Neuer Arbeitgeberpräsident: Weil andere absagten
Rainer Dulger löst Ingo Kramer als Präsident der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände BDA ab.
Angela Merkel kam zur Begrüßung und sie kommt zum Abschied; jedenfalls virtuell. Zum deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell gehört die Wertschätzung der Sozialpartner, wie sie etwa bei Auftritten von Regierungschefs vor Arbeitgeber- oder Gewerkschaftskonferenzen deutlich wird. Trotzdem war der Festakt im Herbst 2013 im Deutschen Historischen Museum etwas besonderes. Nach 17 Jahren trat Dieter Hundt als Arbeitgeberpräsident ab und wurde von Ingo Kramer ersetzt. SPD und Union hatten sich gerade auf einen Koalitionsvertrag verständigt inklusive gesetzlicher Mindestlohn und Rente mit 63 (nach 45 Versicherungsjahren), den der neue Arbeitgeberpräsident als erste Amtshandlung scharf kritisierte. Das wiederum provozierte Merkel zu einer für ihre Verhältnisse scharfen Replik. Er werde wohl „eine Weile brauchen“, bis er die Leistung des Vorgängers erreiche, empfahl die Bundeskanzlerin dem neuen Präsidenten Demut. „Nach Ihrer selbstbewussten Antrittsrede bedarf es einer solchen Bemerkung.“
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Es hat dann alles in allem doch gut geklappt in den folgenden sieben Jahren mit der Zusammenarbeit der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) respektive des BDA-Präsidenten Kramer und den Mitgliedern der Bundesregierung. Auch deshalb, weil Kramer kein ideologiegesteuerter Lobbyist des Kapitals ist, sondern als Metallunternehmer ein Gespür hat für Mitbestimmung und fairen Interessenausgleich. Gerade auch im Coronajahr bewähren sich Sozialstaat und Sozialpartnerschaft. „Einen absolut ehrliche Haut“, sagt der DGB-Vorsitzende Rainer Hoffmann über seinen langjährigen Partner Kramer. Hoffmann muss sich nun auf Rainer Dulger einstellen, der an diesem Donnerstag zum BDA-Präsidenten gewählt wird.
Ein Metallunternehmer folgt auf einen Metallunternehmer im Spitzenamt der Arbeitgeber. Das macht die immer noch überragende Bedeutung der Industrie deutlich, insbesondere des Fahrzeug- und Maschinenbaus. Kramers Firma in Bremerhaven ist unter anderem im Bereich Schiffstechnik tätig, Dulgers Unternehmen produziert Pumpen in Heidelberg. Kramer, der im kommenden Januar 68 Jahre alt wird, tritt in der Mitte der Amtsperiode ab, damit sich Dulger (56) im Haus der Wirtschaft in Berlin-Mitte einlebt und nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 Einfluss nehmen kann auf die Koalitionsverhandlungen.
Dulger ist seit 2012 Präsident des mächtigen Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, der auch in der BDA eine große Rolle spielt. Trotzdem waren im Arbeitgeberlager viele überrascht, als Kramer ausgerechnet Dulger vorschlug als Nachfolger. Erste Wahl war Arndt Kirchhoff, Arbeitgeberpräsident in NRW, doch der wollte ebenso wenig wie Angelique Renkhoff-Mücke, Vorstandsvorsitzende des Markisenhersteller Warema und einzige Frau im Präsidium der BDA. Also kommt Dulger zum Zuge. Wie schon 2012 bei Gesamtmetall. Damals hatte Martin Kannegiesser andere Kandidaten als Nachfolger auf der Liste stehen, doch da die absagten, wurde es Dulger. Der bestätigte Vorbehalte gegen seine Person, als er im vergangenen Jahr Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier als „schwächsten Minister“ im Kabinett einstufte. Für einen Spitzenfunktionär, der mit der Politik zusammenspielen muss, ist das ungewöhnlich.
Kein Mann der lauten Töne
Ingo Kramer sind solche Töne fremd. Ausnahmen bestätigen die Regel. Vor fünf Jahren fuhr Kramer ein wenig aus der Haut, als er den Entwurf der neuen Arbeitsstättenverordnung mit seinem Regelungswust als „praxisferne Pläne aus Absurdistan“ abkanzelte. Über die Jahre betrachtet war der nette Mann von der Küste vielen Arbeitgebern und Funktionären indes nicht laut genug. Es liegt halt nicht in seinem Naturell.
In diesen Coranazeiten hat er sich Achtung im eigenen Lager verschafft, indem er nicht alles als alternativlos akzeptiert, was die Regierung an Maßnahmen den Bürgern und Arbeitgeber zumutet. „Mit Entsetzen“, so schrieb er vor zehn Tagen an die Regierungschefs in Bund und Ländern, habe er die Pläne registriert, wonach jeder bei Schnupfen oder Husten zu Hause bleiben solle. „Ich hoffe, Sie sind sich darüber bewusst, dass in dieser Jahreszeit alljährlich jeder einmal Schnupfen hat.“ Würden die Pläne Realität, „legen sie faktisch in kürzester Zeit sämtliche Betriebe lahm“. Es kam nicht dazu. Und selbstverständlich erscheint heute Vormittag Angela Merkel kurz per Video bei der Mitgliederversammlung der BDA, um Kramer zu danken.
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