Rubel wieder auf Vorkriegsniveau: Warum Russland trotzdem auf einen Staatsbankrott zusteuert
Dass Moskau erstmals Schulden in Rubel statt in Dollar zurückgezahlt hat, zeigt, dass die Sanktionen wirken. Mit möglicherweise langfristigen Folgen.
Blickt man auf den Rubel-Kurs, könnte man meinen, es sei nichts geschehen. Mit einem Wechselverhältnis von 79 Rubel für einen US-Dollar war die russische Währung am Donnerstag wieder in etwa so viel wert wie vor dem Angriff auf die Ukraine. Damals lag der Wert bei 78 US-Dollar.
Nach Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar war der Kurs des Rubel zunächst eingebrochen, zeitweise wurde für einen Dollar bis zu 177 Rubel gezahlt. Doch seither hat sich der Kurs trotz aller westlichen Sanktionen wieder gesteigert und stabilisiert. Warum? Und was bedeutet das für Russlands Finanzen?
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Einen Grund für die Erholung des Rubel sieht Devisenexperte Tatha Ghose von der Commerzbank in den hohen Zinsen in Russland. Die Notenbank des Landes hatte den Leitzins Ende Februar auf 20 Prozent verdoppelt. Darüber hinaus verwies der Commerzbank-Experte auf strenge Kapitalkontrollen. Die Notenbank hat die Ausfuhr von Devisen begrenzt.
Hinzu kommt, dass die Sanktionen die russischen Außenhandelsbilanz sogar verbessern. Denn Gas und Öl wurde zumindest in den vergangenen Wochen weiterhin exportiert, Importe gibt es aber kaum noch. „Die Handelsbilanz dürfte sich nach den Sanktionen verbessern“, so Ghose. Mit den Sanktionen der westlichen Industriestaaten gegen die russische Zentralbank gilt der Rubel zwar nicht mehr als frei handelbare Währung. Am Devisenmarkt wird die Währung aber mit Einschränkungen gehandelt, was einen Rubel-Wechselkurs ermöglicht.
Schulden werden in Rubel bezahlt
Doch auch ein stabiler Rubel dürfte Russland langfristig finanziell nicht retten. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass Putins Regime die fälligen Tranchen seiner Auslandsschulden erstmals nur in Rubel beglichen hat. Es geht um Zahlungen für zwei bis 2022 und 2042 laufende Staatsanleihen über 649,2 Millionen Dollar (595,3 Millionen Euro).
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Die Vertragsbedingungen für die beiden russischen Bonds sehen eigentlich vor, dass die Schulden in Dollar und nicht in Rubel beglichen werden. Die Ratingagenturen Fitch und S&P hatten vor einigen Wochen klargemacht, dass sie es als Zahlungsausfall werten würden, wenn der Schuldendienst in einer anderen Währung als der vereinbarten erfolgen würde.
Die Zahlungsunfähigkeit ist in Russlands Fall allerdings nur technischer Natur. Das heißt, Russland hat eigentlich genug US-Dollar, kommt aufgrund der Sanktionen aber nicht an die ausländischen Devisen heran. Das Finanzministerium in Washington hinderte die russische Regierung in aktuellen Fall wohl daran, die fälligen Zahlungen aus den bei US-Banken gehaltenen Devisenreserven zu leisten, was bislang noch möglich war. Dem Vernehmen nach war es die US-Großbank JP Morgan Chase, die vom Finanzministerium dabei gestoppt wurde, Russlands Geschäft in US-Dollar abzuwickeln.
Schulden bezahlen oder Krieg bezahlen?
Das Weiße Haus erklärte, Russland habe nun die Wahl, die Dollar, über die Moskau im Inland noch verfügen kann, zur Schuldentilgung zu verwenden oder in einen Staatsbankrott zu laufen. So soll der Kreml daran gehindert werden, die für ihn noch verfügbaren Dollar für den Krieg auszugeben.
Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte dazu, es gebe keinen Grund für einen Staatsbankrott. „Russland verfügt über alle nötigen Ressourcen, um seine Auslandsschulden zu bezahlen“, betonte er. Zugleich klagte aber er, dass „erhebliche Summen unserer Reserven“ im Ausland eingefroren und blockiert seien. „Theoretisch könnte eine Ausfallsituation geschaffen werden“, räumte Peskow ein. Das wäre aber eine „künstliche Situation“.
Insgesamt hat Russland 15 internationale Anleihen mit einem Nennwert von rund 40 Milliarden Dollar ausstehen. Ein Staatsbankrott wäre für Russland ein Problem, weil damit der Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten über Jahre erschwert sein könnte – nämlich bis die Gläubiger ausgezahlt und alle daraus resultierenden Rechtsstreitigkeiten beigelegt sind. (mit dpa)