US-Internetkonzern: Was Amazon in Deutschland plant
Amazon hat Media-Saturn als größten Händler überholt und Supermärkten den Kampf angesagt. Was kommt als nächstes?
Knapp 13 Milliarden Euro hat Amazon vergangenes Jahr in der Bundesrepublik eingenommen – damit ist Deutschland der wichtigste Auslandsmarkt für den US-Konzern. Mehr als zehn Prozent seines Gesamtumsatzes erwirtschaftet er hier. Mit allein rund 9,5 Milliarden im Kerngeschäft hat Amazon die bisherige deutsche Nummer eins im Bereich Non-Food, Media-Saturn, überholt.
Aber was heißt Non-Food? Mit dem Start von Amazon Fresh hat sich das Unternehmen im Mai auf den wohl härtesten Lebensmittelmarkt überhaupt gewagt. Nach Berlin und Hamburg soll bald München dran sein. Oder doch das Ruhrgebiet? In Bochum wird ein Verteilzentrum gebaut.
Bei mindestens 20 Prozent Wachstum rechnet Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein vor, wird alleine Amazons zusätzliches Handelsvolumen 2017 mehr als vier Milliarden Euro betragen – fast dreimal so viel, wie Kaiser's-Tengelmann zuletzt insgesamt umsetzte. „Fast ein Prozent des kompletten deutschen Einzelhandels wird sich zusätzlich zu Amazon verlagern.“ Der Handelsexperte glaubt dennoch, dass der Lebensmittelhandel für Amazon ein Nischenbereich bleiben wird. „In zwei Jahren sind vielleicht die Metropolen abgedeckt, doch ob Amazon überhaupt das ganze Land erreichen will, ist fraglich.“ Wahrscheinlicher sei eine Übernahme wie die der US-Supermarktkette Whole Foods – allerdings fehle das passende Äquivalent. „Whole Foods hat etwa die Umsatzgröße von Real. Aber Real ist aktuell sicher nicht erfolgreich genug aus Sicht von Amazon.“
Zurzeit fährt Amazon in Deutschland eine umfangreiche Fashion-Kampagne und greift so auch den erfolgreichen Berliner Händler Zalando an. Die größte Herausforderung für Wettbewerber ist aus Sicht von Heinemann aber Amazons kostenpflichtiger Premiumdienst Prime. „Das ist eine Einbahnstraße. Wer einmal dort ist, bleibt – den kriegen die anderen nicht zurück.“ Für den Branchenbeobachter steht fest: Deutsche Händler haben viel zu spät auf Amazon reagiert. „Wir werden nicht verhindern, dass eines Tages alle Kunden von Amazon sind.“
Eigene Abholstationen an Hochfrequenzlagen installiert Amazon derzeit vielerorts im Land. „Die spannende Frage ist, wie viel Prozent am E-Commerce künftig Voice-Bestellungen ausmachen.“ Amazon-Chef Jeff Bezos rechnet mittelfristig mit mindestens einem Drittel Umsatzanteil über das Gerät „Echo“, das auf Sprachkommando einkauft. Amazon zwingt einmal mehr alle in die Reaktion.
Standen traditionelle Einzelhändler bislang scheinbar geschlossen gegen Amazon, bricht diese Mauer nun auf. Rossmann, Tegut, Basic, Butter Lindner und nun auch Media Markt: Sie kooperieren, um die eigenen Umsätze zu sichern. „Ich glaube, dass wir uns noch wundern werden, wer am Ende alles auf den Marktplatz kommen wird“, sagt Heinemann. Opportunismus einerseits – und zugleich eine Bankrotterklärung, dass die Händler das Thema Online alleine nicht bewältigt haben. „Amazon ist eine gut geölte und eingestellte Maschine, die ihren Weg weiter geht.“