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Das aktuelle Durchschnittseinkommen von Kakaobauern beträgt 0,78 Dollar.
© A.Martinez/AFP

Kakao-Konferenz in Berlin: Was die Schoko-Industrie für die Bauern tun könnte

NGOs kritisieren die Lebensbedingungen der Kakaobauern. Nun trifft sich die Branche in Berlin, um Änderungen zu beraten.

Pralinen, heißer Kakao, hochprozentige Schokolade: Der Verzehr von Kakaoprodukten ist für die meisten ein Genuss, ein bisschen Luxus im Alltag. In der Werbung macht Schokolade Kinder glücklich und lässt Erwachsene verzückt mit den Augen rollen, weil ein Chocolatier in den Schweizer Bergen den perfekten Schmelz kreiert hat. Wer hingegen noch nie Schokolade gekostet hat, sind die Menschen, die ganz am Anfang der Produktionskette stehen. Die Kakaobauern sind meist zu arm.

Denn die Schokotafeln kommen eben nicht aus der Milka-Kuh: Die wichtigste Zutat ist Kakaomasse. Sie wird aus den getrockneten und gerösteten Bohnen der Kakaofrucht hergestellt. Die Masse wird dann zum Teil weiterverarbeitet zu Kakaobutter und Kakaopulver. Der Rohstoff reist um die halbe Welt, bevor er Nutella und Mars-Riegel zu dem macht, was sie sind. 60 Prozent des weltweiten Kakaobedarfs kommt aus der Elfenbeinküste und Ghana, weitere Anbaugebiete liegen in Mittel- und Südamerika und Südostasien. Den Rohstoff importieren vor allem die USA, die Niederlande und Deutschland. Hier wird auch am meisten verdient: In Nordamerika und Europa sitzen die größten Hersteller von Süßigkeiten mit Schokolade wie Mars, Ferrero, Mondelez.

Deutschland ist dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zufolge der weltweit größte Exporteur von Schokoladenprodukten: 2016 waren das 804 000 Tonnen Waren im Wert von 3,9 Milliarden Euro. Seit Sonntag kommt die Branche zu ihrem weltweit größten Treffen, der World Cocoa Conference, in Berlin zusammen. Nicht nur Unternehmensvertreter werden vor Ort sein, auch Politiker und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Die beklagen vehement die schlechten Lebensbedingungen der Bauern und die Umweltschäden durch den Kakaoanbau.

Im Schatten des Kaffees

„Es gibt riesige Probleme im Kakaobereich“, sagt Johannes Schorling. Für Inkota, eine Berliner NGO, leitet er die Kampagne „Make Chocolate Fair!“. In der öffentlichen Diskussion um fairen Handel habe bisher der Kaffeeanbau im Vordergrund gestanden. Die Kampagne habe Inkota 2013 gestartet, mit NGOs aus anderen europäischen Ländern – um auf die Bedingungen in der Kakaoproduktion aufmerksam zu machen. „Von der Industrie fordern wir existenzsichernde Einkommen für die Bauern, von den Regierungen verbindliche Regelungen für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht der Unternehmen.“

Das „Cocoa Barometer 2018“ beschreibt die aktuellen Zustände im Kakaosektor. Herausgeber ist Voice, ein Netzwerk europäischer NGOs – unter ihnen Inkota – die die Arbeitsbedingungen, Umweltverschmutzungen und Menschenrechtsverletzungen auf den Kakaoplantagen anprangern. Die Bilanz: Die Bemühungen der letzten Jahre, zum Beispiel die Einführung von Siegeln oder die Einrichtung von Dialogforen, haben wenig verbessert.

Preisverfall auf dem Weltmarkt

Was das ohnehin niedrige Einkommen der Kakaobauern weiter nach unten getrieben hat, ist der Preisverfall auf dem Weltmarkt. Zwischen Ende 2016 und Anfang 2017 ist der Preis für eine Tonne Kakao von über 3000 auf unter 1900 Dollar gesunken. Dafür machen die NGOs die Nachhaltigkeitsprogramme der Unternehmen verantwortlich. „Der Fokus lag auf höherer Produktivität“, sagt Schorling von Inkota.

Diese Strategie habe zu einer Überproduktion geführt, so dass die Regierung der Elfenbeinküste sogar den gesetzlich festgelegten Mindestpreis habe senken müssen. Das Einkommen von Kleinbauern in dem westafrikanischen Land sei infolgedessen um 30 bis 40 Prozent gesunken. Fairtrade International schätzt, dass ein existenzsicherndes Einkommen für Kakaobauern der Elfenbeinküste bei 2,51 Dollar pro Tag liegt. Das aktuelle Durchschnittseinkommen beträgt dagegen 0,78 Dollar.

„Von dem Preisverfall profitieren die Schokohersteller und die Vermahler der Bohnen“, sagt Schorling. Sechs bis sieben Unternehmen teilten 70 Prozent des Marktes unter sich auf. Und die Anbauländer sind abhängig vom Export: Laut BMEL machte der Kakaoexport 2015 etwa 20 Prozent der ghanaischen Exporterträge aus. Für die Elfenbeinküste waren es sogar 30 Prozent. Die Regierungen der beiden Länder versuchen den Sektor staatlich zu regulieren, sagt Schorling, zum Beispiel mit der Anhebung des Mindestpreises. „Allerdings scheitern Abstimmungen, um ein Überangebot zu vermeiden, an den schwachen staatlichen Behörden“, sagt er. Bekannt geworden sei zum Beispiel, dass Beamte der staatlichen Kakaobehörde Ghanas Geld veruntreut haben sollen.

Illegale Kakaoplantagen in Nationalparks

Viele Kleinbauern betreiben zudem in der Elfenbeinküste und Ghana illegale Kakaoplantagen, auch in Nationalparks und geschützten Regenwäldern. Das legte letztes Jahr eine Untersuchung der US-amerikanischen NGO Mighty Earth offen. Von den ehemals dicht bewaldeten Flächen der Elfenbeinküste seien mittlerweile weniger als vier Prozent übrig. Den dort angebauten Kakao verwenden Mighty Earth zufolge große Hersteller wie Mars, Nestlé und Hershey’s in ihren Produkten.

Auf der World Cocoa Conference will Gastgeberin Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, deshalb am Montag für mehr Nachhaltigkeit werben. Klöckner betont, als Exportweltmeister habe Deutschland „eine herausgehobene Verantwortung im Kakaosektor“. Schon heute stamme die Hälfte des Kakaos in den hierzulande verkauften Süßwaren aus nachhaltiger Produktion. „Mein Ziel ist, den Anteil nachhaltig erzeugten Kakaos in den in Deutschland verkauften Schokoladenwaren bis zum Jahr 2020 auf 70 Prozent zu erhöhen“, sagt Klöckner. Auf Nachfrage teilt das BMEL mit, „nachhaltiger Kakao“ werde nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Anforderungen produziert und sei zum Beispiel zertifiziert. Einen gesetzlichen Standard gebe es nicht.

Alexandra Duong

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