Künstliche Intelligenz: Warum der Putzroboter besser ist als ein selbstfahrendes Auto
Deutsche trauen künstlicher Intelligenz bislang nur begrenzt. Und Heiko Maas warnt: Falsche Gesichtserkennung kann zur Verurteilung Unschuldiger führen.
An jemanden wie Relay könnten sich auch die Deutschen gewöhnen. In den USA verteilt der Roboter bereits frische Handtücher, Essen und Getränke im Hotel. Alleine bewegt sich der kastenförmige Helfer dabei durch die Flure, ruft per W-Lan den Fahrstuhl. Das Besondere an Relay: Weil er mit Sensoren und künstlicher Intelligenz ausgestattet ist, erkennt er, wenn ihm jemand entgegenkommt. Er stolpert auch nicht über die Koffer im Flur oder rollt in den Fahrstuhl, wenn der bereits voll besetzt ist. Wie ein Mensch hat Relay gelernt, Hindernisse zu erkennen, sich in Räumen zurechtzufinden. Seine künstliche Intelligenz ersetzt das menschliche Gehirn.
Ein Auto, das selbst lenkt? Hilfe!
Glaubt man einer Studie, die die Unternehmensberatung PWC am Dienstag vorgestellt hat, kann sich bereits mehr als die Hälfte der Deutschen vorstellen, intelligente Roboter wie Relay zu nutzen. Noch ist das allerdings eines der wenigen Anwendungsfelder, bei denen die Verbraucher bereit wären, künstliche Intelligenz in ihrem Alltag zu akzeptieren. So würden zwar die meisten Deutschen (58 Prozent) den Maschinen das Putzen der Wohnung überlassen. Beim Autofahren aber hört das Vertrauen auf: Gerade einmal ein Drittel würde sich von einem selbstfahrenden Auto chauffieren lassen. Dass der Wagen selbstständig lenkt, bremst und Gas gibt, ist den Deutschen noch immer ebenso suspekt wie die Vorstellung, der Computer könne ihnen Entscheidungen abnehmen, für sie ans Telefon gehen oder an Besprechungen teilnehmen. Generell sagen noch immer 51 Prozent, künstliche Intelligenz löse bei ihnen „negative Emotionen“ aus, sie mache ihnen Angst.
Angst vor Kontrollverlust
PWC-Expertin Susanne Arnoldy kann das Unbehagen der Deutschen durchaus verstehen. „Der Aufstieg der künstlichen Intelligenz bedeutet eine Zäsur vergleichbar mit der Industrialisierung“, sagt sie. Zumal es diesmal längst nicht nur um die Furcht vor dem Jobverlust geht wie Anfang des 20. Jahrhunderts, als Maschinen Handarbeit in vielen Bereichen überflüssig machten. Heute kommt noch die Angst dazu, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren. Denn was passiert, wenn wir den Computern die Entscheidung darüber überlassen, wer einen Kredit von der Bank bekommt und wer nicht? Wenn die Maschine auswählt, welcher Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird? Wenn sie entscheidet, welcher Patient operiert wird und bei wem ein Eingriff nichts mehr bringt?
All das sind Fragen, die längst nicht nur die Verbraucher beschäftigen. Auch Experten sind uneins, wie viel man Maschinen vertrauen kann und sollte. So hat Tesla-Chef Elon Musk kürzlich eine neue Debatte entfacht, als er erklärte, künstliche Intelligenz sei „die größte Bedrohung, der wir als Zivilisation gegenüberstehen“. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, dessen Unternehmen selbst mit lernenden Maschinen experimentiert, konterte prompt: „Wer gegen künstliche Intelligenz argumentiert, argumentiert gegen sicherere Autos und gegen bessere Diagnosen für Kranke.“ Inzwischen hat Musk seine Kritik etwas relativiert und gesagt, er lehne künstliche Intelligenz nicht per se ab. Man müsse aber sicherstellen, dass sie tatsächlich Vorteile bringe und „nichts Dummes passiert”.
Wenn die Technik den Mensch übervorteilt
Das zeigt, wie sehr man über den Einsatz von künstlicher Intelligenz streiten kann. So kann die neue Technologie die Menschheit einerseits unglaublich voranbringen. Zum Beispiel sollen selbstlernende Computer auf Röntgenbildern besser Krebsgeschwüre erkennen können als selbst der geschulte Arzt. Auch sollen Maschinen dank künstlicher Intelligenz besser gewartet werden können, schlaue Roboter sollen in der Altenpflege aushelfen, die neue Technologie soll Züge pünktlicher machen und das Feld für den Landwirt ohne dessen Zutun bestellen. Das alles ist ein Fortschritt.
Andererseits kann uns die Technologie aber auch schnell übervorteilen. Schließlich heißt künstliche Intelligenz: Die Maschinen sind so programmiert, dass sie sich selbst etwas beibringen. Und das kann auch nach hinten losgehen. So hat Facebook kürzlich einen Versuch abbrechen müssen, bei dem zwei Sprachroboter sich unterhielten. Hatten die beiden Bots Alice und Bob ihr Gespräch auf Englisch begonnen, entwickelten sie mit der Zeit eine Art Geheimsprache, die selbst Programmierer nicht mehr verstanden.
Auch Computer können Menschen diskriminieren
Problematisch wird der Einsatz künstlicher Intelligenz dann, wenn der Computer zu schlau wird. Wenn er Entscheidungen trifft, die unser Leben beeinflussen – ohne, dass wir noch nachvollziehen können, wie er zu diesen Entscheidungen kommt. Viele Politiker vertreten daher die Ansicht, die Menschen müssten ein Stück weit vor den Maschinen geschützt werden. So sieht die neue Datenschutzgrundverordnung der EU ab 2018 vor, dass Entscheidungen, die Auswirkungen auf Verbraucher haben, nicht ausschließlich voll automatisch getroffen werden dürfen. Die letzte Kontrolle will der Mensch also nicht aus der Hand geben.
Das ist vor allem deshalb wichtig, weil längst nicht gesagt ist, dass die Maschine wirklich immer die richtigen Entscheidungen trifft. So können auch Computer Menschen zum Beispiel diskriminieren. Verbraucherminister Heiko Maas führt als Beispiel die automatische Gesichtserkennung an, die in den USA vor Gericht bereits als Beweismittel verwendet werden darf. Wissenschaftler hätten festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, aufgrund dieser Gesichtserkennung fälschlicherweise verurteilt zu werden, bei Afro-Amerikanern sehr viel höher ist als bei Nicht-Afro-Amerikaner. Maschinen sind also nicht perfekt – vor allem nicht, wenn sie von Menschen lernen. Maas fordert deshalb bereits ein „digitales Antidiskriminierungsgesetz“. „Technischer Fortschritt darf nicht zu gesellschaftlichem Rückschritt führen“, sagt er.
Zumindest Robotern wie Relay dürfte das aber keinen Abbruch tun – ob sie nun im Hotel Handtücher verteilen oder im Krankenhaus das Mittagessen ausgeben. Trinkgeld braucht man Relay übrigens nicht zu geben. Statt Münzen wünscht er sich etwas anderes: dass man ihn in Sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook erwähnt. Die digitale Währung für digitale Helfer.