Neue Köpfe für die Verbände: Männerwirtschaft
Mehrere Spitzenverbände bekommen in den nächsten Monaten neue Präsidenten. Frauen sind wieder nicht dabei.
Manche Dinge brauchen Zeit. Im letzten Jahr hieß es, Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hänge noch eine Wahlperiode dran, um Rainer Dulger zu verhindern. Dulger, Pumpenhersteller aus Heidelberg, führt seit 2012 im Ehrenamt den mächtigen Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Doch das reicht nicht. Dulger möchte gern auf der großen Berliner Bühne mitspielen – als Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Diese Rolle besetzt seit knapp sieben Jahren Kramer, ein Metallunternehmer aus Bremerhaven. Eigentlich wollte Kramer 2019 mit 66 Jahren den BDA-Posten quittieren. Doch von den eigenen Leuten ließ er sich dann für weitere zwei Jahre überreden. Bloß nicht Dulger, das war die Devise im Sommer 2019.
In Interviews hatte der Gesamtmetaller den Bundeswirtschaftsminister als „schwächsten Minister“ im Kabinett abgekanzelt und dazu die Zusammenarbeit mit der IG Metall in Frage gestellt. Keine guten Voraussetzungen für eine funktionierende Sozialpartnerschaft. In der Berliner Verbändewelt, vor allem auch bei der BDA, stand fest: Dulger taugt nicht für das Berliner Spitzenamt und muss verhindert werden.
Arbeitgeberpräsident Dulger - nun doch
Ein Jahr später sieht die Welt ganz anders aus. „In der Sitzung des Präsidiums am 30. September 2020 werde ich vorschlagen, Herrn Dr. Rainer Dulger in der Mitgliederversammlung am 25. November 2020 zum neuen Arbeitgeberpräsidenten zu wählen“, schrieb Kramer vor ein paar Tagen an die Spitzengremien der BDA. Dulger sei „ein international erfolgreicher Unternehmer mit außerordentlich viel Verbands- und Politikerfahrung“. Er habe sich jetzt entschlossen zu gehen, fährt Kramer fort, damit der neue Mann sich ein Jahr einarbeiten könne, um dann nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 Einfluss zu nehmen auf die Koalitionsverhandlungen.
„Das ist eine Super-Lösung, Rainer Dulger hat Verhandlungserfahrung und Gesamtmetall gut geführt“, sagt Arndt Kirchhoff, Chef des gleichnamigen Autozulieferers, Arbeitgeberpräsident in NRW und dazu Vizepräsident von BDA und Autoverband VDA. Viele – auf Seiten der Arbeitgeber ebenso wie in den Gewerkschaften – hätten Kirchhoff gern als Arbeitgeberpräsident in Berlin gesehen oder zumindest an der Spitze von Gesamtmetall. Doch der Sauerländer will nicht, sondern weiter von NRW aus wirken. Also zieht Dulger ins Haus der Wirtschaft in Berlin-Mitte, wo noch weitere Neulinge erwartet werden.
Siegfried Russwurm führt den BDI
Der frühere Siemens- Vorstand Siegfried Russwurm, heute Aufsichtsratsvorsitzender des Krisenkonzerns Thyssen-Krupp, wird Ende November zum Nachfolger von Dieter Kempf als Industriepräsident gewählt. Und dann läuft im nächsten Frühjahr die Zeit ab von Eric Schweitzer an der Spitze des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern. Noch ist kein Nachfolger gefunden – und schon gar keine Nachfolgerin. Frauen an der Spitze der Spitzenverbände sucht man auch künftig vergebens. Immerhin werden zwölf der bundesweit 79 IHKs von Frauen geführt, darunter auch die Berliner Kammer mit der Präsidentin Beatrice Kramm.
Im März nächsten Jahres wird ein Nachfolger von Schweitzer aus dem Kreis von rund 400 IHK-Präsidiumsmitgliedern gewählt. Eine Frau, so hört man im DIHK, wäre schön, sei aber leider nicht in Sicht. Grundsätzlich ist es schwieriger geworden, Unternehmerinnen für das zeitaufwändige und oftmals undankbare Ehrenamt in Berlin zu finden. Zumal in Coronazeiten mit den zusätzlichen Herausforderungen in der eigenen Firma.
Drei Frauen bilden die Ausnahme
Unter den neun Vizepräsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sind mit Hildegard Müller (Präsidentin des VDA) und Ingeborg Neumann (Präsidentin des Textilverbandes) zwei Frauen. Bei der BDA ist Angelique Renkhoff-Mücke die einzige Frau neben sieben Vizepräsidenten. Renkhoff-Mücke, Vorstandschefin des Markisenherstellers Warema, wird seit langem gehandelt für Spitzenämter, möchte aber Dulger nicht an der Spitze von Gesamtmetall beerben. Das übernimmt jetzt Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender des baden- württembergischen Autozulieferers ElringKlinger und seit vielen Jahren Chef von Südwestmetall – der wichtigste und mächtigste Regionalverband von Gesamtmetall. Im industriestarken Südwesten werden in der Regel die Pilot-Tarifverträge mit der IG Metall abgeschlossen.
„Das Amt des Arbeitgeberpräsidenten habe ich in den vergangenen sieben Jahren mit viel Freude ausgefüllt“, schreibt Ingo Kramer und verspricht vollen Einsatz bis zur Wahl des Nachfolgers, „zumal noch mancher Strauß mit Politik und Gewerkschaften auszufechten ist“. Nun ja, als großer Fechter ist Kramer nicht aufgefallen. Attacke kann der verbindliche, nette Herr von der Küste auch gar nicht. Als er im Herbst 2013 von Dieter Hundt das Präsidentenamt übernahm, warnte Angela Merkel vor den großen Schuhen des Vorgängers. Und vor zu schrillen Tönen. Tatsächlich hat sich Kramer im Laufe der Zeit Zugänge zur Politik geschaffen – manchmal gemeinsam mit seinem Sozialpartner Reiner Hoffmann, dem DGB- Vorsitzenden, der Kramer vermissen wird. Im hektischen Coronakrisenmanagement gab es mehr Konsens als Klassenkampf, was auch der guten Beziehung von Hoffmann und Kramer zu verdanken ist.
Die DGB-Spitze muss neu besetzt werden
Die Nachfolge Kramers ist geregelt, die von Hoffmann nicht. Zwar geht der DGB-Chef erst im Mai 2022 in Rente, doch das brisante Suchspiel hat längst begonnen. Die IG Metall hat das Vorschlagsrecht für einen Nachfolger – besser: eine Nachfolgerin. Obermetaller Jörg Hofmann würde gerne die zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Christiane Benner, an der DGB-Spitze sehen und dadurch Platz machen für den baden-württembergischen Gewerkschaftschef Roman Zitzelsberger als nächsten IG Metall-Vorsitzenden. Benner will aber nicht zum DGB, sondern die Nachfolgerin Hofmanns werden. Die IG Metall ist mächtig, der DGB dagegen darf nur das machen, was ihm die drei Großen – IG Metall, Verdi und IG BCE – gestatten. Benner zieht die Macht der Repräsentation vor und positioniert sich gegen Zitzelsberger, der Tarifpolitik kann und der Gewerkschaft einen Modernisierungsschub verpassen will. Im Frühjahr 2021, nach der Tarifrunde, will Jörg Hofmann einen Vorschlag machen, der für den DGB passt und vor allem der IG Metall eine Führungskrise erspart wie zuletzt 2013.
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