Ende der Computermesse: Warum die Cebit eingestellt wird
Seit Jahren verlor sie an Anziehungskraft, auch ein neues Gewand half nicht. Jetzt zieht die Deutsche Messe die Reißleine: Die Cebit ist am Ende.
Die Kanzlerin hat offenbar geahnt, dass es mit der Cebit zu Ende geht. Erstmals hatte sie in diesem Jahr die traditionelle Eröffnung der IT-Messe abgesagt und das ausgerechnet als die Veranstalter einen furiosen Neustart versuchten: Nach Jahren des Besucher- und Bedeutungsverlustes, hatten sie die Cebit in den Sommer verlegt und versucht, daraus wieder ein cooles Event mit Festivalcharakter zu machen.
Dieser Plan ist jedoch gescheitert. Die Deutsche Messe AG sagte die für Ende Juni geplante Messe ab und erklärte: „Es wird künftig keine Cebit mehr in Deutschland geben.“ Die Besucherzahl war in diesem Jahr noch einmal von 200 000 auf 120 000 gesunken – in den Spitzenzeiten um die Jahrtausendwende waren noch bis zu 850 000 Menschen nach Hannover gekommen.
Nur ein Drittel der Aussteller buchten wieder
Und auch immer mehr große Unternehmen hatten auf einen teuren Messeauftritt verzichtet. So hatte nach Microsoft auch die Deutsche Telekom in diesem Jahr keinen eigenen Messestand gebucht. Die Tendenz hat sich offenbar noch verstärkt. Nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ waren bislang erst 6000 Quadratmeter vermietet - zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr war es eine dreimal so große Fläche gewesen. Da offenbar auch keine Besserung in Aussicht war, fürchteten die Deutsche Messe und ihre beiden Anteilseigner, die Stadt Hannover und das Land Niedersachsen, massive Verluste und zogen die Notbremse. Der Niedergang der Cebit hat verschiedene Ursachen. Wesentlich ist jedoch die Auffächerung der Digitalwirtschaft und die damit verbundene Zunahme an Konkurrenzveranstaltungen. Während Bill Gates 1995 noch das neue Windows vor der Veröffentlichung in Hannover vorstellte, wurden die wirklichen Weltneuheiten in den vergangenen Jahren immer weniger. Viele Konzerne wie Apple und Google präsentieren ihre neuen Entwicklungen inzwischen auf eigenen Veranstaltungen, so müssen sie sich die Aufmerksamkeit des Publikums nicht mit der Konkurrenz teilen.
Vielfältige Konkurrenz für die Cebit
Dazu kommen neuere Veranstaltungen wie die Mobilfunkmesse Mobile World Congress in Barcelona oder die oft zeitgleich zur früheren Cebit stattfindende Digitalkonferenz South by Southwest im texanischen Austin, die der Cebit immer mehr den Rang abgelaufen haben. Für Computerspiele oder Start-ups gibt es ebenfalls eigene Veranstaltungen. Während die CES in Las Vegas und auch die Berliner Ifa mit dem Fokus auf Unterhaltungselektronik ihre Relevanz sichern oder sogar steigern konnten, tat sich die Cebit als Universalcomputermesse so immer schwerer. „Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen“, sagt der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). „Die CeBIT ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges."
Die Macher reagierten mit mehrfachen Strategiewechseln und verschoben den Fokus immer mal wieder von Fachbesuchern auf Endkonsumenten und zurück. So versuchte die Cebit phasenweise, sich von den als „Beutelratten“ verschmähten Privatbesuchern zu trennen, die auf der Jagd nach Werbegeschenken und speziell auf Business-Kunden ausrichten. Doch damit machten sie die Lage eher noch schlimmer.
Auch die Neupositionierung im Vorjahr funktionierte offenbar nicht. Die Devise lautete: Event statt Messe, Streetfood statt Bratwurst. Doch auch wenn viele Besucher die entspannte Partyatmosphäre mit Riesenrad lobten, wurden die relevanten Geschäftsabschlüsse immer weniger. Konzerte lockten zwar junges Publikum am Abend, doch viele Unternehmer klagten über zu wenige Fachbesucher.
Einst von Hannover Messe abgespalten: Zurück zum Ursprung
Gerade die relevanten Geschäftskunden waren auch immer mehr zur Hannover Messe abgewandert. Durch die Digitalisierung aller Branchen ist die weltgrößte Industriemesse für die meisten Unternehmen offenbar genauso oder besser geeignet, um über das Internet der Dinge, Big Data oder Künstliche Intelligenz zu diskutieren und die neusten Lösungen in diesen Bereichen vorzustellen und zu begutachten. Die deutsche Wirtschaft habe in den vergangenen Jahren immer wieder thematische Überschneidungen der Cebit und der weitaus größeren Hannover Messe beklagt, sagte Deutsche-Messe-Vorstandschef Jochen Köckler. Die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre habe gezeigt, „dass eine Horizontalmesse wie die Cebit in der digitalen Wirtschaft zunehmend auf rückläufige Nachfrage stößt“, erklärten die Veranstalter. Die „industrienahen Digitalthemen“ sollen künftig auch in die Hannover Messe eingebunden werden. Somit kehrt die Cebit gewissermaßen zu ihren Ursprüngen zurück, denn sie war einst aus der Hannover Messe hervorgegangen. 1986 hatte erstmals die Cebit, ein Akronym für „Centrum für Büroautomation, Informationstechnologie und Telekommunikation“ als eigenständige Veranstaltung stattgefunden. Die Premiere wurde gleich von einem Todesfall überschattet. Der Computerpionier Heinz Nixdorf brach auf einer Messe-Party auf der Tanzfläche mit einem Herzinfarkt zusammen und starb. 32 Jahre später wird auch die lange wichtigste deutsche Digitalmesse beerdigt.
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