Real-Supermärkte werden verkauft: Warum der Metro-Chef mit seinem Deal viele Enttäuschte schafft
Mit dem Verkauf der Real-Märkte will Olaf Koch seine Karriere an der Metro-Spitze krönen – er schafft sich aber Feinde. So kam es zu dem umstrittenen Geschäft.
Schon vor einem Jahr hätte Olaf Koch am liebsten gar nicht über Real gesprochen. Auch auf der Hauptversammlung im Februar 2019 war bereits bekannt, dass der Metro-Chef die wirtschaftlich marode Supermarktkette verkaufen will. Bis Mai werde es so weit sein, versprach Koch damals. Doch aus Mai wurde September, aus September wurde das Jahresende, und Real gehörte immer noch zu Metro.
Nun ist es doch gelungen. Am Dienstagabend teilte Metro mit, Real verkauft zu haben. Die Investmentgesellschaft SCP Group mit Sitz in Luxemburg werde alleiniger Eigentümer des stationären Real-Geschäfts mit seinen 276 Standorten, der Online-plattform real.de sowie von 80 Immobilien. Strategischer Partner wird die X+Bricks Group, die die Immobilien neu am Markt platzieren soll.
Der Verkauf ist das Ende eines ereignisreichen Geschäftsjahres, in dem Koch eine feindliche Übernahme abgewehrt hat, das China-Geschäft gewinnbringend veräußert hat – und bei Real zahlreiche Kehrtwendungen hinlegte. Das Ziel des 49-Jährigen ist es, aus Metro einen reinen Großhändler zu machen. Einen Markt, bei dem der Gastronom, der Kioskbesitzer und der Tankstellenpächter die passenden Mengen und Angebote findet, nicht aber der Privatverbraucher.
Real passte da nicht ins Portfolio. Und schlechte Zahlen schrieb die Kette überdies. Nachdem er seit seinem Amtsantritt 2012 bereits die Einzelhandelsketten Galeria Kaufhof, Saturn und Media Markt veräußert hat, will er seinen Plan mit dem Verkauf der Supermarktkette vollenden und damit seine Karriere krönen. Doch für viele Beteiligte dürfte der Schritt eine herbe Enttäuschung sein.
300 Millionen statt 900 Millionen
Denn seit der Hauptversammlung 2019 ist nicht nur das Datum für den Verkauf immer weiter nach hinten verschoben worden. Auch der Preis musste mehrmals nach unten korrigiert werden. War am Anfang des Verkaufsprozesses noch von einem Volumen von 900 Millionen Euro für Real die Rede, sind es nun nur 300 Millionen geworden.
Auch der potenzielle Käufer wechselte mehrmals. Galt es bis Ende 2019 als sicher, dass der Immobilieninvestor Redos den Großteil der 277 Real-Märkte kauft, werden es doch X-Bricks und die SCP-Group sein. Bisher geht man davon aus, dass ein Kern von mindestens 50 Real-Märkten für mindestens 24 Monate weiter betrieben wird. Der größte Teil der Filialen soll jedoch wohl an andere Händler wie Edeka oder Kaufland verkauft werden.
Noch im vergangenen Sommer galt es im Metro-Umfeld als ausgeschlossen, dass Real mit X-Bricks ins Geschäft kommt, weil das Unternehmen sich exklusiv an Kaufland als Betreiber der Märkte gebunden hatte. Erst die Aufweichung dieser Klausel machte einen Verkauf kartellrechtlich möglich. Koch hatte intern stets darauf gepocht, eine öffentliche Auseinandersetzung wie bei der Zerschlagung von Kaiser’s-Tengelmann zu vermeiden.
Damals hatte zunächst Edeka alle Märkte übernehmen wollen, war aber vom Kartellamt gestoppt worden. Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) griff mit einer Ministererlaubnis ein, die das Oberlandesgericht Düsseldorf kippte. Am Ende mussten sich Rewe und Edeka die Kaiser’s-Standorte aufteilen.
Daniel Kretinsky als interner Gegenspieler
Einer, der vom Ausgang des Real-Pokers besonders enttäuscht sein dürfte, ist Daniel Kretinsky. Der tschechische Milliardär war neben Real der Hauptgrund für Olaf Kochs anstrengendes Jahr. Denn im vergangenen Sommer hatte er sich angeschickt, bei Metro die Mehrheit zu übernehmen. 16 Euro pro Stammaktie hatte Kretinsky den Aktionären geboten. Viel zu wenig, fand Koch – und die Mehrheit der Anteilseigner folgten seiner Sichtweise. Am Ende scheiterte der Tscheche am selbst gesetzten Ziel, 67,5 Prozent der Anteile zu bekommen.
Großaktionär ist er über seine Beteiligungsgesellschaft EP Global Commerce mit 29,99 Prozent dennoch. Und er ließ durchscheinen, dass er sich durchaus aktiv ins Unternehmen einbringen will. Einen Sitz im Aufsichtsrat des M-Dax-Konzerns wird ein Vertreter Kretinskys ab der heutigen Hauptversammlung wohl besetzen. Aus seinem Umfeld heißt es, er sei wahrlich nicht erfreut darüber, dass Real nun 600 Millionen Euro weniger einbringt als angekündigt. Auch wenn beide öffentlich stets ihre gegenseitige Wertschätzung hervorheben, bekommt man den Eindruck, Koch erwächst hier ein mächtiger interner Gegenspieler.
Verdi kritisiert Real-Verkauf
Doch nicht nur die Aktionäre dürfte Koch mit dem Real-Verkauf gegen sich aufbringen. Denn ohne Entlassungen wird die Übernahme nicht auskommen. Einer Reihe von Standorten ohne überzeugende wirtschaftliche Perspektive droht die Schließung, wie Koch in einem Brief an die Mitarbeiter vor einigen Tagen zugab. X-Bricks gehe aber davon aus, „dass die Zahl der zu schließenden Standorte unter 30 liegen wird“, schrieb Koch weiter. Wo es betriebsbedingte Kündigungen geben wird, soll eine Ende vergangenen Jahres abgeschlossene Betriebsvereinbarung soziale Härten mit Abfindungen von maximal zwölf bis 14 Monatsgehältern mildern.
Die Gewerkschaft Verdi hat noch weitere Forderungen an Koch. „Es geht um die Sicherung durch Betriebsräte und dass keine Ausgliederung an selbstständige Kaufleute erfolgt“, teilte die Gewerkschaft dem Tagesspiegel mit. Die Situation bei Real sei aufgrund jahrelanger Managementfehler und unterlassener Investitionen sehr schwierig. Deshalb nimmt Verdi die Politik in die Pflicht. „Umso wichtiger ist es, dass auch die Politik ihrer Verpflichtung nachkommt, um eine sichere Zukunft für 34 000 Real-Beschäftigte und ihre Familien zu erreichen.“
Wie belastend die zähen Verhandlungen um Real für Metro waren, zeigte sich auch in den Ende voriger Woche vorgestellten Quartalszahlen. Der Umsatz der Metro stieg im ersten Quartal zwar leicht auf 7,6 Milliarden Euro, der Gewinn ging jedoch flächenbereinigt leicht zurück.
Es waren aber vor allem die tiefroten Real-Zahlen, die Metro 30 Millionen Euro in die Verlustzone drückten. Das könnte die Aktionäre doch davon überzeugen, dass es besser war, Real lieber heute als morgen loszuwerden. Allerdings stehen in der Bilanz auch Abschreibungen in Höhe von 237 Millionen Euro für Real. Die Einnahmen könnten diese also nur knapp ausgleichen. Die Krönung seiner Karriere hatte sich Koch wahrscheinlich anders vorgestellt.
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