Deutschland-Chef von Amazon im Interview: "Alexa, back mir einen Zwetschgendatschi!"
Einst mit Büchern gestartet, konkurriert Amazon heute mit Supermärkten, Smart-Home-Herstellern und dem Rundfunk. Ein Gespräch mit Deutschland-Chef Ralf Kleber.
Herr Kleber, stört es, dass Sie Ihre Lebensmittel noch im Laden kaufen müssen?
(Lacht) Woher wissen Sie das, beobachten Sie mich?
Da Ihr Lieferdienst Amazon Fresh nach Berlin nun in Hamburg gestartet ist – und nicht München – gehe ich mal davon aus. Oder bestellen Sie bei der Konkurrenz?
Beim Einkaufen nutzen die meisten viele Kanäle, ich auch. Da ist der Bäcker, der Bioladen, der Supermarkt und auch Online dabei. Kunden lieben Vielfalt, nicht nur im Sortiment. Und da bieten wir nun mit Amazon Fresh einen weiteren Weg, frische Lebensmittel zu bestellen.
In diesem Jahr noch in weiteren Städten?
Wir planen natürlich schon weitere Standorte, aber wann und wo kann ich noch nicht verraten.
Wie viele sollen es Ende 2018 sein?
Schauen wir mal. Wir haben keine Eile. In Deutschland wird niemand verhungern, wenn wir keine Lebensmittel verkaufen. Wir wollen den besten Service für Kunden und probieren dafür viel aus. Unseren schnellen Lieferdienst Prime Now gibt es in Berlin und München, aber noch nicht Hamburg. Dabei überlegen wir, was Kunden an Artikeln des täglichen Bedarfs innerhalb von einer Stunde brauchen könnten, im Sommer sind das unter anderem Fahrradschläuche oder im Winter Eiskratzer. Und mit Amazon Pantry bieten wir schon seit Jahren Produkte für den täglichen Bedarf: Getränke, haltbare Lebensmittel, Putzmittel und anderes. Und Sie werden kaum einen Laden finden, der so viele Pastasorten oder Tees anbietet.
Obst und Gemüse sind etwas Anderes. Viele Wettbewerber wundern sich auch über die Preise – zahlen Sie drauf, um Kunden zu gewinnen?
Zu unserer wirtschaftlichen Kalkulation sage ich: Konsumenten haben natürlich eine gewisse Erwartungshaltung, wenn sie bestimmte Marken kaufen. Neben Verfügbarkeit und Geschwindigkeit ist der Preis generell eines der wesentlichen Merkmale, wenn wir unsere Angebote gestalten.
Die Kosten für Amazon Prime haben Sie in diesem Jahr aber deutlich von 49 auf 69 Euro erhöht. Rechnet es sich sonst nicht?
Wir haben die Entscheidung, den Preis für Prime anzupassen, nicht leichtfertig getroffen. Da wir die Vorteile kontinuierlich erweitern, sind die Kosten für die Bereitstellung dieser Services gestiegen. Zudem haben wir das Programm um ein umfangreiches Videoangebot ergänzt: Die Erfolge bestärken uns, ob es Emmys sind oder die Streamingzahlen, die wie bei der Serie „You Are Wanted“ mit Matthias Schweighöfer durch die Decke gingen. All dem trägt die Jahresgebühr Rechnung. Dafür bekommen die Kunden eine Kombination an schneller Zustellung, Zugang zu Angeboten wie Amazon Fresh bis hin zu kostenlosen Songs und Videos. Und jetzt sogar Audioübertragungen von erster und zweiter Bundesliga.
Wieso sollte ich denn bei Amazon Fußball hören?
Bei den bisherigen Radiokonferenzen kann man kein volles Spiel hören. Mein Fußballherz hängt beispielsweise an Kaiserslautern – keine Mannschaft, die man ständig live im Fernsehen sehen kann. Jetzt haben Fans wie ich eine einfache Möglichkeit, die Spiele zu hören, per Streaming sogar unterwegs.
Noch lieber wollen Fans ihre Teams sehen, in den USA zeigt Amazon bald Footballspiele der NFL. Übertragen Sie demnächst auch deutsche Ligen?
Warum nicht? Unsere Kunden lieben Videoinhalte. Es spricht nichts dagegen, dass wir uns Sportübertragungen in Deutschland widmen.
Und wann?
Noch gibt es nichts anzukündigen. Lassen Sie sich überraschen.
Mit all dem binden Sie die Kunden immer enger. Wie hoch ist der Anteil der Prime-Nutzer inzwischen?
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir diese Zahl gerne für uns behalten.
Amazon-Manager Kleber über "Alexa" und Lieferung per Drohne
90 Prozent aller Deutschen kaufen bei Amazon. Sie können nur noch wachsen, wenn die mehr und öfter bestellen, oder?
Genau so funktioniert Handel schon immer. Allerdings schaffen wir auch ständig neue Geschäftsfelder. Man darf Amazon ja nicht nur auf den Bereich des Onlinehandels reduzieren. Amazon hat Digitalangebote, das Cloudgeschäft Amazon Web Services oder Alexa... (Aus der Lautsprecherbox ertönt eine weibliche Stimme.) Oh, Guten Morgen, jetzt hab' ich Alexa geweckt.
Besser konnten Sie es nicht ansprechen. Alexa ist ein enormer Erfolg, Google und Apple ziehen nun nach. Löst die Spracheingabe den Touchbildschirm ab?
So viel seherische Fähigkeiten habe ich nicht. Noch sind wir aber zu sehr daran gewöhnt, den Umweg vom Kopf über die Finger zu gehen, um etwas einzutippen oder Knöpfchen zu drücken. Per Sprachbefehl könnte man vieles einfacher bedienen. Ich weiß zum Beispiel, wo ich am Backofen Ober- und Unterhitze einstellen muss. Aber will mein Nachwuchs noch lernen, dass dieses Radioaktiv-Zeichen Umluft bedeutet? Ich kann mir vorstellen, dass in Zukunft ein Kuchen nur noch in den Ofen geschoben wird und wir sagen: Alexa, back mir einen Zwetschgendatschi! Wenn die Sensoren im Ofen messen, dass er knusprig genug ist, sagt er Bescheid. An solchen Ideen arbeiten wir gemeinsam mit anderen Unternehmen. Es liegt dann natürlich auch am Kunden, was er davon will – es gibt ja auch heute noch Smartphone-Verweigerer.
Amazon hat die Bioladen-Kette Whole Foods gekauft und in New York gerade einen Buchladen eröffnet. Wann gibt es die erste Filiale in Deutschland?
Da frage ich Sie: Deutschland hat unendlich viele Buchläden, braucht es noch einen von Amazon?
Das sollten Sie beantworten. Gibt es denn in New York zu wenige?
Nein, nein. Auch in Seattle, wo Amazon seinen ersten Buchladen eröffnet hat, gibt es genug. Es geht da ja auch um die Verbindung mit Onlineangeboten, wie der Rezensionsplattform Goodreads. So werden in New York und Seattle Bücher besonders präsentiert, die gerade am häufigsten gelesen, am besten bewertet oder kontrovers diskutiert werden. Wenn wir uns versprechen, dass wir so näher mit Kunden in Kontakt treten können, dann ist das auch in Deutschland denkbar.
Auch Ihr futuristischer Supermarkt?
Amazon Go ist ein Shop, in dem Amazon vor allem Technologien testet, um einen kassenfreien Laden zu entwickeln. Denn die meisten Ladenbesitzer und Kunden könnten sicher auf die Kasse und die Schlange davor verzichten. Hierbei geht es uns auch eher um die Infrastruktur, die wir entwickeln. Denn wenn wir etwas gefunden haben, das für viele relevant ist, versuchen wir diese Infrastrukturen auch anderen anzubieten, wie zum Beispiel das Know-How bei der Speicherung von Daten und Rechenleistung in der Cloud bei Amazon Web Services.
Und was sagen Sie der Kassiererin?
Es entstehen schon heute viele neue Beschäftigungsmöglichkeiten. Das ist ja nicht die erste Transformation, die wir in Deutschland erfolgreich meistern. Früher gab es etwa mehr Jobs in der Fertigung oder in Bergwerken, heute dafür in der Dienstleistungsbranche. Wir haben allein bei Amazon in Deutschland seit unserer Gründung 14 500 feste Vollzeitarbeitsplätze geschaffen, in diesem Jahr kommen noch einmal 2000 dazu. In Deutschland ist die Angst vor Veränderungen bisweilen groß. Doch gerade wir sollten uns nicht sorgen, schließlich haben wir gerade die niedrigsten Arbeitslosenzahlen aller Zeiten.
Im Vorjahr wurden in Deutschland drei Milliarden Pakete geliefert, stößt die Bestellkultur nicht irgendwann an logistische Grenzen?
Nein, ich sehe in der Logistik noch viel Potenzial. Wir versuchen, Verpackungsmaterial zu vermeiden – und messen, wie viel Raum im Paket ist, um die Luft zu reduzieren. Aber auf der sogenannten letzten Meile gibt es noch viel Arbeit. Deswegen haben wir jetzt in München, Berlin und dem Ruhrgebiet eine eigene Zustellung. So sehen wir, wo Probleme sind und testen neue Transportkonzepte von der Elektromobilität bis zur Drohne.
Wovon versprechen Sie sich am meisten?
Vor allem vom Optimieren der Wege. Beispielsweise durch unsere Amazon Locker an den Shell-Tankstellen, bei Aldi oder dm, wo der Kunde eventuell sowieso vorbeikommt.
Wo gibt es diese Abholstationen überall?
Kunden rund um München, Augsburg, Berlin und in der Ruhrregion können bereits die Amazon Locker auswählen – als eine Lieferoption von mehreren.
Und wann liefern die Paketdrohnen?
Natürlich mutet das futuristisch an, aber für die schnelle Zustellung außerhalb der Ballungsräume ist die Drohne vielleicht die effizienteste Lösung. Außerdem sind fliegende Objekte interessant. Die Innenstädte sind auch durch den Lieferverkehr immer öfter verstopft, aber im Luftraum zwischen 50 und 100 Metern fliegt außer ein paar Amseln nichts. Für Deutschland forscht Amazon daran mit der TU Graz. Im britischen Cambridge gibt es schon die ersten Kundenzustellungen. Welche Rolle das letztlich im Alltag spielen wird, muss man sehen. Lassen Sie uns darüber nochmal in sieben Jahren sprechen.
Das Gespräch führte Oliver Voss.
DER MANAGER: Ralf Kleber (51) hat 1999 bei Amazon in Deutschland als Finanzdirektor angefangen. Seit 2002 ist er Chef von Amazon-Deutschland und damit der am längsten amtierende Landeschef des US-Konzerns. Zuvor hatte der Betriebswirt als Controller bei Kaufhof und Escada gearbeitet.
DER KONZERN Gerade ist der Lebensmittel-Lieferdienst Amazon Fresh nach Berlin auch in Hamburg gestartet. In den USA attackiert das Unternehmen den stationären Handel durch den Kauf der Bio-Kette Whole Foods für knapp 14 Milliarden Dollar. Ein Vorreiter war Amazon 2015 mit der Sprachassistentin Alexa und der intelligenten Lautsprecherbox Echo. Google und Apple ziehen nun mit ähnlichen Geräten nach.