Geschäfte geschlossen, Böllerverkauf verboten: Warum Ökonomen den Lockdown gut finden
Einzelhändler und Hersteller von Feuerwerkskörpern fürchten jetzt um ihre Existenz. Dabei gibt es auch wirtschaftliche Gründe für den Shutdown. Ein Überblick.
Deutschland geht ab Mittwoch in einen harten Lockdown. Das trifft vor allem den deutschen Einzelhandel stark. Außer Supermärkten und Drogerien müssen alle Geschäfte schließen. Der Einzelhandel aber macht vor Weihnachten das Geschäft des Jahres - ebenso wie die Hersteller von Böllern und Raketen. Die dürfen in diesem Jahr nicht verkauft werden. Ökonomen halten den Schritt dennoch für richtig.
Wie reagiert der Einzelhandel?
Zu keiner Zeit im Jahr verdienen die deutschen Einzelhändler so viel Geld wie in den Tagen vor Weihnachten. Der Handelsverband (HDE) schätzt nun, dass die Umsätze aufgrund des Lockdowns im Dezember um 60 Prozent einbrechen werden.
Geschäftsinhaber müssten also auf insgesamt zwölf Milliarden Euro an Einnahmen verzichten. Ausgenommen sind bei dieser Rechnung die Lebensmittelhändler, die weiter geöffnet haben werden. „Dass viele Händler jetzt mitten im Weihnachtsgeschäft, der umsatzstärksten Zeit des Jahres, zusperren müssen, trifft die Branche und die Innenstädte hart“, sagt HDE-Geschäftsführer Stefan Genth.
Die Überbrückungshilfen, die die Bundesregierung in Aussicht gestellt hat, reichen seiner Ansicht nach nicht aus. Sie decken ausschließlich die Fixkosten wie die Miete ab. Genth hingegen fordert, dass den Händlern auch ein Teil ihrer Umsätze ersetzt wird – so wie es bei der Gastronomie derzeit der Fall ist.
„Wenn wir mit dem Handel die Kernbranche unserer Stadtzentren weitgehend in die Insolvenz zwingen, ist das nach der Krise nicht einfach wieder zu beheben“, sagte Genth. „Deshalb muss die Politik jetzt mit einem starken Hilfsprogramm dafür sorgen, dass es nicht zu einer nicht mehr wieder gut zu machenden Pleitewelle kommt.“
Vor den Gesprächen der Ministerpräsidenten hatten sich bereits 28 Einzelhandelsketten mit einem Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt. „Bei einem erneuten Lockdown droht dem Handel eine Erosion, die menschlich, kulturell und auch wirtschaftlich nicht nur desaströse Folgen, sondern irreparable wirtschaftliche Auswirkungen nach sich zieht“, zitiert die „Bild“ aus dem Schreiben.
Derweil werden die Onlinehändler vom Shutdown erneut profitieren. Die Grünen fordern deshalb, sie an den Kosten zu beteiligen. Dass die großen Onlinehändler "ihre Milliardengewinne kaum versteuern müssen, ist nicht nachvollziehbar und den vielen Menschen, die im Einzelhandel arbeiten und kleine Geschäfte betreiben auch nicht mehr erklärbar", sagte Britta Haßelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, am Sonntag.
Die Bundesregierung müsse sich auch deshalb jetzt zügig für eine Digitalsteuer einsetzen. "Dieses Steuergeld könnte zur Rettung der Innenstädte eingesetzt werden", meint Haßelmann.
Welche wirtschaftlichen Folgen hat das Böllerverbot?
Angst vor der Pleite haben jetzt auch die Hersteller von Böllern und Raketen. Sie leiden unter dem Verkaufsverbot. Im Zweifel drohe die Insolvenz des gesamten Wirtschaftszweigs, erklärte Thomas Schreiber, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der pyrotechnischen Industrie (VPI), am Sonntag. Der Verband fordert einen vollen Ausgleich für die Umsatzverluste im dreistelligen Millionenbereich. Da die Branche 95 Prozent ihrer Jahreserlöse im Dezember erwirtschafte, befürchteten Verbandsjuristen, dass Unternehmen bei den Überbrückungshilfen leer ausgehen.
„Wir brauchen gesonderte Hilfsgelder, um die 3000 Einzelexistenzen in der Branche zu sichern“, erklärte Schreiber. Was die Lage verschärft: Feuerwerk ist ein Kommissionsgeschäft. Der Handel muss also nicht für die Raketen und Böller zahlen, die er bestellt hat und nun nicht verkaufen darf. Der Schaden bleibt bei den Herstellern hängen: Sie haben im vergangenen Jahr 130 Millionen Euro Umsatz gemacht.
Was sagen Ökonomen?
Führende Ökonomen stellten sich hingegen hinter die Entscheidung der Bundesregierung. Zum Beispiel Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Der harte Lockdown über Weihnachten ist auch wirtschaftlich richtig, weil über Weihnachten viele Betriebe und die Schulen ohnehin zu sind“, schrieb er am Sonntag auf Twitter. Der Lockdown könne als Investition verstanden werden. „Ohne ihn droht ab Mitte Januar ein noch härterer und längerer Lockdown“, so Fuest.
Auch Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hält den Shutdown für „richtig und überfällig“. Er meint: „Die Politik muss nun eine hohe Akzeptanz dafür schaffen um die zweite Welle zu stoppen, denn ein Shutdown über den 10.1. hinaus würde einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen.“
Fratzscher und Fuest stützen damit Peter Altmaier (CDU) den Rücken. Der Bundeswirtschaftsminister sagte am Sonntag: "Je schneller wir mit den Infektionszahlen nach unten kommen, desto schneller geht es für unsere Wirtschaft auch wieder bergauf." Altmaier berief sich zudem auf die vereinbarte Überbrückungshilfe III, über die vom Shutdown betroffene Unternehmen bis zu 500.000 Euro erhalten sollen.
Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, geht davon aus, dass der Lockdown die Wirtschaft insgesamt weniger stark treffen wird als im Frühjahr. „Wir können mit einem Lockdown wesentlich besser umgehen als beim ersten Mal“, sagte er und fügte hinzu: „Das Verarbeitende Gewerbe und die Ausfuhr sind kaum betroffen.“ Schmieding rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung nun im vierten Quartal statt um ein Prozent nun um 1,8 Prozent nachgeben wird. (mit dpa)
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität