Gigabit-Versprechen: Was die neuen Smartphone-Tarife wirklich taugen
Anbieter wie Vodafone versuchen sich an immer neuen Angeboten. Dabei haben viele Kunden ein ganz anderes Problem: Wie rette ich mein Datenvolumen?
Wenn Mobilfunkanbieter das Gigabit-Zeitalter ausrufen, klingt das groß. In ihren Tarifen locken sie mit Giga-Speed, Giga-Travel und geben sogar ein Giga-Versprechen ab. Was am Angebot dann aber so riesig ist, wie der Name verspricht, dürfte manchem Verbraucher nicht klar sein. Ist es die Geschwindigkeit? Oder das verfügbare Datenvolumen?
Bei Vodafone sei es eine Mischung aus allem, sagt Sprecher Dirk Ellenbeck. „Der Begriff ‚Giga‘ steckt in vielen unserer Produkte.“ Dem Unternehmen gehe es dabei vor allem um die immer schnelleren Netze. Allerdings: Die Gigabit-Geschwindigkeiten, also Übertragungsraten von mindestens einem Gigabit pro Sekunde (Gbit/s), können Mobilkunden mit ihren Smartphones noch gar nicht erreichen. „Die Endgeräte sind dafür noch nicht verfügbar“, sagt Ellenbeck. Mit dem bisherigen LTE-Standard ist für die meisten Handybesitzer bei halb so hoher Geschwindigkeit Schluss. Die ersten kompatiblen Smartphones kommen aber bald auf den Markt. Der chinesische Hersteller Huwaei stellt am nächsten Montag den Nachfolger seines Premium-Geräts „Mate“ vor. Ersten Gerüchten zufolge soll es ein Modem beinhalten, mit dem Geschwindigkeiten von bis zu 1,2 Gbit/s möglich sein könnten.
Stimmt die Technik, wären Gigabit-Geschwindigkeiten schon heute möglich, sagt Ellenbeck, zumindest in einigen Ballungszentren. Damit langfristig auch die ländlichen Regionen profitieren, muss aber ein flächendeckendes Netz her. Und bis dahin dürften noch Jahre vergehen. Die Anbieter müssen nämlich zunächst die nötige Infrastruktur im Festnetz schaffen. „Leistungsfähige Mobilfunknetze sind nur dann realisierbar, wenn die Mobilfunk-Basisstationen an Glasfasertechnik angebunden sind“, sagt Alexander Kuch vom Telekommunikations-Portal Teltarif. Die Bundesregierung war sich bisher einig, den flächendeckenden Ausbau von Glasfaserleitungen bis 2025 umzusetzen. „Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel“, sagt Kuch dazu.
Nutzer verbrauchen mehr Daten
Auch die Deutsche Telekom bremst die Erwartungen. „Ich kenne keinen Anbieter, der derzeit ernsthaft davon spricht, in absehbarer Zeit ein flächendeckendes Gigabit-Mobilfunknetz anzubieten“, sagt Unternehmenssprecher Markus Jodl. Dem Durchschnittsnutzer dürften die Unterschiede bei der Geschwindigkeit ohnehin egal sein. Einen großen Vorteil, etwa beim Surfen im Internet oder beim Chatten, bringt die schnellere Verbindung nämlich nicht. „Relevant wird sie allerdings jetzt schon für Videoanwendungen“, sagt Kuch von Teltarif. Denn hochauflösende Videos benötigten eine deutlich höhere Download-Rate.
Lange Filme, scharfe Bilder und viele Songs für unterwegs bringen ein ganz anderes Problem mit sich: Die Datennutzung steigt. In den allermeisten Tarifen ist nach einem bestimmten Verbrauch jedoch Schluss, der Anbieter drosselt die Geschwindigkeit auf ein Minimum. Noch würden Nutzer gar nicht so häufig an die Grenzen ihres Datenvolumes stoßen, sagt Vodafone-Sprecher Ellenbeck. Und tatsächlich verbrauchen die Deutschen im europäischen Vergleich sehr wenig. Im Vorjahr nutzten sie mit LTE-Tarifen durchschnittlich nur 0,9 GB pro Monat – 20-mal weniger als die Finnen. Allerdings steigt der Verbrauch rasant an, wenn auch auf geringem Niveau. Das zeigen die Zahlen des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten. 2016 gingen über 770 Millionen GB durch die deutschen Netze – das waren 30 Prozent mehr als noch im Vorjahr.
Treiber des Trends sind Video- und Musikstreaming, aber auch die gestiegene Social-Media- sowie die Chat-Nutzung. Die Mobilfunkfirmen haben darauf reagiert. Seit April bietet etwa die Telekom mit der Option „StreamOn“ an, Musik und Videos ohne Abzüge vom Datenvolumen zu laden. In hochpreisigen Tarifen können Telekom-Kunden das Angebot kostenlos hinzubuchen. Die Bundesnetzagentur prüft derzeit jedoch, ob das Angebot gegen die Netzneutralität verstößt. Davon könnten dann auch die Pakete der Konkurrenz betroffen sein – etwa die von Vodafone. Erst vor wenigen Wochen zog das Unternehmen mit einem ähnlichen Angebot nach. In den Red- und Young-Tarifen können Nutzer verschiedene Pässe hinzubuchen, mit denen sich bestimmte Apps unbegrenzt nutzen lassen. Im Video-Pass etwa schauen die Smartphone- Besitzer ohne Datenbegrenzung auf einigen Plattformen Videos, mit dem Chat-Pass können sie unbegrenzt chatten. Allerdings: Nicht in jedem Pass sind auch die gängigsten Plattformen enthalten. Im Music-Pass fehlt etwa der Streaming-Dienst Spotify, der Social-Pass kommt ohne Snapchat daher.
Deutsche bekommen weniger für gleiches Geld
Der dritte Anbieter auf dem Markt, Telefonica, wirbt ebenfalls mit endlosem Surfen. In den Tarifen „O2 Free“ darf der Nutzer nach verbrauchtem Volumen noch mit einer Geschwindigkeit von 1000 Mbit/s weiter surfen – genug für die durchschnittliche Nutzung.
Für die Kunden solcher Optionen heißt das: Sie müssen weniger auf ihren Verbrauch schauen. Alle anderen bekommen im europäischen Vergleich jedoch verhältnismäßig wenig für ihr Geld. Für 30 Euro stehen den Nutzern hierzulande nur bis zu sechs Gigabyte mit LTE-Geschwindigkeit zur Verfügung. Niederländer, Kroaten und Schweizer dürfen für den gleichen Preis laut dem Vergleichsportal „Digital Fuel Monitor“ unbegrenzt surfen. In Polen und Frankreich gibt es für das Geld immerhin 100 GB. Den Mobilfunkanbietern zufolge spielen dafür verschiedene Faktoren eine Rolle, etwa die Kosten für Lizenzen und den Netzausbau oder die Größe des Landes.
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