Wegen EU-Regulierung von Big Tech: Welche Summen Google, Facebook und Co. für Lobbyismus ausgeben
Die Tech-Branche geben für ihre Interessen in Brüssel inzwischen mehr aus als die Pharmawirtschaft. Eine Studie zeigt, dass drei Konzerne besonders viel zahlen.
Es gibt einige Vorhaben, mit denen die Digitalwirtschaft in Europa umfassend reguliert werden soll - mit Ansage: der Digital Services Act (DSA), der Digital Markets Act (DMA) oder der Rechtsakt für Künstliche Intelligenz . So überrascht es nicht, dass die Digitalunternehmen seit ein paar Jahren massiv Geld in Lobbyarbeit stecken. Mit über 97 Millionen Euro übertrumpft der Sektor mittlerweile sogar die Ausgaben der Pharmaindustrie und Fossilwirtschaft, der Finanzwirtschaft und des Chemiesektors.
Dabei werden die Gelder der insgesamt 612 Unternehmen, die in Brüssel Geld für Lobbyarbeit ausgeben, vor allem von drei Firmen in die Höhe getrieben: Google, Facebook und Microsoft. Sie geben über fünf Millionen Euro pro Jahr aus – 2010 lag ihr Lobbybudget mit Ausnahme von Microsoft noch unter einer Million. Diese Zahlen stammen aus einem Report des Corporate European Observatory (CEO) und von Lobbycontrol.
Dicht dran an den drei Silicon-Valley-Giganten sind die Ausgaben von Apple (3,5 Mio.), Huawei, Amazon, Intel, Qualcomm, IMB und Vodafone (1,75 Mio.). Auch Netflix, Airbnb, Uber, Spotify, Alibaba und Ebay geben mit Ausgaben zwischen 600.000 und 900.000 Euro vergleichsweise viel aus. Der überwiegende Teil der Digitalwirtschaft hat dagegen ein viel geringeres Budget: Von 75 Prozent, die ein Budget von weniger als 200.000 Euro haben, geben 25 Prozent weniger als 5.000 Euro für Lobbyarbeit aus.
Viele Treffen mit EU-Funktionären
Neben ihrer finanziellen Schlagkraft beschäftigen die US-Riesen die größte Zahl an Lobbyisten und treffen sich am öftesten mit EU-Funktionären. So engagiert zum Beispiel Facebook 14, Huawei 19 und Amazon und Google jeweils fünf Lobbyisten, während die Mehrheit der Digitalkonzerne jeweils nur höchstens einen Lobbyisten in Brüssel unter Vertrag hat.
20 Prozent der Unternehmen, die in Brüssel Lobbyarbeit betreiben, kommen aus den USA, wobei die Zahl noch höher sein dürfte, zählt man jene Firmen hinzu, die Niederlassungen in Europa haben. Aus China kommen nur ein Prozent der Firmen, wobei der Shenzhen-Anwärter Huawei mit drei Millionen unter den Top fünf Spendern ist. In Europa haben mit 14 Prozent die meisten Firmen ihren Sitz in Deutschland, gefolgt von Großbritannien und Frankreich.
Wohin das Lobbygeld fließt
Doch sind es nicht die Firmen allein, die Lobby-Arbeit betreiben. Finanziert wird ein „umfangreiches Netz aus Lobbygruppen, Beratungsfirmen und Anwaltskanzleien, die ihre Interessen vertreten“, heißt es in dem Report. Die bei weitem einflussreichste Interessenvertretung ist Digital Europe mit einem Budget von 1,25 Millionen Euro und 15 Lobbyisten. Zu ihren Mitgliedern gehören unter anderem Google, Facebook, Microsoft, Amazon, Apple, Huawei und viele andere internationale Konzerne wie Zoom, Uber und Airbnb.
Weitere finanzstarke Wirtschaftsverbände in Brüssel sind DOT Europe, EuroIspa und IAB Europe sowie der der deutsche Bundesverband Bitkom. Ihre Ausgaben liegen zwischen 300 und 500.000 Euro.
Ein großer Teil des Lobby-Budgets von Big Tech fließt zudem in Beratungsfirmen wie Fleishman-Hillard, EU-Strategy und FTI Consulting. Der US-amerikanische Halbleiterhersteller Qualcomm etwa gibt 75 Prozent, Google fast ein Viertel seines gesamten Lobbybudgets für Beratungsfirmen aus, die sich ihrerseits zu großen Teilen durch die Zuschüsse von Big Tech finanzieren.
Den Kampf ums Gehörtwerden gewinnt dabei klar die Industrie: So belief sich die Anzahl der Treffen mit der von der Leyen-Kommission zum Thema DSA und DMA auf Seiten der Konzerne, Unternehmensberatungen und Verbände auf 202, während Sitzungen mit NGOs wie Avaaz und European Digital Rights (EDRi) und dem Europäischen Verbraucherband (BEUC) zusammengerechnet nur 52 Mal stattfanden.
„Es ist bemerkenswert und sollte Anlass zur Sorge geben, dass die Plattformen diese finanzielle Schlagkraft nutzen können, um sicherzustellen, dass ihre Stimmen in der Debatte über die Ausarbeitung neuer Regeln für digitale Plattformen mehr Gehör finden als andere kritische Stimmen“, monieren die Autor:innen.
Lobbyarbeit kreist um DSA und DMA
Fokus der Lobbyarbeit aller beteiligten Akteure sind derzeit klar die Verhandlungen rund um den DMA und DSA. Beide Regelwerke könnten die Geschäftsmodelle der Firmen erheblich beeinträchtigen.Während der DSA ein Rahmenwerk für Online-Vermittler festlegt, also Vorgaben zu Content-Moderationen, Empfehlungsalgorithmen und Online-Werbung plant, nimmt der DMA vor allem die ökonomische und monopolistische Macht der Gatekeeper ins Visier.
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In welche Richtung lobbyiert Big Tech? In der Debatte um das Digital-Services-Act-Paket ist die Position der großen Konzerne nicht so eindeutig, wie man annehmen könnte. In der Öffentlichkeit begrüßen die digitalen Plattformen die Idee einer neuen Regulierung für Plattformen im Allgemeinen immer wieder. Hier handele es sich allerdings nur um ein neues Narrativ, mit der die wachsende Kritik an ihren Geschäftspraktiken eingehegt werden soll, so die Autor:innen.
So sei zum Beispiel im Herbst 2020 die Lobbying-Strategie von Google geleakt worden, in der das Unternehmen detailliert beschrieb, wie man in den Diskussionen um den Digital Services Act (DSA) auf neue Narrative setzen sollte, die statt die Regulierung an sich abzulehnen die unbeabsichtigten Auswirkungen von gut gemeinten politischen Maßnahmen in den Mittelpunkt rücken sollten.
„Der Teufel liegt im Detail“, so die Autor:innen von Lobbycontrol. So würde sich in den Stellungnahmen der großen Digitalkonzerne deutlich abzeichnen, dass so viele Vorschriften wie möglich – auch jene in Bezug auf Privatsphäre und Desinformation – aus Angst vor Profitverlusten vermieden werden wollen, so die Autor:innen.
Einflussreiche Thinktanks
Lange ungesehen, obwohl höchst einflussreich, insbesondere bei der Verbreitung von Narrativen, seien zudem die Thinktanks. Ihre Bedeutung lässt sich nicht an der Anzahl der Treffen mit EU-Funktionären festmachen, von denen es nur wenige gibt, sondern an der Finanzierung von Studien und Events. Insgesamt wurden 14 Denkfabriken mit engen Beziehungen zu großen Tech-Firmen identifiziert.
Zwar würden nicht alle von ihnen einen direkten Link zur Policy-Agenda der Konzerne aufweisen – darunter das Centre on Regulation in Europe (CERRE), Bruegel oder das Transatlantic Policy Network (TPN) – bei anderen Denkfabriken wie dem als „dubios“ bezeichneten ECIPE oder dem Center for Data Innovation seien die Positionen dagegen offenkundig im Interesse der Digitalkonzerne.
„Thinktanks sind oft ein Bestandteil der Lobbystrategien großer Unternehmen, da sie durch die Veröffentlichung von Studien und Positionspapieren einen Eindruck von Objektivität und unparteiischer Wissenschaft erwecken“, heißt es im Report. Dazu würden sie Events mit hochrangigen Regierungs- und EU-Beamten organisieren, die den Unternehmen Möglichkeiten der Lobbyarbeit bieten.
Friederike Moraht