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Genau lesen. Verbraucherschützer haben 3700 Beschwerden gegen Inkassofirmen ausgewertet, die meisten waren berechtigt.
© picture alliance / dpa

Abzocke per Post: Was Verbraucher mit Inkassodiensten erleben

Forderungen ohne Grund, Gebührenschinderei. Wer es mit Inkassodiensten zu tun bekommt, hat oft viel Ärger.

Hans-Peter Fennemann ist sauer. 96 Euro soll er der Download Service GmbH für Leistungen schulden, von denen er gar keine Ahnung hat. „Ich weiß überhaupt nicht, was diese Firma macht“, erzählt der Berliner. Eine ordentliche Rechnung habe er nie erhalten. Jetzt hat sich auch noch ein Inkassounternehmen eingeschaltet. Die Deutsche Zentral Inkasso will die Forderung der Download-Service-Firma eintreiben und hat ihre Gebühren noch oben draufgeschlagen. 156 Euro soll Fennemann nun zahlen, doch der Ruheständler sieht das nicht ein. „Ich habe die Sache dem Staatsanwalt übergeben“, erzählt er erbost.

Was Fennemann erlebt hat, ist kein Einzelfall, sagen Verbraucherschützer. Sie haben knapp 3700 Fälle ausgewertet, in denen sich Verbraucher über Inkassounternehmen beschwert haben. Meist zu Recht, wie Olaf Weinel, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Niedersachsen, am Donnerstag in Berlin berichtete. 99 Prozent der Verbraucherbeschwerden seien berechtigt gewesen, betont Weinel. Nur in einem Prozent der Fälle habe der Anspruch, der eingetrieben werden sollte, wirklich bestanden.

Dubiose Zahlungsaufforderungen gehen oft auf Abofallen im Internet oder auf Verträge zurück, die Verbrauchern am Telefon untergeschoben werden, häufig handelt es sich dabei um Gewinnspiele. Obwohl 64 Prozent der Betroffenen die Forderungen ausdrücklich bestritten hatten, erhielten sie Post von einem Inkassobüro. Dass viele Menschen letztlich dann doch zahlen, liegt an der Angst vor Sanktionen, weiß Weinel. Unseriöse Inkassounternehmen drohen mit Schufa-Einträgen, Hausbesuchen und Nachfragen beim Arbeitgeber.

Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV), forderte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf, gegen unseriöse Inkassounternehmen per Gesetz vorzugehen. Von dem Problem seien „Millionen von Verbrauchern betroffen, die mit Einschüchterungen zu kämpfen haben“, sagte Billen. Bislang müssen Inkassounternehmen den Bürgern noch nicht einmal klar sagen, für welche Forderung diese eigentlich zahlen sollen. Ein Unding, findet der Verbandschef: „Wir brauchen klare Informationspflichten.“ Auch gegen die Gebührenschinderei müsse die Ministerin etwas unternehmen, forderte Billen. In rund 50 Prozent der von den Verbraucherschützern ausgewerteten Fälle hätten Inkassounternehmen nämlich nicht nachvollziehbare Gebühren, Auslagen oder Zinsen verlangt. Aus Hauptforderungen von insgesamt 490 000 Euro seien so Gesamtforderungen von rund 750 000 Euro geworden. Den Verbraucherschützern liegen Fälle vor, in denen die eigentliche Forderung gerade einmal 75 Cent betragen hatte. Nach Einschalten des Inkassodienstes hätten die Verbraucher plötzlich 100,49 Euro zahlen sollen.

Bei der FDP stoßen Billens Forderungen auf Gehör. Der verbraucherpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Erik Schweickert, kündigte an, den schwarzen Schafen der Branche das Handwerk legen zu wollen. Schweickert will Inkassofirmen zu mehr Transparenz verpflichten und „unverhältnismäßig hohe Gebühren“ unterbinden. Zudem müsse die Aufsicht über die Branche verbessert werden. Bei ihrer Untersuchung stießen die Verbraucherschützer auf 15 Inkassofirmen, die ohne jede Zulassung arbeiten. Gegen diese wird jetzt ermittelt.

Verbraucher, die Schreiben von Inkassounternehmen bekommen, sollten sich bei den Verbraucherzentralen oder bei einem Anwalt beraten lassen, sagte Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. In vielen Fällen würden die Inkassofirmen die Angelegenheit dann nicht weiterverfolgen. Eines sollte man auf gar keinen Fall tun: zahlen oder sich auf Ratenzahlung einlassen. „Damit erkennt man die Forderung an“, warnt Emmrich.

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