Zinsen, Aktien, Tagesgeld: Was Sparer zur steigenden Inflationsrate wissen müssen
Im Oktober haben die Preise um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt – so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Es reicht eine Fahrt zur Tankstelle, um einen Blick auf die Inflation zu werfen. Zahlten Verbraucher im Januar für einen Liter Super E10 im Schnitt noch 1,355 Euro, waren es im Oktober bereits 1,514 Euro. Wer viel mit dem Auto unterwegs ist, spürt das. Dabei ist die Tankstelle nur der Ort, an dem der Anstieg der Preise besonders deutlich wird. Auch Nahrungsmittel sind zuletzt teurer geworden, für Miete und Urlaub mussten die Deutschen ebenfalls mehr ausgeben.
Insgesamt sind die Verbraucherpreise im Oktober um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, zeigen die am Dienstag bestätigten Zahlen des Bundesamts für Statistik. Eine solch hohe Teuerungsrate gab es seit zehn Jahren nicht mehr. Im Vergleich zum September 2018 stiegen die Preise um 0,2 Prozent, teilte die Behörde in Wiesbaden mit.
Wie entsteht Inflation?
Die Preise steigen in der Regel dann, wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot. Wenn Menschen also mehr kaufen wollen, als die Unternehmen produzieren. Zu Inflation kommt es daher vor allem dann, wenn es der Wirtschaft gut geht: Wenn viele Menschen einen Job und damit mehr Geld haben, das sie ausgeben können. Diese Regel, die Ökonomen mit der sogenannten Phillips-Kurve beschreiben, galt in den vergangenen Jahren allerdings nur noch bedingt. Obwohl die Wirtschaft hierzulande seit Langem wächst, zieht die Inflation erst jetzt an. Ökonomen erklären sich das damit, dass die Lohnsteigerungen heute geringer ausfallen als früher. Auch der demografische Wandel spielt eine Rolle.
Dass die Inflation jetzt auf einmal trotzdem zunimmt, liegt unter anderem an den steigenden Ölpreisen. Die fallen derzeit auch deshalb so stark ins Gewicht, weil Öl in Dollar gehandelt wird und die US-Währung im Vergleich zum Euro aktuell schwach ist. Diese höheren Ausgaben für Öl machen sich nicht nur bei Verbrauchern bemerkbar, sondern auch bei Firmen. Die geben ihre steigenden Kosten wiederum über höhere Preise an die Kunden weiter.
Verstärkt wird die Inflation durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB): Sie kauft im großen Stil Anleihen auf, in der Hoffnung, dass Banken das zusätzliche Geld als Kredite an Unternehmen weiterreichen. So gesehen ist die steigende Inflation zu einem gewissen Grad sogar gewollt.
Zentralbanker wünschen sich nämlich nicht eine Inflation von null Prozent, sondern von zwei Prozent. Sie nehmen lieber eine gewisse Preissteigerung in Kauf, anstatt eine Deflation (fallende Preise) zu riskieren. Denn die führen schnell in die nächste Krise. Fallen nämlich die Preise, zögern Verbraucher Kaufentscheidungen hinaus. Warum schließlich soll man heute ein Auto kaufen, wenn man es morgen günstiger bekommt? Doch sinkt die Nachfrage, können Firmen weniger absetzen und müssen Mitarbeiter entlassen.
Die EZB steht vor der Herausforderung, dass sie allen Euro-Staaten gerecht werden muss. So ist ihre Geldpolitik für Deutschland derzeit viel zu locker, während sie für andere Länder wie Italien noch nicht locker genug ist. Allerdings ist auch in der Euro-Zone zuletzt die Inflation gestiegen: Um 2,2 Prozent legten die Preise in der Währungsunion zu – so stark wie seit 2012 nicht mehr. Deshalb reagiert die Zentralbank auch und fährt ihr Anleihekaufprogramm zurück.
Was genau wurde zuletzt teurer?
Vor allem für Sprit und Heizöl müssen die Deutschen derzeit mehr ausgeben. Die Preise für Haushaltsenergie und Kraftstoffe legten zuletzt um 8,9 Prozent zu. Gleichzeitig haben sich aber auch die Herbstferien auf die Inflation ausgewirkt: So haben die Deutschen im Oktober mehr Geld für Pauschalreisen ausgegeben als noch im September. Lebensmittel haben sich um 1,9 Prozent verteuert. Die Mieten, für die im Durchschnittshaushalt ein Fünftel der Ausgaben draufgeht, sind im Schnitt um 1,6 Prozent gestiegen.
Wie misst man Inflation?
Wie hoch die Inflation ausfällt, errechnet das Statistische Bundesamt. Das hat dafür einen Korb mit Waren und Dienstleistungen zusammengestellt. Enthalten sind Lebensmittel vom Salz über das Toastbrot bis zum Joghurt, Kleidung, Möbel, Medikamente, Autos, aber auch Versicherungen, Taxifahrten und Pauschalreisen. 300.000 Einzelpreise fragen die Statistiker monatlich ab und leiten daraus die Inflation ab.
Dieser Wert trifft natürlich nicht jeden Verbraucher gleich stark. Die einen geben mehr für Miete aus als die anderen. Die einen fahren täglich mit dem Auto zur Arbeit, während die anderen gar keins haben. Wer wissen will, wie hoch seine persönliche Inflationsrate ausfällt, kann den Inflationsrechner des Bundesamts nutzen: Bei dem lässt sich zum Beispiel einstellen, wie viel vom Einkommen man für Miete ausgibt oder ob der Spritpreis für einen relevant ist.
Was bedeutet eine hohe Inflation konkret?
Wie stark die Inflation Verbraucher belastet, hängt zum einen davon ab, wie sich ihr Einkommen entwickelt und zum anderen von der Höhe der Zinsen. Steigt nämlich der Lohn stärker als die Preise, spüren die Menschen die Inflation kaum. Derzeit ist das aber anders: Für Angestellte mit Tarifvertrag stieg der Lohn im zweiten Quartal um zwei Prozent, während die Preise ebenfalls um diesen Prozentsatz zulegten. Mit anderen Worten: Die Inflation hat das Lohnplus komplett aufgezehrt. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der Deutschen ohnehin inzwischen nicht mehr nach Tarif bezahlt wird (im Westen bekommen 49 Prozent der Beschäftigten einen Tariflohn, im Osten sind es nur 34 Prozent). Viele der Nichttarifbeschäftigten trifft die Inflation vermutlich noch ein Stück härter.
Was bedeutet der Trend für die Sparer?
Wie sich die Inflation auf Sparer auswirkt, hängt vom Zinsniveau ab. So legten die Preise vor zehn Jahren zum Beispiel ebenfalls um 2,6 Prozent zu. Weil gleichzeitig die Zinsen aber bei 3,9 Prozent lagen, merkten die Sparer das gar nicht. Sie hatten am Ende trotz Inflation mehr Geld in der Tasche. Heute ist das anders. Auf einem Tagesgeldkonto bekommt man im Schnitt nur noch 0,12 Prozent Zinsen. Das ist nicht nur mickrig, sondern angesichts der steigenden Preise auch ein Minusgeschäft.
Das Perfide an steigenden Preisen ist, dass mit ihnen Geld an Wert verliert – man das aber nicht automatisch merkt. Wer Anfang des Jahres 10.000 Euro auf dem Girokonto geparkt und es nicht ausgegeben hat, hat die Summe auch am Ende des Jahres logischerweise noch auf dem Konto: Er kann sich davon aber aufgrund der steigenden Preise im Dezember weniger kaufen als noch im Januar. Für das Gesamtjahr rechnen Ökonomen mit einer Inflation von 1,8 Prozent. Das heißt: Wofür man am Anfang des Jahres noch 10.000 Euro bezahlt hat, muss man am Ende des Jahres bereits 10.180 Euro hinlegen.
Wenn man bedenkt, wie viel Geld die Deutschen nahezu unverzinst bei der Bank geparkt haben, ist das ein großes Problem. 2,2 Billionen Euro liegen derzeit auf Giro-, Tages- oder Festgeldkonten. Wenn man dafür eine minimale Verzinsung von 0,12 Prozent unterstellt, heißt das: Die Deutschen verlieren in diesem Jahr durch Inflation und Niedrigzinsen fast 37 Milliarden Euro.
Ändern wird sich die Situation so schnell nicht. Die EZB hat angekündigt, die Leitzinsen mindestens „über den Sommer 2019“ auf dem Rekordtief von null Prozent zu halten. Gleichzeitig gehen Ökonomen davon aus, dass die Preissteigerung im kommenden Jahr sogar noch ein bisschen höher ausfallen wird.
Wie können Anleger reagieren?
Um die Inflation auszugleichen, müssten die Deutschen ihr Geld eigentlich für mindestens 1,8 Prozent anlegen – was derzeit aber allenfalls am Aktienmarkt möglich ist. Verbraucherschützer raten deshalb auch vorsichtigen Sparern, wenigstens einen kleinen Teil ihres Gelds in weltweit anlegende Aktienfonds zu investieren. Gold zu kaufen, schützt Anleger hingegen nur bedingt vor Inflation: Laut einer Untersuchung der Stiftung Warentest haben Goldkäufer nach Abzug der Preissteigerung in der Vergangenheit in vielen Jahren ein Minusgeschäft gemacht.
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Beim Tages- und Festgeldkonto lohnt sich der Vergleich. Manche Banken zahlen für eine gewisse Zeit durchaus etwas höhere Zinsen. Die Renault Bank direkt zum Beispiel bietet 0,7 Prozent – allerdings gilt das nur für Neukunden und auch nur für die ersten fünf Monate. Wer danach nicht sofort wieder wechseln will, sollte aufs Kleingedruckte achten. Zudem sollten Verbraucher prüfen, wo die Bank ihren Sitz hat. Über Portale wie Weltsparen oder Zinspilot werben ausländische Geldinstitute aktiv um deutsche Sparer und bieten vermeintlich hohe Zinsen. Allerdings raten Verbraucherschützer nur dann zur Geldanlage, wenn sowohl die Bank als auch das Ursprungsland ein Toprating haben. Viele Angebote fallen damit raus.
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