Check24, Verivox und Co.: Warum Vergleichsportale weniger halten als versprechen
Sie werben mit Transparenz. Doch die Geschäftsmodelle von Check24, Verivox und Co. bleiben oft im Verborgenen. Nun hat die Politik reagiert.
Egal ob auf der Suche nach Flugtickets, einer Versicherung oder einem Stromanbieter – die Jagd nach billigen Preisen treibt Kunden massenweise zu Vergleichsportalen. Für Verbraucherschützer sind diese Fluch und Segen zugleich. Einerseits liefern sie Konsumenten in Sekundenschnelle einen hilfreichen Preisvergleich, andererseits bleibt unklar, wie die Ergebnisse zustande kommen und ob wirklich der gesamte Markt abgedeckt wird.
Wer etwa eine Urlaubsunterkunft buchen will und booking.com besucht, bekommt zwar eine Flut an verschiedenen Unterbringungsmöglichkeiten angezeigt, ob es allerdings nicht auch noch andere gegeben hätte, wird man nie erfahren. Stärken oder schwächen Vergleichsportale nun die Transparenz? Unterstützen sie Verbraucher oder Unternehmer? Wie kommt die Reihenfolge zustande? Und wie groß ist der tatsächliche Marktüberblick? Fragen, die Verbraucherschützer seit Jahren stellen.
Das Bundeskartellamt wollte Klarheit in die Diskussion bringen und startete 2017 eine sogenannte Sektoruntersuchung. Das ernüchternde Ergebnis: Verbraucher können sich nicht darauf verlassen das „tatsächlich beste Angebot zu bekommen“. Es kann sein, dass Verbraucher Entscheidungen treffen, die sie „bei vollständiger Kenntnis der Markttatsachen so nicht getroffen hätten“, heißt es in der Untersuchung. Bis Anfang Februar hatten die Plattform-Betreiber Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern und bei den Wettbewerbshütern ihre Stellungnahmen abzugeben.
Wie läuft das Geschäft?
Die Vergleichsportale, die vom Bundeskartellamt getadelt wurden, haben viele Namen – gleich 150 wurden geprüft. Die größten und bekanntesten deutschen Plattformen heißen Verivox, Check24, Expedia oder Ab-in-den-Urlaub. Sie sehen sich als Mittler, die Kunden lediglich zum besten Schnäppchen führen – gute Samariter sozusagen. Es gibt aber auch ein klares Geschäftsmodell dahinter: Die Haupteinnahmequelle der Betreiber sind Provisionen von Unternehmen, deren Dienste auf den Portalen vermittelt werden. Wenn Verbraucher etwa einen Flug buchen oder eine Versicherung abschließen, belohnen die davon profitierenden Unternehmen die Plattform für den Vertragsabschluss. Diese Provisionen machen – außer im Flugbereich – branchenübergreifend 90 Prozent der Einnahmen für die Besitzer der Plattformen aus. Das sei vielen Verbrauchern nicht klar, kritisieren Verbraucherschützer. „Die Betreiber sollen das an prominenterer Stelle anführen, nicht im Kleingedruckten“, meint Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern.
Wie groß ist der Marktüberblick?
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass manche Vergleichsportale mit ihren Suchergebnissen nicht einmal die Hälfte aller tatsächlichen Angebote in einem Markt abdecken. Gerade im Bereich von Hotelbuchungen stellten die Markthüter gravierende Mängel fest: Hier kommen portalübergreifend überhaupt nur provisionszahlende Anbieter in die Rankings, die Marktabdeckung liegt gerade einmal bei 25 bis 50 Prozent. Nur bei Versicherungs- und Kreditvergleichsportalen sind die Werte ähnlich schlecht.
Halm rät Verbrauchern daher achtsam zu sein: „Jeder Verbraucher muss sich bewusst sein, dass es sich bei Vergleichsportalen um keine neutralen Instanzen handelt, sondern um profitorientierte Unternehmen mit spezifischen Interessen.“ Verbraucher sollen „einen zweiten und dritten Blick“ auf Angebote werfen. Vergleichsportale seien gut für die Orientierung, Nutzer sollten sich aber verschiedene konkurrierende Plattformen und auch die ursprünglichen Homepages der Anbieter anschauen, bevor sie tatsächlich Geld ausgeben.
Was sagen die Betreiber?
ProSiebenSat.1 ist Eigentümerin von Portalen wie Verivox, billiger-mietwagen.de und CamperDays und hat inzwischen die Flucht nach vorne angetreten: Noch bevor die Frist für Stellungnahmen beim Bundeskartellamt ablief, präsentierte das Medienunternehmen bereits neue Richtlinien für die konzerneigenen Plattformen. Danach will das Unternehmen für einen „umfangreichen, zukunftsorientierten Verbraucherschutz“ sorgen – die Ausführungen bleiben allerdings recht vage. „Es ist natürlich schön, wenn ein Anbieter für mehr Transparenz sorgen will, aber wer soll das kontrollieren oder sanktionieren?“, kritisiert Verbraucherschützerin Halm. Lundquist Neubauer, Sprecher von Verivox, will das aber so nicht stehen lassen: „Wir haben das der Öffentlichkeit vorgestellt, und der öffentliche Druck ist unsere Kontrolle.“ Verivox hoffe generell auf Nachahmer in der Branche: „Wir wollen Vorreiter sein.“ Gesetzlichen Lösungen für die gesamte Branche verschließe man sich jedenfalls nicht, so Neubauer.
Was sagt die Politik?
Im Bundesjustizministerium begrüßt man die Selbstverpflichtung als interessante Initiative. „Das Ministerium ist an einer Weiterentwicklung interessiert, damit eine Verbesserung der Transparenz bei Verbraucherportalen erreicht wird. Dem sollten sich auch andere Unternehmen der Branche widmen“, sagte eine Sprecherin auf Tagesspiegel-Anfrage.
Ganz ernst werden die selbst auferlegten Regeln scheinbar aber auch im ProSiebenSat.1-Imperium noch nicht genommen. Neubauer räumt ein, dass man noch nicht alles umgesetzt habe. „Wir arbeiten die nächsten Wochen daran.“ Bis spätestens April soll der Prozess abgeschlossen sein. Verivox kündigt beispielsweise an, „entsprechend auf die Unvollständigkeit des Angebots hinzuweisen“ und zwar „auf der Startseite des Portals sowie auf den Ergebnisseiten der Suchanfragen“. Online ist davon aber derzeit noch nichts zu finden. Ganz im Gegenteil wird von Verivox sogar noch extra auf die „umfassende Marktabbildung“ hingewiesen.
Was macht das Kartellamt?
Rund 30 Stellungnahmen seien beim Bundeskartellamt eingegangen, erklärt Kay Weidner, Sprecher der Behörde. Derzeit werden diese ausgewertet und in einen Endbericht eingearbeitet, der noch vor dem Sommer veröffentlicht werden soll. „Die Inhalte der Stellungnahmen sind natürlich je nach Interessenlage der Verfasser sehr unterschiedlich. Der Schwerpunkt der Stellungnahmen betrifft den Hotelvergleich und dort das Thema Ranking“, so Weidner. Die Portalbetreiber würden vor allem eine möglichst differenzierte Darstellung einfordern, um eine öffentliche Pauschalkritik zu verhindern.
Was plant der Gesetzgeber?
Das ist noch unklar. Im Bundesjustizministerium verweist man auf den Koalitionsvertrag. Dort steht, dass für mehr Transparenz bei Vergleichsportalen gesorgt werden soll. „Ein nationaler Alleingang macht wenig Sinn, wir wollen das Problem auf europäischer Ebene angehen“, heißt es aber auf Anfrage im Ministerium.
Und dort tut sich was. Auf EU-Ebene gibt es schon intensive Verhandlungen für eine europäische Richtlinie im Umgang mit Vergleichsportalen. Mitte Februar kam es bereits zu einer Einigung, die Unternehmen besser schützen soll, wenn sie auf Online-Portalen ihre Waren oder Dienstleistungen anbieten. Das ist Teil der EU-Strategie für einen digitalen Binnenmarkt. Eine EU-Richtlinie für besseren Verbraucherschutz soll noch vor den Europa-Wahlen folgen.
Verbraucher müssen auf die konkrete Umsetzung dann aber nochmals warten – Mitgliedstaaten werden üblicherweise Übergangsfristen eingeräumt, wenn solche Richtlinien beschlossen werden. In diesem Fall werden es aber maximal 24 Monate sein, erwartet man im Bundesjustizministerium. Die Verordnung soll dann gesetzlich regeln, wie etwa die Rankings der Vergleichportale zustande kommen dürfen – und Selbstverpflichtungen überflüssig machen.
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