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 Das computergenerierte Bild der European Space Agency (ESA) zeigt Weltraummüll früherer Weltraummissionen, der neben intakten Satelliten um die Erde kreist.
© ESA/dpa

Raumfahrtindustrie: Weltraumschrott als Wachstumsbranche

Die Pannenhilfe und Entsorgung von Satelliten im All gelten als profitabler Markt. Bislang haben die Maschinen ausgedient, sobald ihnen der Sprit ausgeht.

Ein Flugzeugfriedhof mit Tausenden Maschinen, denen schlicht das Kerosin ausgegangen ist? Was auf der Erde unvorstellbar ist, geschieht seit Jahrzehnten mit Satelliten im All: Wenn ihnen der Treibstoff ausgeht und sie daher ihre Umlaufbahn verlassen, haben sie ausgedient. "Da werden buchstäblich hunderte Millionen Dollar zum Fenster hinausgeworfen", betont Al Tadros, Vize-Chef für Weltrauminfrastruktur und zivile Raumfahrt beim Satellitenbauer SSL.

Die Wartung von Satelliten im Weltraum ist daher eine Zukunftsbranche. Vor allem in der US-Hauptstadt Washington gab es in den vergangenen Jahren viele solche Unternehmensgründungen, nicht zuletzt weil eine Reparatur im All profitabler ist als neue Satelliten-Missionen.

SSL etwa will 2021 ein Raumfahrzeug ins All schicken, das in einer entfernten, geostationären Umlaufbahn zwei bis drei Dutzend Satelliten warten kann. Dort, etwa 36.000 Kilometer von der Erde entfernt, gibt es rund 500 aktive Satelliten, hauptsächlich für Telekommunikation.

Das unbemannte Raumschiff soll an einen Satelliten andocken können, um ihn zu inspizieren, zu betanken und möglicherweise zu reparieren, Komponenten zu wechseln und dann wieder in die richtige Umlaufbahn zu bringen. Vergleichbar sei dies "mit einem ADAC-Servicewagen", sagt Tadros. Finanziell sieht er darin "eine sehr große Chance".

Von 23.000 Objekten im All sind nur 1900 aktive Satelliten

Der Telekommunikationsriese Intelsat, der 50 geostationäre Satelliten betreibt, unterzeichnete seinerseits einen Vertrag mit Space Logistics, einer Niederlassung des US-Konzerns Northrop Grumman, für seinen Reparaturapparat MEV: Dieser docke ähnlich wie ein Abschleppwagen an einem ausgefallenen Satelliten an und lotse diesen wieder auf seine korrekte Umlaufbahn, erläutert Vizechef Ken Lee.

Die Pannenhilfe im All könnte auch den zunehmenden Weltraumschrott reduzieren helfen: Von den rund 23.000 vom US-Militär gezählten Objekten im All sind nur 1900 aktive Satelliten. Der Rest, der sich mit Geschwindigkeiten von etwa 20.000 bis 30.000 Stundenkilometern um die Erde bewegt, umfasst beinahe 3000 inaktive Satelliten, 2000 Raketenstücke wie etwa zweite Raketenstufen und tausende von Trümmerteilen aus dem Abschuss eines chinesischen Satelliten im Jahr 2007 und der Kollision zweier Satelliten im Jahr 2009.

Für kleine Trümmerteile gibt es bisher keine kurzfristige Lösung, doch manövrierunfähige Satelliten würden viele gern aus der erdnahen, viel frequentierten Umlaufbahn entfernen. So verlangt Frankreich seit 2008 von Satellitenbetreibern Maßnahmen zur "Deorbitierung" ihrer Raumfahrzeuge, also eine Software, die sie nach 25 Jahren wieder in die Erdatmosphäre eindringen und verglühen lässt, wie Sicherheitsexperte Laurent Francillout von der französischen Raumfahrtagentur CNES erklärt.

Das Problem Weltraumschrott wird immer drängender

Ausrangierte Satelliten im geostationären Orbit müssen dagegen in einen "Friedhofsorbit" 300 Kilometer weiter von der Erde entfernt ausweichen. Dies will Francillout auch auf andere Länder ausdehnen.

Ein Magnetsystem zur Erfassung von Weltraumschrott und kaputten Satelliten entwickelt das 2013 gegründete japanische Unternehmen Astroscale. Ein Testlauf ist für 2020 geplant. Und der Luftfahrtkonzern Airbus will von 2023 an mit seinem Programm "Space Tug" alte Satelliten auf 200 Kilometer Entfernung zur Erde schleppen, damit sie dort verglühen.

Das Problem Weltraumschrott wird immer drängender: Die Zahl der Satelliten im Weltraum hat sich laut Branchenverband Satellite Industry Association in fünf Jahren um 50 Prozent erhöht - Tendenz steigend. US-Experten diskutieren daher eine bessere internationale Regulierung des Weltraumverkehrs. Fred Kennedy von der militärischen US-Forschungsagentur Darpa betont: "Wir wollen keinen Wilden Westen." (AFP)

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