Deutsche Bahn: Warum der Bund die Bahn in Fahrt bringen muss
Der Rechnungshof wirft dem Bund Verantwortungslosigkeit im Umgang mit der Deutschen Bahn vor. Der Bundesverkehrsminister lädt zum dritten Krisentreffen.
Eine Lösung für die vielen Probleme der Deutschen Bahn (DB) wird dem Bundesverkehrsminister nicht geschenkt. Wer „300 neue Maßnahmen“ erwarte, die vom Himmel fielen, verstehe das System Bahn nicht, sagte Andreas Scheuer (CSU) am Donnerstag in Berlin. So konnte der Minister nach dem zweiten, morgendlichen Krisentreffen mit der Konzernspitze zwar keine 300 Neuigkeiten präsentieren, aber immerhin einen Fünf-Punkte-Plan des Bahn-Vorstands.
Zugleich warnte Scheuer vor zu hohen Erwartungen. Viel Arbeit ist noch zu erledigen. Am 30. Januar will man sich deshalb in gleicher Runde erneut treffen. Dann soll es um die schwierigsten Themen gehen, die Finanzierung und Struktur des größten Staatskonzerns. „Wir haben den politischen Willen, in die Infrastruktur massiv zu investieren“, fügte Andreas Scheuer hinzu.
Rechnungshof rechnet ab
Diesen Willen zu einer aktiveren Bahnpolitik spricht der Bundesrechnungshof dem Verkehrsminister und der Bundesregierung allerdings ab. Der Bund als Alleineigentümer der DB nehme seine Verantwortung nicht wahr, kritisierte Kay Scheller, der Präsident des Rechnungshofes, am Donnerstag in Berlin. Vielmehr werde in Berlin tatenlos zugeschaut, wie die Ziele der Bahnreform vor 25 Jahren verfehlt würden: mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu bringen und den Bundeshaushalt zu entlasten. „Hier wird ein Verfassungsauftrag liegen gelassen“, sagte Scheller.
Stattdessen agiere die Bahn weltweit als „Universalkonzern“ in 140 Ländern, 513 der 700 Tochterfirmen hätten ihren Sitz im Ausland, 43 Prozent des Bahn- Umsatzes würden jenseits der Grenze erzielt. „Die Eisenbahn in Deutschland profitiert davon nicht“, rügte die oberste Prüfbehörde. Dies zeigten Verspätungen, Qualitätsmängel, zu wenig Personal und eine marode Infrastruktur.
Der Börsengang der DB AG sei schon vor einer Dekade abgeblasen worden. Es sei an der Politik, strategisch die Weichen zu stellen, forderte Scheller. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Bund auch zehn Jahre nach dem abgebrochenen Börsengang kein Konzept hat, was für eine Bahn und wie viel Bahn er haben möchte“, sagte der Rechnungshof-Präsident. „Es ist höchste Eisenbahn.“
Fünf Punkte der Bahn
Dass Bahn-Chef Richard Lutz und die Führungsmannschaft des Schienenkonzerns die Zeichen der Zeit erkannt haben, sollte ihr Fünf-Punkte-Plan signalisieren, der nach dem Treffen mit Scheuer veröffentlicht wurde. Inhaltlich bietet er viel Bekanntes und Beschlossenes: mehr Personal und neue Züge, höhere Investitionen, besserer Service.
Neu ist konkret, dass die DB 2019 rund 22 000 Mitarbeiter einstellen will. Schon 2018 waren es 24 000. Abzüglich der Personalabgänge stieg die Beschäftigtenzahl im vergangenen Jahr um rund 9000. Weltweit arbeiten 320 000 Beschäftigte im Konzern, davon gut 200 000 in Deutschland. Aufgestockt werden soll insbesondere das Personal in den Werkstätten, um defekte Züge schneller wieder zur Verfügung stellen zu können. Auch Lokführer werden nach wie vor gesucht. Weil der Arbeitsmarkt leer gefegt ist, werden Mitarbeiter in rund zehn Monaten umgeschult.
Zudem sollen auf vier weiteren besonders belasteten Strecken – etwa am Knotenpunkt Hamburg, zwischen Fulda und Mannheim oder auf der Strecke Würzburg–Nürnberg – Spezialteams dafür sorgen, dass Staus und Verspätungen in diesen „Plankorridoren“ reduziert werden. Etwa, indem das Baustellenmanagement verbessert oder die pünktliche Abfahrt der Züge anders organisiert wird. „Schritt für Schritt werden wir besser, gerade auch bei der Pünktlichkeit“, sagte Bahn-Chef Lutz. Im vergangenen Jahr war jeder vierte Fernzug unpünktlich. 2019 soll sich die Pünktlichkeit des DB-Fernverkehrs im Schnitt um 1,6 Prozentpunkte auf 76,5 Prozent erhöhen. Ursprünglich wollte Lutz schon 2018 mehr als 82 Prozent erreichen.
Wie Scheuer dämpfte auch Lutz die Erwartungen: „Klar ist, es gibt ja nicht den einen Knopf, den man drücken muss, und alles fährt besser“, sagte er. Die Auslastung des Schienennetzes seit der Bahnreform 1994 habe stark zugenommen, zugleich nutzten immer mehr Kunden die Bahn. Aber die Investitionen zahlten sich aus. „In den nächsten Monaten bekommen wir neue Züge und erhöhen allein in den ICEs und Intercitys das Sitzplatzangebot um rund 20 000 Plätze.“ Fünf Prozent mehr ICE-Züge – täglich mindestens 225 – sollen 2019 einsatzbereit sein. Zusammen mit dem Bund werden 10,7 Milliarden Euro ins Netz investiert, das seien 1,3 Milliarden mehr als im Vorjahr, sagte Lutz.
Woher das Geld kommen soll
Die Frage, woher künftig das Geld für die notwendigen Investitionen kommen soll, ist noch unbeantwortet. Mit seiner Verschuldung von gut 20 Milliarden Euro nähert sich der Bahn-Konzern dem vom Finanzminister gesetzten Limit. Aus eigenen Mitteln will die Bahn in den kommenden fünf Jahren fünf Milliarden Euro zusätzlich in Züge und Schienennetz investieren, doch vier Milliarden Euro davon sind noch nicht finanziert, wie in Kreisen des Aufsichtsrats zu hören war.
Die Überlegungen, sich von der profitablen Auslandstochter Arriva oder Teilen der Logistiksparte Schenker zu trennen, stoßen – anders als in Teilen der schwarz-roten Koalition – beim Rechnungshof auf Sympathie. Die Prüfer kritisieren die „ausufernde internationale Geschäftstätigkeit“ der DB und den Einsatz von Finanzmitteln „für Auslands- und bahnfremde Geschäfte“. Auch die seit Langem diskutierte Trennung von Netz und Betrieb müsse ernsthaft geprüft werden, sagte Rechnungshof-Präsident Scheller. Auch Verkehrsminister Scheuer lehnt einen Arriva-Verkauf nicht grundsätzlich ab, warnt aber vor Schnellschüssen.
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht keine raschen Lösungen für die Probleme der Bahn. „Das meiste ist nur langfristig zu machen“, sagte der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann der dpa. Vor allem die Politik sei nun am Zug. „Die Probleme sind bekannt, die Projekte müssen nur umgesetzt werden.“ Matthias Gastel, Sprecher für Bahnpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, sprach von einem „PR-Gag“ der Regierung. Bei Scheuers Krisentreffen sei ein „Aufguss bekannter Maßnahmen“ präsentiert worden. Notwendig sei stattdessen ein klarer Kurswechsel in der Verkehrspolitik.