Ein uraltes Streben: Was den Menschen glücklich macht
Seit hunderten von Jahren überlegt und erforscht der Mensch, was ihn glücklich macht. Die Deutschen tun sich dennoch schwer damit – trotz wachsenden Wohlstandes.
Der Mensch strebt seit jeher danach, glücklich zu sein. Zumindest schreiben Philosophen seit der Antike über diesen Urwunsch, und darüber, wie er wohl in Erfüllung gehen kann. Aristoteles glaubte, dass glücklich ist, wer tut, was er auf Grund seiner Tugenden am besten kann. Was ihn erfüllt, ihm Freude macht. Epikur empfahl, gemäßigte Ansprüche zu haben. Seneca, zur inneren Ruhe zu finden.
Viele hundert Jahre sind seitdem vergangen, doch es scheint, als würden die Ratschläge der weisen Männer mehr Gehör finden denn je. Unzählig viele Bücher erscheinen mit ihren Ideen über die Kunst des guten Lebens und werden zu Bestsellern. In den ersten Unternehmen gibt es Feelgood-Manager, in einigen Schulen das Fach „Glück“. Gelassenheit wird in ausgebuchten Meditationsklassen geübt. Der persönliche Coach hilft dabei, seine wahre Berufung zu finden. Weil das Gefühl so fasziniert, untersuchen es Psychologen, Sozialwissenschaftler und auch Ökonomen. Vor zwei Jahren hat der Glücksforscher Angus Deaton für seine Arbeiten dazu den Wirtschaftsnobelpreis erhalten.
Was die Forschung bislang herausgefunden hat: Zu einem gewissen Anteil liegt unsere Fähigkeit zum Glücklichsein in den Genen. Der amerikanische Sozialwissenschaftler Arthur Brooks meinte kürzlich zu fast 50 Prozent. Dazu komme, was uns im Leben passiert und was wir daraus machen. So sollte der Mensch als soziales Wesen vor allem gute Beziehungen führen. Durch Bindungen schüttet das Gehirn positive Botenstoffe wie Oxytocin aus. Auch Menschen, die keinen Partner, aber gute Freunde haben, sind zufriedener als jene, die allein sind, hat eine bekannte Langzeit-Glücksstudie der Harvard-Universität bewiesen.
Weitere Glücksfaktoren sind Gesundheit, eine sinnvolle Tätigkeit, persönliche Freiheit, die innere Haltung und finanzielle Sicherheit.
Steigende Einkommen sind kein Garant
Die Rolle des Geldes ist umstritten. Einerseits erleichtert ein gewisser Wohlstand das Leben. Nimmt Ängste und Sorgen. Mit Geld kann man sich zwar kein Glück kaufen, aber Zeit, indem man sich etwa Putzhilfen oder Kindermädchen leisten kann, was laut einer US-Studie, die vor einigen Monaten veröffentlicht wurde, zu mehr Zufriedenheit führt.
Angus Deaton und Daniel Kahneman, ebenfalls Wirtschaftsnobelpreisträger, haben allerdings ein jährliches Einkommen von 75000 Dollar, umgerechnet etwa 64000 Euro, als Grenze nachgewiesen. Bis zu dieser Schwelle mache mehr Geld tatsächlich glücklicher. Was darüber hinausgeht, habe keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Wohlbefinden, da sich der Mensch an mehr Komfort schnell gewöhne.
Eine andere Auffassung hat der Psychologe Tal Ben-Shahar, der unter anderem an der Harvard-Universität lehrte. Eine „Überbetonung des Materiellen“ sei zumindest teilweise dafür verantwortlich, dass die „Menschen so sehr nach materiellem Reichtum streben“ – was sie nicht glücklich, sondern unglücklich mache.
Wo auf der Welt besonders heitere Menschen leben, zeigen verschiedene Rankings. Seit 2012 veröffentlichen die Vereinten Nationen einmal im Jahr den „World Happiness Report“. In diesem Jahr schaffte es Norwegen an die Spitze, gefolgt von Dänemark, Island, der Schweiz und Finnland. Deutschland stagnierte auf Platz 16 – hinter den USA, Israel und Costa Rica. Am Ende befanden sich afrikanische Länder.
Die Forscher betonten, dass Glück stark mit dem Zustand der Gesellschaft und dem sozialen Umfeld verbunden sei. Solidarität, Freiheiten für eigene Lebensentscheidungen und Vertrauen in Regierung und Behörden seien ausschlaggebend. Dass steigende Einkommen nur bedingt wichtig seien, demonstrierten sie am Beispiel Chinas (Rang 79). Die Menschen seien nicht zufriedener als vor 25 Jahren, obwohl sich das Bruttosozialprodukt seit Anfang der 90er Jahre verfünffacht habe und fast jeder städtische Haushalt mittlerweile über Fernseher, Waschmaschine und Kühlschrank verfüge.
Dass es kein Luxus ist, über seinen Gemütszustand nachzudenken, zeigt sich darin, dass die Vereinten Nationen vor fünf Jahren eine Resolution verabschiedet haben, wonach das Streben nach Glück als ein grundlegendes menschliches Ziel anerkannt wurde. Daran erinnern soll der Weltglückstag am 20. März. In den USA wurde das Streben nach Glück („pursuit of happiness“) bereits 1776 in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verankert.
Deutschland ist Mittelmaß, Dänemark vorbildlich
Auch die OECD misst Jahr für Jahr die Lebenszufriedenheit in ihren Mitgliedsstaaten. Am geringsten war sie zuletzt in Portugal und der Türkei; am höchsten in Nordeuropa, hier angeführt von Dänemark. Nach der OECD sollte sich die Politik an ihrem Bericht orientieren, um die Voraussetzungen für ein genügend gutes Leben zu schaffen.
Für Deutschland, das sich trotz seines Wohlstandes nur im mittleren Bereich befindet, lautete die Kritik: Die Bildungswege der Menschen würden nach wie vor stark vom sozioökonomischen Hintergrund abhängen, wenn auch weniger als in der Vergangenheit.
Im Vorzeigeland Dänemark wäre das Bildungssystem viel durchlässiger. Chancen wären gerechter verteilt. Der dänische Glücksforscher Meik Wiking erklärt die hohe Zufriedenheit seiner Landsleute damit, dass es zwar hohe Steuersätze gebe, aber dieses Geld werde direkt in Nachhaltigkeit und das Allgemeinwohl investiert und komme der Gesellschaft somit spürbar zu Gute.
Eine weitere Erklärung ist die skandinavischen Lebensphilosophie, genannt „Hygge“, was sich auch hierzulande zum Trend-Lifestyle entwickelt. Ins Deutsche übersetzt bedeutet das so viel wie „Gemütlichkeit“. Gemeint sind gesellige Abende mit Freunden, Lesenachmittag auf dem Sofa bei einem wärmenden Kaminfeuer, ein Picknick mit der Familie im Grünen, während die Vögel zwitschern. Es geht um Entspannung, um Langsamkeit und Beisammensein.
Die zufriedensten Deutschen leben in Schleswig-Holstein und in Hamburg, wenn man dem Glücksatlas der Deutschen Post glaubt. Berlin befand sich zuletzt auf Platz 15 von 19. Am betrübtesten sind die Menschen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Für die Befragten hat ihre Wohn- und Familiensituation den größten Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Danach kamen Aspekte wie Freizeit, Arbeit, Gesundheit und Einkommen. Bei einer anderen Umfrage wurden die Deutschen im vergangenen Jahr befragt, wie sie ihr Glück denn selbst beeinflussen könnten. Die meisten nannten die eigene Grundeinstellung, gefolgt vom Bemühen, seine Ziele zu erreichen, und sich sozial zu engagieren (mehr Tipps im Interview).
Wer etwas dafür tut, glücklicher zu werden, fühlt sich laut Studien nicht nur subjektiv besser, sondern hat mehr Antrieb, ist kreativer und produktiver. Er stärkt sein Immunsystem, bekommt seltener Diabetes, Bluthochdruck, Depressionen oder einen Herzinfarkt – und hat eine höhere Lebenserwartung von fünf bis zehn Jahren. Dass Aristoteles einst meinte, Glück sei das letzte Ziel menschlichen Handelns, stimmt demnach schon für all jene, die alt werden wollen. Ob nun mit Lachfalten oder nicht.
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