Lebensmittel-Kennzeichnung: Warum Klöckner den Nutri-Score jetzt doch einführt
Seit Jahren sprach sich die Ministerin gegen eine farbige Kennzeichnung von Lebensmitteln aus. Eine selbst in Auftrag gegebene Umfrage lässt ihr nun keine Wahl.
Julia Klöckner wollte es spannend machen. Keine Information über das Ergebnis ihrer Umfrage hatte vor ihrer Pressekonferenz am Montag in Umlauf kommen dürfen. Selbst vor Ort suchten die Journalisten vergeblich nach der sonst üblichen Mappe mit Presseinformationen. Es sollte der Ernährungsministerin vorbehalten sein, das Ergebnis der von ihr initiierten repräsentativen Befragung zu verkünden, welche Art der Lebensmittelkennzeichnung beim Verbraucher am besten ankommt.
Es werde, so hatte sie bereits vorher erklärt, entscheidend dafür sein, welches System in Deutschland eingeführt wird. Und dann versteckte sie den Sieger so beiläufig in einem Redeschwall über die Ziele ihrer Ernährungspolitik, dass man den entscheidenden Satz fast überhört hätte: „Wir werden einen Verordnungsentwurf für den Nutri-Score vorlegen.“
Der Nutri-Score also, das Symbol, das mit einer Farbskala von grün bis rot auf den ersten Blick verdeutlichen soll, wie viel das so gekennzeichnete Produkt zur täglichen Ernährung beitragen soll. „Er ist auf den ersten Blick erfassbar, leicht zu verstehen und nutzt die eingängige, bereits gelernte Farbenwelt einer Ampel“, erklärte die CDU-Ministerin. Gleichzeitig betonte sie allerdings auch die Schwächen des Nutri-Scores. Er sage nichts darüber aus, wie gesund oder ungesund ein Lebensmittel ist. Verbraucher erwarteten aber vor allem eine zusammenfassende Bewertung, die schnelle Orientierung gibt, sagte sie weiter. „Weitere Informationen kann man weiterhin der Nährwerttabelle sowie der Zutatenliste auf der Rückseite entnehmen.“
Lobby-Schlacht tobt seit Jahren
Die Entscheidung beruht auf einer Befragung von 1600 Personen, die das Marktforschungsinstitut Info durchgeführt hat. 57 Prozent der Befragten sprachen sich für den Nutri-Score aus. Zur Auswahl standen drei weitere Modelle, die nach Ansicht der Ministeriums wissenschaftlichen Anforderungen standgehalten hätten.
Zum einen das vom Max Rubner Institut entwickelte System, das in Form von fünf Waben eine Sterne-Beurteilung vergibt. Dafür sprachen sich 28 Prozent aus. Außerdem das in skandinavischen Ländern genutzte Keyhole-Modell, bei dem empfehlenswerte Produkte mit einem grünen Schlüsselloch bedruckt werden. Das überzeugte nur sieben Prozent. Und zuletzt eine Art Tortendiagramm, das vom Lebensmittelverband BLL entworfen wurde; fünf Prozent sprachen sich dafür aus.
Der Streit über die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln tobt schon seit Jahren. Große Teile der Lebensmittelindustrie sprachen sich dabei vehement gegen die farbliche Kennzeichnung ihrer Produkte aus und legten immer wieder Studien vor, die diese Sichtweise untermauern sollten. Verbraucherschützer hatten sich hingegen schon lange auf ein Ampelsystem festgelegt. Die Nutri-Score-Ampel müsse unabhängig von den Ergebnissen der Umfrage in Deutschland ins Regal kommen, hatte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker am Montag noch vor der Vorstellung der Ergebnisse gefordert.
2020 könnte der Nutri-Score im Regal liegen
Klöckner hatte sich schon früh in ihrer Amtszeit gegen eine farbige Kennzeichnung ausgesprochen. Gern führte sie als Argument gegen eine einfache Lebensmittelampel frischen Orangensaft an. Aufgrund des hohen Zuckergehaltes könne er mit einer roten Kennzeichnung versehen werden, während die zuckerfreie Cola-Light daneben im Regal einen grünen Button erhalten könnte. Ein falsches Signal, wie die Ministerin fand. Im Frühjahr dieses Jahres versuchte sie, eine Studie, die den Nutri-Score positiv bewertete, nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.
Dass Klöckner mit dem Nutri-Score nun dennoch eine farbliche Kennzeichnung einführen wird, kann durchaus als Überraschung gewertet werden. Doch da sie die Befragung selbst als einziges Entscheidungskriterium erklärt hatte, bleibt ihr aber keine andere Wahl.
Da mit dem Streit über die Kennzeichnung viel Zeit verloren ging, läuft Deutschland nun anderen Ländern hinterher. In Frankreich gibt es den Nutri-Score bereits, auch Belgien, Spanien, Portugal und Luxemburg haben sich bereits für dieses System ausgesprochen. Verpflichtend ist es allerdings nicht, auch in Deutschland wird es das nicht sein. „Wir müssen seriös sein“, erklärte Klöckner zur Kritik, es habe zu lang gedauert. Das EU-Recht schreibe eine solche Umfrage vor. Nun soll die Verordnung noch ins Bundeskabinett und in den Bundesrat. Anfang 2020 könnte der Nutri-Score in den Regalen liegen, so Klöckner.
Teile der Lebensmittelindustrie haben sich bereits auf den Nutri-Score eingestellt. So hat der Tiefkühlhersteller Iglo schon Anfang des Jahres Produkte mit dem Nutri-Score bedruckt. Das Landgericht Hamburg untersagte das allerdings. Auch Marken wie Danone oder Bofrost nutzen das System bereits, Supermärkte wie Aldi, Rewe, Edeka oder Netto haben bereits signalisiert, dass sie offen für die Einführung sind.
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