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Die Bauern in Westafrika leiden enorm unter den sinkenden Preisen für Rohkakao. Dabei sind die Arbeitsbedingungen auf den Planatagen generell schon hart.
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Handelsketten: Billiger Kakao – teure Schokolade

Der Weltmarktpreis für die rohen Bohnen ist in letzter Zeit drastisch eingebrochen. Der Verbraucher merkt davon aber nichts.

Roher Kakao ist zur Zeit so billig wie zuletzt vor siebeneinhalb Jahren. Seit Dezember hat er um knapp 45 Prozent an Wert verloren. Höchste Zeit, dass die Schokolade in den Regalen der Supermärkte billiger wird – sollte man meinen.

Für Rodger Wegner, Geschäftsführer des „Vereins der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen“ ist der Preisverfall des Rohkakaos zunächst einmal eine logische Konsequenz. In der vergangenen Saison 2015/16 waren die Preise dramatisch in die Höhe geschossen. Grund waren damals vor allem die ungünstigen Witterungsbedingungen in Westafrika, die zu einem Versorgungsloch und damit zu einem Abbau der Weltlagerbestände um etwa 150 000 Tonnen geführt hatten.

Im laufenden Kakaojahr stünde es aber deutlich besser um die Ernte, so Wegner. Solveig Schneider, Pressesprecherin des Bundesverbands der Süßwarenindustrie (BDSI) bestätigt das: „Der für die Jahreszeit typische heiße Wüstenwind Harmattan war, anders als in den Vorjahren, nur wenig ausgeprägt. Dementsprechend gering waren auch die Schäden an den Kakaobäumen und -früchten.“ Deshalb ist das Angebot an Kakao derzeit hoch.

Die "Nuss-Krise" war ein größeres Problem

Der Verbraucher merkt von den gesunkenen Kakaopreisen im Supermarkt allerdings gar nichts. Nicht verwunderlich, meint Wegner dazu. Er begründet die stabilen Preise mit der Marktmacht des Einzelhandels. Dass es auch anders geht, zeigte das Frühjahr 2014, als ein anderer Rohstoff der Schokoladenproduktion „schwer zu schaffen machte“, wie es Thomas Seeger, Pressesprecher von Ritter Sport formuliert. Der Kilopreis von Haselnüssen stieg damals wegen eines unerwarteten Kälteeinbruchs an der türkischen Schwarzmeerküste von 6,50 Euro auf 16,50 Euro, woraufhin dem schwäbischen Schokoladenproduzenten wie auch anderen Herstellern nichts anderes übrig blieb als die angezogenen Preise an den Handel weiterzugeben.

Ritter Sport ließ daraufhin von seinem bisherigen Konzept – „alle Sorten zu einem Preis“ – ab und führte die sogenannte „Nuss-Klasse“ ein. Die sechs verschiedenen Sorten mit Nüssen sind seitdem zu einem Preis von in der Regel 1,29 Euro erhältlich. Die 20 anderen Sorten, darunter Marzipan oder Alpenmilch, kosten 20 Cent weniger.

Im Vergleich zur „Nuss-Krise“ von 2014 seien die stark schwankenden Kakaopreise „nahezu unerheblich“ für das Geschäft, sagte Seeger. Und die seien wegen der klimatischen Bedingungen in den Produktionsländern auch keine Seltenheit. Angebaut wird die Kakaopflanze hauptsächlich in West- und Ostafrika, aber auch in Asien und Lateinamerika. Geerntet werden können die Kakaobohnen zweimal im Jahr. Hauptlieferant von Rohkakao ist die Elfenbeinküste – mehr als 40 Prozent des weltweit geernteten Kakaos kommen aus diesem westafrikanischen Land. Rund zwei Drittel des produzierten Kakaos werden zur Herstellung von Schokolade verwendet, ein Drittel wird als Kakaopulver gehandelt.

Börsenspekulationen drücken den Preis

Die Berliner Traditionsmarke Fassbender und Rausch verkauft fair gehandelten Edelkakao. Am Etikett einer Tafel lässt sich ablesen, aus welchem Land der Kakao stammt – aus Venezuela, Ecuador, Costa Rica oder Madagaskar. Aufgrund des schwierigen Anbaus nimmt der Edelkakao gerade einmal fünf Prozent der gesamten Welternte ein und wird deswegen auch nicht an der Börse gehandelt. Zwar kann es ebenfalls zu Missernten kommen, aber der Preis des Edelkakaos ist viel stabiler. Weder die Nusskrise 2014 – denn auch Nüsse werden von Rausch direkt bezogen – noch die Rohkakao-Knappheit der vergangenen Saison konnten dem Berliner Schokoladenhaus etwas anhaben.

Dass sich die Edelschokolade zuletzt etwas verteuert hat, läge daran, dass es „an der Zeit“ dafür gewesen sei. Jahrelange habe es keine Preiserhöhung gegeben, sagte Rausch-Sprecher Stefan Rombach auf Anfrage. Zu einer sinkenden Nachfrage habe das nicht geführt. Allerdings produziert der Premium-Hersteller auch für eine Zielgruppe, für die der Preis nicht ausschlaggebend ist bei der Kaufentscheidung.

Ob sich der Preis für Rohkakao bald wieder erhöht, hängt von der globalen Konjunktur und der Entwicklung der Anbauregionen ab. Anleger, die in Rohstoffe wie Kakao investieren, hatten in den vergangenen Jahren auf steigende Preise gesetzt. Jetzt, da das Angebot übermäßig groß ist – Experten rechnen mit einem Überschuss von mindestens 200 000 Tonnen – setzen Börsen-Spekulanten auf den gegenteiligen Trend. Das drückt den Preis weiter, wie Michaela Kuhl aus dem Rohstoff-Research-Team der Commerzbank beobachtet.

An der Elfenbeinküste gib es zwar jährlich festgelegte garantierte Preise. Allerdings würden auch diese früher oder später sinken, ist sich die Analystin sicher. Bekommt der Betreiber einer Kakaoplantage deutlich weniger Geld, sei es ziemlich unwahrscheinlich, dass er seine Plantage vergrößert. Die Bauern würden bei niedrigen Produzentenpreisen häufig bei der Pflege der Plantagen sparen – obwohl gerade dies für die sensible Kakaopflanze so wichtig sei. Und weil die Bauern von ihrem Kakao kaum leben können, leisten sie sich in der Erntezeit auch die Löhne für Plantagenarbeiter nicht. Die Konsequenz: Kinderarbeit.

Mona Linke

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