Insolvente Air Berlin: Was aus den Mitarbeitern werden soll
Es werde nicht möglich sein, alle Arbeitsplätze bei Air Berlin zu erhalten, teilte die insolvente Fluggesellschaft mit. 80 Prozent der Beschäftigten aber hätten nach einem Verkauf gute Perspektiven.
Das Führungstrio von Air Berlin ließ sich von dem Trillerpfeifkonzert nicht merklich aus der Ruhe bringen. Erstmals seit Einreichen des Insolvenzantrages vor sechs Wochen stellten sich Vorstandschef Thomas Winkelmann sowie die vom Gericht bestellten Rechtsanwälte Frank Kebekus und Lucas Flöther in einer Pressekonferenz den Fragen der Öffentlichkeit. Derweil zogen etwa 50 Mitarbeiter rund um das Tagungshotel im Berliner Tiergarten, schwenkten Fahnen der Gewerkschaft Verdi und machten Dauerlärm, der durch die dicken Scheiben in den Konferenzraum drang. Verdis Botschaft: In all den Wochen gehe es nur um Flotten, Start- und Landerechte – aber nicht um sie, die insgesamt rund 8000 Mitarbeiter.
Die drei Herren wiesen den Vorwurf zurück. Winkelmann bedankte sich ausdrücklich bei den Mitarbeitern und bei der Bundesregierung, die schnell gehandelt habe. Die Airline habe im August nur wenige Stunden vor einem Totalausfall gestanden, berichtete er. Am Montag, den 14. August um 5.30 Uhr, wären bei Air Berlin alle Lichter ausgegangen, hätte die Staatsbank KfW nicht die Kreditgarantie in Höhe von 150 Millionen Euro ausgesprochen. „Wir sind jetzt sicher, dass wir den Flugbetrieb in den nächsten Wochen aufrechterhalten können“, sagte er. Mit einer Einschränkung: Es dürfe nicht erneut zu massenhaften Krankmeldungen kommen. Vor zwei Wochen hatte ein Ausfall von etwa 200 Piloten den Flugplan durcheinandergebracht, allein an diesem Tag hatte Air Berlin mehrere Millionen Euro verbrannt.
Kunden buchen nur noch kurzfristig
Mittlerweile ist der Flugbetrieb stabilisiert. Doch viele Kunden haben das Vertrauen verloren, räumte Winkelmann ein. Man registriere derzeit fast ausschließlich sehr kurzfristige Buchungen, aber praktisch keine mehr für den Winter oder gar für das kommende Jahr.
Air Berlins Verwalter und die Ausschüsse der Gläubiger verhandeln derzeit exklusiv mit der Lufthansa-Tochter Eurowings und Easyjet, bestätigten die Herren nun auch offiziell. Zum möglichen Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden. Klar ist nun aber, dass Lufthansa die Flieger der Töchter Niki und die Luftverkehrsgesellschaft Walter, Air Berlins Regionalairline mit Propellermaschinen, übernehmen will. Das wären insgesamt 55 Flugzeuge und dazu 13 der insgesamt 38 Mittelstreckenjets, die man bereits seit Herbst im eigenen Flugbetrieb integriert hat. Easyjet sei an 27 bis 30 Flugzeugen interessiert. Die sollen vor allem von Berlin aus operieren. Easyjet selbst machte dazu keine Angaben.
Es gab 16 verbindliche Angebote
Insgesamt hätten sich 68 Interessenten für den Kauf von Teilen des Unternehmens gemeldet. Am Ende seien 16 verbindliche Angebote „unterschiedlicher Qualität“ eingegangen, hieß es. Das wären doppelt so viele wie bisher bekannt. Das Führungstrio wies Vorwürfe zurück, dass sie Lufthansa bevorzugen würden und dass, sollte der Marktführer Strecken von Air Berlin übernehmen, neue „Monopolstrecken“ entstünden. Winkelmann betonte, dass die Verhandlungen mit Eurowings und Easyjet auch aus Sicht der Verbraucher eine „sehr gute Nachricht“ seien. Schließlich seien diese Airlines mit sehr guten Angeboten auf dem Markt, der Wettbewerb sei also gesichert.
Dieser Einschätzung widersprach Tomaso Duso, Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Wenn Marktführer Lufthansa den Zuschlag bekomme, dann werde die Chance auf mehr Wettbewerb im Luftverkehr verspielt, schrieb er in einer am Montag veröffentlichten Analyse. „Verbraucherinnen und Verbraucher können davon ausgehen, dass die Teilübernahme von Air Berlin durch Lufthansa bedeutsame negative Folgen auf Preise und Qualität haben wird.“
Am Ende bestünden „gute Chancen“ für rund 80 Prozent der rund 8000 Mitarbeiter, bei einem der neuen Eigentümer unterzukommen, sagte Winkelmann. Die Schätzung beruht auf Erfahrungswerten, wie viel Personal es braucht, um die Jets an 365 Tagen im Jahr im Betrieb zu halten. Nach dieser Rechnung gibt es freilich für rund 1600 Angestellte keine Perspektive bei neuen Arbeitgebern. Zudem stellten Winkelmann und die beiden Verwalter auch klar, dass sie keinen geregelten Betriebsübergang anstreben, bei dem die Verträge der Mitarbeiter automatisch an den neuen Eigentümer übergehen.
Gewerkschaften fordern geordneten Betriebsübergang
An diesem Punkt machen die Gewerkschaften Druck. „Sicher ist schon jetzt, dass wir für die Beschäftigten, die kein Arbeitsverhältnis bei einem der neuen Eigentümer erhalten, auf Einstellung klagen werden“, sagte Volker Nüsse, der bei Verdi zuständig für Air Berlin ist. Er verwies auf einschlägige Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, die Beschäftigten lückenlosen Bestandsschutz ihrer Arbeits- und Entlohnungsbedingungen gewähren (Hier §613a BGB im Wortlaut). Die Pilotengewerkschaft VC Cockpit berichtete derweil von Gesprächen mit der Lufthansa. Der Konzern verlange, „dass jeder einzelne Pilot ein individuelles Assessment durchlaufen soll, um eventuell einen der Arbeitsplätze zu etwa 30 Prozent abgesenkten Bedingungen zu erhalten.“ Mit Easyjet habe es noch gar keine Verhandlungen gegeben.
„Unsere Mitarbeiter gelten als sehr motiviert und sehr gut ausgebildet“, erklärte Winkelmann. Auch deshalb hätten in den vergangenen Wochen bereits 200 Mitarbeiter aus freien Stücken das Unternehmen verlassen und seien zu Konkurrenten gewechselt. Mit Blick auf die Mitarbeiter der Berliner Zentrale verweis Winkelmann auch auf das Angebot des Berliner Senats, Mitarbeiter als Angestellte in Behörden des Landes und der Bezirke zu übernehmen. Wie berichtet, muss das Land Berlin jedes Jahr rund 7000 Stellen besetzen.