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Wenn der Geldeintreiber drei Mal klingelt, muss man trotzdem nicht aufmachen. Nur beim Gerichtsvollzieher ist das anders.
© picture alliance / dpa Themendie

Inkasso-Abzocke: Gegen die Eintreiber

Schauergeschichten kursieren allerhand: Schwarze Schafe sind in der Inkasso-Branche zwar nicht die Regel, aber es gibt sie. Wir sagen, wie Sie sich wehren können – und welche Fehler Sie vermeiden sollten.

Von Maris Hubschmid

Der Mann, der vor der Tür steht, ist zwei Köpfe größer und geschätzte 30 Kilo schwerer als sein Gegenüber. Er spricht so laut, dass im Stockwerk darüber die Tür geöffnet wird. „Sie wollen doch nicht, dass Ihren Kindern etwas passiert“, sagt der Fremde, schiebt einen Fuß in den Türrahmen und lässt seine Fingerknochen knacken.

Schauergeschichten wie diese kursieren zuhauf über das Inkasso-Wesen. Die meisten – das sei vorweg gesagt – stimmen nicht. Dennoch häufen sich bei den Verbraucherzentralen Beschwerden von Verbrauchern, die das Gefühl haben, von Inkasso-Diensten abgezockt zu werden. Wir sagen Ihnen, woran Sie die unseriösen Unternehmen erkennen und wie Sie sich schützen können.

NICHTS TUN IST DIE FALSCHE STRATEGIE

Briefe von Inkasso-Unternehmen sollten in jedem Fall geöffnet und aufmerksam gelesen werden, raten Verbraucherschützer. Auch wenn der Adressat die Forderung für unberechtigt hält, sollte er unbedingt darauf antworten und darlegen, weshalb er die Summe nicht zahlen will. „Am besten per Einschreiben, damit der Widerspruch nachgewiesen werden kann“, sagt Bernd Ruschinzik von der Verbraucherzentrale Berlin. „Seriöse Inkasso-Unternehmen werden die Forderung dann prüfen und sich wieder mit dem Schuldner in Verbindung setzen“, versichert Kay Berg, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), dem rund 70 Prozent aller deutschen Inkasso-Firmen angehören. Wurde das Schreiben in betrügerischer Absicht geschickt, hört man meist nie wieder von dem ominösen Geldeintreiber.

Auch, wer sich darüber bewusst ist, dass er in der Schuld steht, aber nicht zahlen kann, tut sich keinen Gefallen, wenn er den Kopf in den Sand steckt: Dann kommt bald wieder Post, für die weitere Bearbeitungsgebühren und Verzugszinsen anfallen. „Wer hingegen gewillt ist, seine Schulden zu begleichen, für den können Lösungen gefunden werden“, sagt BDIU-Chef Berg.

Hat man Zweifel an der Schuld, dürfe auf keinen Fall Geld überwiesen werden, warnen Anwälte: Eine Zahlung wird vor Gericht als Schuldeingeständnis betrachtet. Ist das Geld erst einmal weg, wird es schwer, das zurückzubekommen.

BETRÜGER ERKENNEN

„Stutzig werden sollten Empfänger, wenn bereits im ersten Schreiben zusätzlich zur Hauptforderung Ermittlungskosten oder Ähnliches in Rechnung gestellt werden“, sagt Verbraucherschützer Ruschinzik. Allen, denen der Inhalt eines Inkasso-Schreibens abstrus erscheint, empfiehlt er, Erkundigungen über den Absender einzuholen. Im Internet sind unter www.rechtsdienstleistungsregister.de sämtliche amtlich zugelassenen Inkasso-Unternehmen verzeichnet. Findet sich der fragliche Firmenname nicht darunter, ist ein Hinweis an die Polizei angebracht. „Wer unsicher ist, mit wem er es zu tun hat, dem hilft in vielen Fällen auch: googeln“, sagt Berg. Über die Betrüger der Branche, die etwa mit telefonischen Abzockern oder Abofallen im Internet arbeiten, finden sich zahlreiche Einträge in Nutzerforen.

EINE GEBÜHRENGRENZE GIBT ES NICHT

Wenn aus einer Forderung von 34 Euro plötzlich knapp 1000 Euro Gesamtgebühren werden, dann ist das zumindest „unverhältnismäßig“, wie man es beim BDIU vorsichtig formuliert. Verbraucherschützer werden deutlicher: „Inkasso-Unternehmen verlangen zum Teil horrende Bearbeitungsgebühren“, sagt Friederike Wagner von der Verbraucherzentrale Sachsen, die das Vorgehen der Geldeintreiber in einer umfangreichen Studie untersucht. Schon seit Jahren setzen sich Verbraucherschützer für eine gesetzliche Gebührenkontrolle ein. Eine Gebührenordnung oder zumindest Obergrenze gibt es derzeit nicht. Als Vergleichsgröße gelten die Vergütungssätze von Rechtsanwälten. Auskunftskosten, Kosten einer Registeranfrage und Gerichtskosten können noch hinzukommen.

HAUSBESUCHE SIND DIE AUSNAHME

Dass plötzlich ein grimmig blickender Hüne vor der Tür steht, ist glücklicherweise die absolute Ausnahme. „Da gibt es keinen Automatismus. Nur noch wenige Unternehmen arbeiten überhaupt mit einem Außendienst“, sagt Berg. Niemand ist verpflichtet, Inkasso-Mitarbeiter in die Wohnung zu lassen. Verhält ein Vertreter sich indiskret, indem er den Schuldner etwa an dessen Arbeitsstelle aufsucht, sollte man das umgehend dem Verband oder der Polizei melden. Das gilt erst recht, wenn Inkasso-Mitarbeiter einem Schuldner drohen.

Kommt es so lange zu keiner Einigung zwischen Schuldner und Gläubiger, dass ein Gerichtsvollzieher eingeschaltet wird, muss allein diesem Zugang zur Wohnung gewährt werden.

KONSEQUENZEN

Wird eine Gerichtsvollzieher eingesetzt, kann das schlimmstenfalls zu einer Gehalts- oder Kontopfändung führen – und dem Schuldner einen Eintrag ins Schufa-Register einbringen. Das ist aber die höchste Sanktion. Immer wieder tauchen Schreiben auf, in denen schon wegen kleiner Versäumnisse mit einem Schufa-Eintrag, dem Einzug von Arbeitslosengeld oder Rente gedroht wird. Zu Unrecht: „Es gibt eine Pfändungsgrenze, die auch denen, die hoch verschuldet sind, ein Mindesteinkommen garantiert“, sagt Ruschinzik. Es landet also niemand auf der Straße, nur weil er seine Rechnungen nicht bezahlen kann.

VERBRAUCHER SOLLEN ZAHLEN, OHNE ZU WISSEN, WOFÜR

Problem eins: Inkassounternehmen müssen nicht prüfen, ob der Anspruch wirklich besteht

Prozesse um Inkasso-Forderungen werden ständig geführt. Insbesondere Unternehmen, die Mengeninkasso betreiben, stehen häufig im Verdacht, mit zwielichtigen Telefon- oder Internetanbietern zu kooperieren. Im August 2011 urteilte das Berliner Verwaltungsgericht aber im Fall des umstrittenen Unternehmens „Deutsche Zentral Inkasso“: Sind Forderungen nachgewiesenermaßen unberechtigt, weil ein vermeintliches Geschäft in betrügerischer Absicht zustande gekommen ist, trifft das ausführende Inkasso-Unternehmen keine Mitschuld. Dieses muss nicht jede Forderung seines Auftraggebers auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen.

Die Justizministerien mehrerer Länder haben nun Beschwerde eingereicht. Sie fordern, dass Inkasso-Unternehmen künftig stärker zur Verantwortung gezogen werden – und sich nicht auf ihre Dienstleistungsfunktion herausreden können.

Problem zwei: Man weiß oft gar nicht, für was man zahlen soll

Immer wieder beklagen sich Verbraucher, dass aus Inkasso- Schreiben nicht ersichtlich sei, wofür der Adressat zahlen soll. Oftmals wird der Gläubiger nicht mit Namen, sondern nur als Aktenzeichen genannt. Anfechtbar ist das nach derzeitigem Stand nicht, weil vorausgesetzt wird, dass der Schuldner bereits Rechnungen erhalten hat. Aktuell setzt sich aber unter anderem die FDP-Fraktion im Bundestag für allgemeingültige Transparenzgebote ein. mch

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