucker-Kapazitäten, die man gegebenenfalls zur Verfügung stellen könne. Der Stuttgarter Konzern hatte der baden-württembergischen Landesregierung etwa 110.000 Masken aus dem konzerninternen „Pandemiebestand“ für Kliniken und Arztpraxen übergeben.

VW will Material spenden

BMW bekräftigte demgegenüber, man sei „jederzeit und kurzfristig dazu bereit“, spezialisierte Hersteller von medizinischem Gerät mit den eigenen Kompetenzen in den Bereichen Logistik, Beschaffung und Produktion – zum Beispiel 3D-Druck – im Bedarfsfall zu unterstützen. „Wir prüfen dann im Einzelfall, was technologisch möglich ist“, sagte eine Sprecherin. „Wir sind dazu in Gesprächen, aber es gibt noch keine konkreten Anfragen.“

3D-Drucker werden zu hilfreichen Produktionsgeräten in der Corona-Krise
3D-Drucker werden zu hilfreichen Produktionsgeräten in der Corona-Krise
© dpa

Volkswagen kündigte an, kurzfristig medizinische Materialien in China zu organisieren. Das Material – unter anderem Atemschutzmasken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Fieberthermometer, Schutzbrillen und Schutzanzüge – soll gespendet werden und hat einen Gesamtwert von 40 Millionen Euro. Der VW-Konzern blieb außerdem bei seiner Zusage, einen Teil seiner weltweit fast 130 3D-Drucker für die Herstellung von Bauteilen zu nutzen. Der Autobauer hat eine Task-Force eingesetzt, die die technischen Möglichkeiten ausloten soll und den Kontakt zu Behörden und Experten hält. Denkbar ist bei VW die Produktion von Schläuchen oder Gesichtsmasken aus Kunststoff, nicht aber von ganzen Beatmungsgeräten.

Siemens bietet Hilfe seiner Ingenieure an

Skoda, eine Volkswagen-Tochter, hat bereits Teile für ein Beatmungsgerät auf einem 3D-Drucker gefertigt und kooperiert mit lokalen Wissenschaftlern. Volkswagen hatte in der vergangenen Woche aus eigenen Lagerbeständen rund 200.000 Atemschutzmasken gespendet.

Auch Siemens hat bereits angekündigt, sein 3D-Druck-Netzwerk für die schnelle Produktion von benötigten Teilen und Ersatzteilen von Beatmungsgeräten zu öffnen. Der Konzern stellt eigens 120 Drucker für Corona-Bedarf zur Verfügung und bietet auch Hilfe seiner Ingenieure an, sagte ein Sprecher.

VDI verweist auf Herausforderungen

Hilfsbereit zeigen sich ebenfalls deutsche Mittelständler aus der Branche. Der deutsche Autozulieferer Mahle und der Unterwäschehersteller Triumph haben kurzfristig die Produktion von Atemschutzmasken mit Virenfiltern für medizinisches Personal auf die Beine gestellt. Geplant sei eine Fertigungskapazität von 1,5 Millionen Masken im Monat, die an Behörden geliefert werden.

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) verweist jedoch auf die Herausforderungen: „Auf einer Produktionslinie, die Autos herstellt, kann ich nicht einfach Beatmungsgeräte herstellen“, gab Jean Haeffs, Geschäftsführer der Fachgesellschaft Produktion und Logistik beim VDI, zu bedenken. Auch Niklas Kuczaty, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Medizintechnik beim Maschinenbauverband VDMA, sagte: „Bei komplexeren Produkten wie einem Beatmungsgerät halte ich das für nicht realistisch – zumindest nicht in den nächsten Wochen und Monaten.“

Hohe Anforderungen an die Sicherheit

Einen eigenen Weg geht in der Branche auch bei diesem Thema Tesla. Der US-Elektroautohersteller hat nicht nur 1255 Beatmungsgeräte in China gekauft, um einen Großteil davon kalifornischen Kliniken anzubieten. Tesla-Chef Elon Musk hat zudem auch angekündigt, Beatmungsgeräte selbst herstellen zu wollen. Dies sei zwar nicht sofort möglich, aber im Prinzip nicht schwierig. Tesla hatte auch 250.000 Atemschutzmasken an Krankenhäuser gespendet. Der US-Autobauer Ford hatte angekündigt, zusammen mit den Konzernen General Electric und 3M die Herstellung von Beatmungsgeräten für Patienten und von Schutzmasken für Pflegepersonal zu beschleunigen.

Mit Blick auf kompliziertere medizinische Geräte weisen Experten auf die hohen Anforderungen an die Sicherheit hin. Gerade bei Produkten wie einem Beatmungsgerät, betont Niklas Kuczaty vom VDMA: „Wenn das ausfällt, ist der Patient tot.“

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