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Der Februar-Frost lässt meist auch den Arbeitsmarkt erstarren. Wegen des Stellenabbaus auf dem Bau stockt der Rückgang der Arbeitslosigkeit dann oft – nicht aber in diesem Jahr. Foto: Daniel Karmann/ dpa
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Arbeitsmarkt: Weniger Arbeitslose trotz der Kälte

Die Zahl der Erwerbslosen sinkt weiter. Doch vom Job-Boom profitieren noch lange nicht alle Menschen in Deutschland.

Selbst die derzeit sibirische Kälte, die kein längeres Arbeiten im Freien zulässt, beeinflusst den Arbeitsmarkt kaum. In diesem Februar ist die Zahl der Erwerbslosen sogar stärker gesunken als in den Jahren zuvor. Mit rund 2,5 Million Jobsuchern rutschte die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das sind 24 000 weniger Arbeitslose als im Januar und 216 000 weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote liegt bei 5,7 Prozent, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Mittwoch mitteilte.

Die Zahlen belegen nach Einschätzung von BA-Chef Detlef Scheele die robuste Verfassung des deutschen Arbeitsmarktes – was nicht etwa an gelungenen politischen Maßnahmen liegt, sondern an der kräftigen Konjunktur. Im Jahresverlauf könnte die Zahl der Arbeitslosen auf bis zu 2,1 Millionen sinken. „Das ist zwar ein Blick in die Glaskugel, das kann aber gelingen“, sagte Scheele. Auch zur Gruppe der Geflüchteten hieß es, es „gehe weiter aufwärts“. Inzwischen gebe es 209 000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Flüchtlinge, 79 000 mehr als vor einem Jahr. Zusammen mit jenen, die derzeit Integrations- und berufliche Förderkurse absolvieren, waren zuletzt knapp 480 000 auf Arbeitssuche.

Armutsrisiko für Arbeitslose in Deutschland hoch

Soweit die guten Nachrichten. Nicht ganz so rosig sieht es aus, wenn man alle Arbeitssuchenden hinzuzählt, die gerade Aus- und Fortbildungen absolvieren, denen aus gesundheitlichen Gründen kein Job vermittelt werden kann, oder die einen suchen, aber mindestens 58 Jahre alt sind. Dann sind 3,5 Millionen Menschen ohne Arbeit. Arbeitslose in Deutschland sind im EU-weiten Vergleich zudem am stärksten von Armut bedroht. Nach Angaben des Statistikamts Eurostat liegt das Armutsrisiko hierzulande bei 71 Prozent und damit so hoch wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. In der gesamten EU beträgt das Armutsrisiko für Arbeitslose im Schnitt 48,7 Prozent.

Dazu kommt: Vielen, die seit Jahren eine Stelle suchen, fehlt es an Know-how, um die immer anspruchsvolleren Aufgaben bewältigen zu können. Von dem stets bejubelten Job-Boom profitieren deswegen primär ausgebildete Fachkräfte, aber nicht Langzeitarbeitslose. Es ist paradox: Unternehmen suchen verzweifelt neue Mitarbeiter – in der Altenpflege im Schnitt 171 Tage – doch ungewollt Arbeitslose suchen nicht minder verzweifelt eine Stelle.

Scheele will individuellere Betreuung für Familien

Diese Entwicklung zeigt sich auch an der größer werdenden Schere zwischen der Erwerbstätigen- und der Arbeitslosenzahl. Während 2017 im Schnitt knapp 640 000 neue Arbeitsplätze entstanden, ging die Zahl der arbeitssuchenden Menschen nur um knapp 160 000 zurück. Ein großer Teil der neu entstandenen Stellen wurde nach BA-Erkenntnissen von Frauen und Männern besetzt, die nach längerer Elternzeit in ihren Beruf zurückkehren, von EU-Arbeitsmigranten, und zu einem kleinen Teil von Asylbewerbern und Älteren, die später in Rente gehen.

Weil die Situation von Langzeitarbeitslosen komplex ist, setzt sich Scheele für eine individuelle Betreuung mit Blick auf das familiäre Umfeld der Betroffenen ein. Mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ist er zufrieden. „Wir sehen uns als Bundesagentur schon beachtet und unterstützt“, sagte er und verwies auf die vorgesehenen vier Milliarden Euro für einen sozialen Arbeitsmarkt für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose. Das sei ein unglaublicher Schub, „um „in bestimmten Regionen des Ruhrgebiet und des Ostens geförderte Beschäftigung sozialversicherungspflichtig einzubinden.“

Marie Rövekamp

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