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Halbjahresbilanz. Richard Lutz (3. v.r.), Vorstandsvorsitzender der Deutsche Bahn, neben (v.l.r.) Martin Seiler, Vorstand Personal und Recht, Sabina Jeschke, Vorstand Digitalisierung und Technik, Ronald Pofalla, Vorstand Infrastruktur, Berthold Huber, Vorstand Personenverkehr, und Alexander Doll, Vorstand Güterverkehr und Logistik.
© Soeren Stache/dpa

Halbjahresbilanz der DB: Was die Bahn trotz Passagierrekord bremst

Die Deutsche Bahn transportiert so viele Reisende wie noch nie – trotzdem bricht der Gewinn ein. Ein Reisetagebuch zeigt im Kleinen, was der Bahn im Großen zu schaffen macht.

Würde die Deutsche Bahn nur ihre Fahrgäste zählen, wäre die Welt des Schienenkonzerns in Ordnung: 70,9 Millionen Reisende wählten im ersten Halbjahr 2018 die Bahn – 3,8 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ein Rekord. Auch das bereinigte Umsatzplus von 2,3 Prozent auf 21,5 Milliarden Euro kann sich noch sehen lassen. Doch dann fangen die Probleme schon an. Denn unterm Strich hat die Deutsche Bahn (DB) im ersten Halbjahr deutlich weniger verdient als im Vorjahr, ihre Fernzüge waren deutlich unpünktlicher und vor allem war der ohnehin schwache Güterverkehr auf der Schiene noch schwächer.

„Die Menschen sind mobil wie nie“, versuchte Bahn-Chef Richard Lutz am Mittwoch in Berlin Optimismus zu verbreiten. Die Bahn sei für immer mehr Bürger „der Schlüssel für eine erfolgreiche Klima- und Verkehrswende“. Doch diese „Wende“ hat einen Preis: Die Bahn füllt ihre häufig veralteten Fernzüge mit immer mehr Billigtickets, sie muss mehr investieren und sie verdient weniger. Zugleich verliert sie im Schienengüterverkehr Marktanteile, weil die Verkehrswende hier noch gar nicht stattgefunden hat. Die Verkehrsleistung bei der Güterbahn DB Cargo ging um 6,7 Prozent zurück, das Ebit der Sparte rutschte auf ein Minus von 127 Millionen Euro.

In den ersten sechs Monaten brach aus diesen Gründen der operative Konzerngewinn (Ebit) um 17,4 Prozent auf 974 Millionen Euro ein. Unter dem Strich blieben 562 Millionen Euro übrig – ein Rückgang um fast 28 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2017.

Mehr Ideen und Konzepte Ende des Jahres

Die sinkende Pünktlichkeit, der rückläufige Güterverkehr, die marode Infrastruktur – Richard Lutz bearbeitet fast anderthalb Jahre nach seinem Amtsantritt noch viele offene Baustellen. Den „Dreiklang“ aus „investieren, modernisieren und digitalisieren“ wolle er beibehalten, sagte der 54-Jährige. Aber das wird nicht reichen. „Wir arbeiten daher intensiv an neuen Antworten, um unsere Strategie weiterzuentwickeln.“ Ende des Jahres will die Bahn „Ideen und Konzepte“ präsentieren. Am Mittwoch blieb das Management vage. „Eine Revolution ist nicht zu erwarten“, dämpfte Lutz die Erwartungen.

Vor allem die Pünktlichkeit im Fernverkehr bekommt die Bahn nicht in den Griff. Lutz verabschiedete sich von dem Ziel für 2018, dass 82 Prozent aller Fernzüge nicht mehr als sechs Minuten verspätet sein dürfen. Man rechne nun mit einer Quote von unter 80 Prozent. Im ersten Halbjahr lag diese bei 77,4 Prozent. „Wir erwarten eine Trendwende zum Besseren im zweiten Halbjahr“, sagte Lutz. Mehr als 100 Millionen Euro wird die Bahn allein in die Verbesserung der Pünktlichkeit investieren – etwa in die Einrichtung eines Lagezentrums, eine bessere Zusammenarbeit der Eisenbahnunternehmen, ein besseres Krisenmanagement bei Großstörungen, ein intensiveres Vegetationsmanagement.

Viele Passagiere, hohe Investitionen. Bahn-Chef Richard Lutz und Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla.
Viele Passagiere, hohe Investitionen. Bahn-Chef Richard Lutz und Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla.
© Soeren Stache/dpa

Als Hauptursache für die größere Zahl an Verspätungen nannte Infrastruktur- Vorstand Ronald Pofalla Engpässe im Schienennetz: „Wir kommen an verschiedenen Stellen an Kapazitätsgrenzen.“ So bereiteten die Knotenpunkte Köln, Hamburg und Frankfurt der Bahn „zunehmend Probleme“. Man habe fünf Streckenabschnitte identifiziert, die besonders belastet seien. „Diese Engpässe strahlen auf die Pünktlichkeit im gesamten Netz aus“, erklärte Pofalla. Besondere Teams sollen demnächst in den fünf Korridoren die Züge steuern, um dort einen möglichst reibungslosen Verkehr zu gewährleisten. Als engste Stelle im deutschen Schienennetz bezeichnete Pofalla die Strecke von Köln nach Dortmund.

Viel zu tun bleibt im Güterverkehr. Während die Bahn mit Luftfracht und auf der Straße mit der Spedition DB Schenker mehr Umsatz macht, sinkt der Anteil des Schienenverkehrs. Güterverkehrs- Vorstand Alexander Doll räumte auch hausgemachte Probleme ein. Nötig seien „weniger stehende Züge, und wir müssen auch die Produktivität der Lokführer erhöhen“. Zugleich müssten aber auch mehr Lokführer eingestellt werden. Schließlich gehe es darum, „die Stimmung unter den Mitarbeitern zu verbessern“, die unter der jahrelangen Krise gelitten habe.

Pünktlichkeit und Service: Viele Einträge im Bahn-Tagebuch

Was der Deutschen Bahn im Großen zu schaffen macht, erlebt Matthias Gastel im Kleinen bei vielen Bahnfahrten. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete führt seit Jahren Tagebuch, wenn er mit der DB unterwegs ist. Auch im ersten Halbjahr 2018 finden sich darin besonders viele Einträge bei den Themen Pünktlichkeit und Service. „Der Anteil verspäteter Züge ist deutlich gestiegen“, sagt Gastel. Demnach waren von den 61 Fernzügen, die der Politiker von Januar bis Juni nutzte, nur 57 Prozent pünktlich – also nicht mindestens sechs Minuten verspätet. „Bei der Pünktlichkeit besteht der dringendste Handlungsbedarf“, sagt Gastel. Auch im Gesamtjahr 2017 hatte er nur knapp 62 Prozent pünktliche Züge notiert, 2016 waren es 74 Prozent. Ein wichtiger Grund: Das Baustellenmanagement der Bahn. Im Schnitt lag die durchschnittliche Verspätung der von Gastel genutzten Züge im laufenden Jahr bei 23 Minuten. Das führte dazu, dass er nur etwa zwei Drittel der Anschlusszüge erreichte.

Ärgerlich bleibe zudem, „dass die Gastronomie weiterhin unzuverlässig ist“. So falle oft die Kühlung aus, Lebensmittel dürften dann nicht mehr verkauft werden. Das liege nicht zuletzt daran, dass die Bahn häufig ältere Fahrzeuge einsetzen muss, um die Nachfrage bedienen zu können. Gastel: „Die Deutsche Bahn verfügt über einen auf Kante genähten Fuhrpark.“ Dieser müsse dringend aufgestockt werden. Immerhin: Die Internetverbindungen über das bordeigene W-Lan sind in den ICE-Zügen nach Gastels Erfahrung deutlich besser geworden. In fast der Hälfte der Züge (47 Prozent) funktionierte das W-Lan (2017: 31 Prozent), bei 44 Prozent der Fahrten zumindest teilweise. Insgesamt „kein gutes Zeugnis“, wie der Grünen-Politiker meint.

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