Ausschuss zum VW-Abgasskandal: Weil will lange nichts von Dieselgate gewusst haben
Niedersachsens Ministerpräsident hat nach eigenen Angaben erst im September 2015 vom VW-Abgasskandal erfahren. Er habe das bei VW nicht für möglich gehalten, sagt Stephan Weil.
Niedersachsens Regierungschef und VW-Aufseher Stephan Weil hält an seiner Darstellung fest, erst unmittelbar vor dem öffentlichen Bekanntwerden vom Abgasskandal erfahren zu haben. Er sei am 19. September 2015 über die „gravierende Fehlentwicklung“ im Bilde gewesen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Abgasaffäre in Berlin. Davor habe es keine konkreten Informationen über das ganze Ausmaß gegeben.
„Ich war tief betroffen. Ich hätte dergleichen bei Volkswagen nicht für möglich gehalten“, meinte der niedersächsische Ministerpräsident. Am 18. September 2015 hatten US-Umweltbehörden Verletzungen von Diesel-Abgaswerten bei VW-Fahrzeugen gemeldet. Nach Angaben des früheren Konzernchefs Martin Winterkorn im Ausschuss vor einem Monat gab es einen Tag darauf eine telefonische Runde mit Führungskräften. Er habe vom Problem aber aus dem Fernsehen, nicht von VW erfahren.
Weil: "An einer nachhaltigen Aufklärung von Dieselgate mitgearbeitet"
Weil sagte, mit Landeswirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) - auch er ist Mitglied des VW-Aufsichtsrates - habe er „an einer nachhaltigen Aufklärung von Dieselgate mitgearbeitet“. Dieser Prozess sei noch nicht abgeschlossen. Er ergänzte: „Es geht jetzt auch um die Prüfung von Haftungsansprüchen gegenüber Mitgliedern der Unternehmensorgane.“ Kürzlich hatte es Berichte gegeben, dass Ex-Chefaufseher Ferdinand Piëch die Kontrolleure früher über Abgasprobleme informiert habe. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt wies Vorwürfe mangelnder Aufklärung des Abgasskandals zurück. „Keine andere europäische Regierung hat so eine Vielzahl von Messungen veranlasst“, sagte der CSU-Politiker im Untersuchungsausschuss. Die Bundesregierung und er selbst hätten erstmals am Wochenende des 19. September 2015 aus den Medien von Manipulations-Vorwürfen gegen VW in den USA erfahren. Zwei Tage später habe er eine Untersuchungskommision eingesetzt. Dobrindt bekräftigte seine Forderung, die europäischen Vorschriften zu Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung strenger zu fassen.
EU-Kommission hatte bereits 2007 Kenntnis von auffälligen Abgaswerten
Am Vormittag hatte ein Experte aus Brüssel im Untersuchungsausschuss erklärt, bei Abgas-Messungen im Auftrag der EU-Kommission vor zehn Jahren hätten sich bereits auffällige Werte von Dieselautos ergeben. Man habe dies etwa bei Modellen von Volkswagen (Golf, T5 Multivan), Fiat (Scudo, Bravo), Renault (Clio) und BMW (120d) bemerkt, sagte der Leiter des Referats für nachhaltigen Verkehr, Alois Krasenbrink. Bei den damals von Lkw auf Pkw übertragenen Messungen hätten sich für „praktisch alle Fahrzeuge“ Abweichungen zwischen Prüfstandsdaten und realem Straßenbetrieb gezeigt. Die Werte seien zwischen 2007 und 2010 entstanden und im Jahr 2011 in einen Bericht zum Thema eingeflossen.
Keine Hinweise auf "betrügerische Absichten"
Krasenbrink betonte, es habe aber noch keine konkreten Hinweise auf „betrügerische Absichten“ gegeben. Die Existenz von Abschaltsoftware, mit der die Schadstoff-Reinigung künstlich vermindert wird, sei ihm seinerzeit nicht bekannt gewesen. Eher seien Zweifel an den eigenen Messverfahren entstanden. Sein Team habe auch nicht die nötigen Kompetenzen gehabt, um die Auffälligkeiten aktiv weiterzuverfolgen. Der Berliner U-Ausschuss soll klären, was die Bundesregierung seit 2007 mit Blick auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr. VW hatte eine verbotene Software eingesetzt, was 2015 in den USA aufflog und zum Diesel-Skandal führte.
SPD-Obfrau Lühmann fordert Sanktionen für die Hersteller
Der Ausschuss soll klären, was die Bundesregierung seit 2007 mit Blick auf Abgasregeln unternommen hat und wann sie von Manipulationen erfuhr. VW hatte eine verbotene Software eingesetzt, was 2015 in den USA aufflog und zum Diesel-Skandal führte. Auch bei mehreren anderen Herstellern sind später auffällige Abgaswerte bekannt geworden. Behrens meinte, bei den bisherigen Untersuchungen sei deutlich geworden, dass sich vermeintliche Unkenntnis bei Behörden und Ministerien bis in die Spitzen ziehe. Dies zeige strukturelle Probleme, die zum Ausmaß des Skandals beigetragen hätten. Bei Auskünften an den Ausschuss sei „gemauert“ worden. Lühmann forderte als Konsequenz wirklich abschreckende Sanktionen für die Hersteller - ein Pflicht-Rückruf wie bei VW reiche nicht aus. Der Chef des KBA, Ekhard Zinke, hatte bei seiner Vernehmung im Januar betont, vor dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals habe es „keinerlei Verdachtsmomente“ gegeben, dass irgendeine Täuschung betrieben wurde. dpa