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Das Berliner Start-up „Getyourguide“ gehört zu den Unternehmen, die hohe Summen an Risikokapital einsammeln konnten.
© Mike Wolff

Deutscher Start-up Monitor: Welche Partei die deutschen Gründer wählen würden

Die FDP ist nicht mehr die Partei der Start-ups in Deutschland. Eine Umfrage zeigt, dass sich die Prioritäten vieler Gründer verschoben haben.

Die gesellschaftlichen Veränderungen spiegeln sich auch in der Start- up-Szene. Lange war die politische Neigung der Gründer eindeutig, fast 40 Prozent waren bekennende FDP-Wähler. Liberale Slogans wie „Digitalisierung first. Bedenken second“ kamen hier an. Doch das hat sich nun geändert: Im diesjährigen Deutschen Start-up Monitor gaben 43,6 Prozent der Befragten an, sie würden Bündnis 90/Die Grünen wählen – das ist ein Zuwachs von 21 Prozentpunkten.

Die FDP verlor dagegen zehn Punkte und landete mit immerhin 27,7 Prozent auf Rang 2. Die Union ist dagegen von 22 Prozent im Jahr 2017 auf 11,7 Prozent abgefallen.

„Ich nehme den Weckruf mit“, sagt Thomas Jarzombek, CDU-Politiker und Start-up-Beauftragter im Bundeswirtschaftsministerium. Er erklärte die Ergebnisse unter anderem mit der Debatte um die EU-Urheberrechtsreform. Die Entscheidung, mit der Internetunternehmen künftig womöglich Uploadfilter einsetzen müssen, um Inhalte vorab zu prüfen, beschäftigt tatsächlich viele Jungunternehmen. Mehr als 70 Prozent gaben an, die Urheberrechtsreform würde einen negativen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit in Europa haben. Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass die Umfrage während der Europawahl durchgeführt wurde.

Der Monitor ist die größte Analyse der deutschen Start-up-Szene; in diesem Jahr nahmen knapp 2000 Unternehmen an der Befragung teil. Sie wird vom Bundesverband Deutsche Start-ups und der Beratungsfirma PwC durchgeführt und wurde in diesem Jahr zum siebten Mal erhoben.

Berliner Start-ups kommen leichter an Geld

Dabei zeigte sich allerdings auch, dass „grüne“ und soziale Themen für Gründer an Bedeutung zunehmen: 36 Prozent rechnen sich zur Green Economy oder dem Bereich Social Entrepreneurship, also soziales Unternehmertum. Und auch bei den Erwartungen an die Politik liegt nach den Klassikern Bürokratieabbau und Unterstützung bei der Kapitalbeschaffung die bessere Förderung des unternehmerischen Einsatzes für Umweltschutz und gesellschaftliche Nachhaltigkeit auf Platz Drei der Wunschliste. Der Punkt war den Befragten sogar deutlich wichtiger, als der Ausbau von Breitband und 5G-Netzen.

„Unsere Gründerinnen und Gründer sind wesentliche Treiber für den Wandel zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem“, sagte die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). „Die Start- up-Szene ist für Berlin ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, deshalb nehme ich die Förderung sehr ernst.“ Bei der Bewertung der Standorte schneidet Berlin am besten ab: Drei Viertel bezeichnen das Ökosystem der Stadt als gut oder sehr gut. Allerdings bereiten die steigenden Immobilienpreise auch immer mehr Jungunternehmen Schwierigkeiten, beobachtet Franziska Teubert, Geschäftsführerin des Start-up-Verbandes. „Ich bin gespannt, ob das in Zukunft die Stimmung eintrübt“, sagt Teubert.

Für Berliner Start-ups ist auch der Zugang zu Wagniskapital einfacher. Während in der Hauptstadt fast jedes dritte Jungunternehmen schon Venture Capital erhalten hat, sind die entsprechenden Werte in Regionen wie Stuttgart/Kalsruhe oder Rhein/Ruhr einstellig.

Der Staat profitiert zu wenig vom Start-up-Erfolg

Gesamt gesehen ist die Kapitalbeschaffung das größte Hindernis beim Wachstum: 38 Prozent nannten dies eine große Hürde – sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Die meisten müssen auf die eigenen Ersparnisse zurückgreifen (81Prozent). Nur 40 Prozent sagten, dass sie diese Option auch bevorzugen. Genauso viele bekämen gern Wagniskapital, doch nur 15 Prozent erhalten tatsächlich eine entsprechende Finanzierung von Investoren. Die Situation verschlechtert sich sogar.

„Wir hatten jetzt bei Wagniskapital den dritten Rückgang in Folge“, sagt Florian Nöll. Der scheidende Vorsitzende des Start-up-Verbandes fordert daher auch mehr Unterstützung von der Politik – und zwar im Interesse der öffentlichen Kassen. Denn bislang, so Nöll, fördere die öffentliche Hand zwar viele Start-ups in der Frühphase, setze die Investitionen aber nicht fort. Von der Wertschöpfung des dann wachsenden Unternehmens profitiere der Staat folglich nicht in dem Maße, in dem er es könnte.

Florian Nöll ist seit 2012 Chef des Bundesverband Deutsche Start-ups, wechselt nun aber zur Unternehmensberatung PwC.
Florian Nöll ist seit 2012 Chef des Bundesverband Deutsche Start-ups, wechselt nun aber zur Unternehmensberatung PwC.
© promo

Zudem zeigt sich, dass größeren und älteren Start-ups die Kapitalsuche inzwischen deutlich leichter fällt. Gerade wenn Unternehmen schon Erfolge vorweisen können, sind auch sehr hohe Finanzierungssummen möglich, wie ein weiterer am Montag veröffentlichter Bericht des Infoportals Tech.eu zeigt. So gab es in den ersten drei Quartalen im Jahr 2019 europaweit mehr als 52 Transaktionen im Wert von 100 Millionen Euro – das sind schon jetzt mehr als in den Jahren 2017 und 2018 zusammen. Darunter sind auch viele deutsche Start-ups, wie N26, GetYourGuide, Signavio, Friday, WeFox oder Raisin.

Ein weiteres Kennzeichen auch dieser besonders erfolgreichen Start-ups ist, dass sie fast immer von Männern gegründet wurden. Der Anteil der weiblichen Gründer ist zwar wieder leicht gestiegen, liegt aber trotzdem nur bei knapp 16 Prozent.

Neben der Förderung von Frauen sollten auch Studierende noch stärker zum Gründen animiert werden. „Wir müssen das Thema in die Hörsäle bringen und uns davon trennen, nur für das Angestelltentum auszubilden, sondern auch für das Unternehmertum“, fordert Kollmann. Dafür müsste es allerdings Pflichtveranstaltungen geben. Die Vermittlung von Gründer-Know-How funktioniere nur, wenn es dafür auch Credit Points gäbe. Nöll sieht zudem ein Problem darin, dass die Gründungsaktivitäten von Professoren zu wenig gefördert würden. „Welchen Anreiz hat denn ein Professor, aus seinen besten Absolventen Gründer statt Doktoranden zu machen?“, fragt Nöll.

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