Konjunktur, Soziales, Arbeitsmarkt, Rüstung: Was finanziert eigentlich der Bund?
Die SPD will mehr für Renten und Arbeitslose ausgeben. Die Union will Steuern senken. Passt das zusammen, ist es finanzierbar? Ein Blick in den Etat.
Die Sozialdemokraten wollen entlasten. Die Union will entlasten. Bei der SPD geht es um jene, die wenig haben. CDU und CSU schauen auf die weiter oben auf der gesellschaftlichen Leiter.
Aber ob nun das sozialdemokratische Sozialstaatspaket – vor allem Grundrente, Bürgergeld, Kindergrundsicherung – oder der Wunsch nach Steuersenkungen, vor allem über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, eines haben die Pläne gemeinsam: Sie werden haushaltswirksam sein.
Dabei hat das Bundesfinanzministerium in seinen Verhandlungen mit den Ressorts gerade erst auf eine Unterdeckung von 25 Milliarden Euro aufmerksam gemacht, wegen geringerer Steuereinnahmen bis 2023 aufgrund geringeren Wachstums. Der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke hat die Wunschvorstellungen der großen Koalition hochgerechnet und kommt sogar auf ein potenzielles Loch im Etat von 80 Milliarden Euro. Vor allem die Grundrente der SPD dürfte einige Milliarden zusätzlich an Kosten verursachen. Daher lautet die Forderung der Partei, mitgetragen auch von Bundesfinanzminister Olaf Scholz: Gegenfinanzierung über höhere Steuern, auf Vermögen und durch einen höheren Spitzensteuersatz.
Das wird die Union nicht mitmachen, deren Verlangen nach kompletter Soli-Abschaffung und einer Entlastung der Unternehmen bei der Körperschaftsteuer freilich auch irgendwie gegenfinanziert werden müsste – im zweistelligen Milliardenbereich. Im Hintergrund lauern zudem die Länder und Kommunen, die auf teure Zusagen pochen können.
40 Milliarden Euro etwa sollen die Kohleländer bekommen, um die möglichen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Folgen des Ausstiegs aus der Kohleverstromung zu mildern. In einer Kommission der Bundesregierung wird zudem derzeit über vielfältige neue Hilfen diskutiert, die sich unter der Rubrik „gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland“ auf eine hohe zweistellige Milliardensumme addieren könnten. Ein Riesenwunschposten vor allem der SPD: Entschuldung von Kommunen mit sehr hohen Kassenkrediten.
Schaufenster mit unfinanzierbaren Wünschen?
Sprengt das den Bundeshaushalt? Wird hier viel ins Schaufenster gestellt, was gar nicht zu finanzieren ist? Natürlich sind solche Versprechungen, wie sie die SPD nun macht, bisweilen nur Umetikettierungen bestehender Leistungen, auf die man eine Schippe drauflegt. Die Grundrente ist nicht anders als eine erweiterte Grundsicherung im Alter. Und die macht beispielsweise schon heute gut sieben Milliarden Euro aus. Der Bund hat im föderalen Zuständigkeitsgeflecht neben der Außen- und Verteidigungspolitik zwei Hauptaufgaben: Er kümmert sich um die Ausgestaltung des Sozialstaats, mit steigender Tendenz, und er soll Konjunkturpolitik machen, also den Aufschwung fördern und im Abschwung gegensteuern.
Das geht über die Steuerpolitik oder mittels Investitionsprogrammen. Genau daran arbeiten nun beide Koalitionsparteien: Die SPD will mit Blick auf etwas schwächere Jahre das soziale Auffangnetz verbessern, die Union möchte in die Wachstumsdelle hinein der Wirtschaft einen steuerpolitischen Kick geben. Union und SPD haben deswegen zuletzt auch die Investitionen wieder etwas hochgefahren. Einst hätte man sich geeinigt über ein bisschen mehr Verschuldung. Das geht nun aber nicht mehr. Zum einen ist die Politik der schwarzen Null eine Koalitionsvereinbarung. Zudem erlaubt die Schuldenbremse in der Verfassung rote Zahlen nur minimal, solange die Konjunktur nicht abstürzt.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
Was also tun? In den Wachstumsjahren seit der Finanzkrise hat der Bund viermal Überschüsse gemacht – zuletzt im vorigen Jahr. Das Geld wanderte in eine Rücklage, formal zur Deckung von Flüchtlingskosten, die nun aber nicht so hoch ausfallen werden wie befürchtet. Also werden die 35 Milliarden Euro schon jetzt zur Finanzierung von Koalitionsvorhaben eingesetzt, von denen manche – insbesondere das CSU-Projekt des Baukindergels – mehr Geld fressen als gedacht.
Seine Riesenüberschüsse hat der Bund zudem in Finanzhilfen für Länder und Kommunen gesteckt und sie damit auch verschleiert: zwei Kommunalfonds mit zusammen sieben Milliarden Euro oder der Digitalpakt im Umfang von fünf Milliarden Euro stehen für diese „Zweckentfremdung“ eigener Mittel für andere Haushalte. Im Zweifel kann der Bund sich hier künftig zurückhalten.
Investitionen liegen bei 39 Milliarden Euro
Investitionen sind vor allem Sache der anderen Ebenen, der Länder und Kommunen. Der Bund gibt ein Investitionsvolumen von aktuell knapp 39 Milliarden Euro an, wovon ein Teil aber nur Durchlaufposten zugunsten der Länder für öffentlichen Nahverkehr oder Hochschulbau sind. Ein fetter Investitionsposten sind die militärischen Beschaffungen, also Rüstungsgüter. Die Summe ist zuletzt stramm gewachsen: von 8,5 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf derzeit gut zwölf Milliarden. In den kommenden Jahren sollen es im Schnitt mehr als 15 Milliarden sein.
Diese Fast-Verdopplung geht vor allem auf die Union zurück, die SPD könnte auch mit weniger leben – daher der Streit, ob man die den Nato-Partnern in Aussicht gestellten Verteidigungsausgaben in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erfüllt oder nicht. Ebenfalls deutlich gewachsen sind die Ausgaben für Straßen, Wasserwege und Eisenbahn: von 16,4 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf nunmehr gut 21 Milliarden. Nach den Rentenzuschüssen und der Verteidigung ist die Arbeitsmarktpolitik der dritte Großposten mit etwa 37 Milliarden Euro, insbesondere das Arbeitslosengeld II mit 20 Milliarden – hier dürften die SPD-Pläne zu Mehrausgaben führen.
Deutliche Zuwächse hatte auch der Bildungsetat des Bundes, aus dem aber nicht Schulen finanziert werden (Schulträger sind die Kommunen, Lehrer werden von den Ländern bezahlt), sondern vor allem Großforschungsprojekte außerhalb der Hochschulen und das Bafög. Gut 24 Milliarden Euro machen diese Posten aus, ein Plus fast sechs Milliarden in nur sechs Jahren.
Die Tendenz für die nächsten Jahre lautet allerdings: stagnierend. Eines macht ein Blick in den Finanzbericht der Regierung aber auch deutlich: Ohne die massiven Zinssenkungen seit der Finanzkrise sähe es heute und morgen und wohl auch noch übermorgen weniger rosig aus. Gut 31 Millionen Euro gab der Bund noch 2013 für Zinsen aus. 2017 waren es nur noch 17,5 Milliarden - in den kommenden Jahren wird nur mit leichten Steigerungen auf knapp 20 Milliarden im Jahr 2022 geplant.