Fünf Jahre Berliner Steuerungskreis Industriepolitik: Warten auf zündende Ideen
Vor fünf Jahren wurde beim Regierenden Bürgermeister der Berliner "Steuerungskreis Industriepolitik" eingerichtet. Die Zwischenbilanz fällt enttäuschend aus.
Womöglich war Berlin das Vorbild, als sich vergangene Woche bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) das Bündnis „Zukunft der Industrie“ mit Verbands- und Gewerkschaftsvertretern konstituierte. Denn vor genau fünf Jahren, am 9. März 2010, schlossen der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) mit Wirtschafsleuten und Gewerkschaftern einen „Zukunftspakt für die Berliner Industrie“. Beim Regierenden wurde ein „Steuerungskreis Industriepolitik“ (Skip) eingerichtet, und ein paar Monate später bekam das ganze Projekt zusätzlich Wucht durch einen „Masterplan Industriestadt Berlin 2010–2020“. Das Ziel der Veranstaltung: die Zahl der Industriebeschäftigten von 100 000 auf 190 000 fast verdoppeln. Fünf Jahre später ist die Stadt davon so weit entfernt wie im Jahr 2010. Also wieder mal viel Lärm um nichts in der Berliner Politik?
Keineswegs, meint Christian Amsinck von den Unternehmensverbänden UVB. „Der Steuerungskreis hat wertvolle Arbeit geleistet. Wichtig ist, dass die Entwicklung der Branche Chefsache ist und beim Regierenden Bürgermeister sowie beim gesamten Senat hohe Aufmerksamkeit genießt“, meint Amsinck. Inzwischen könne sich die Berliner Industrie, in der von 1990 bis 2010 rund 200 000 Arbeitsplätze verloren gingen, „auf den Weltmärkten behaupten; mehr als die Hälfte der Produktion geht ins Ausland“.
Michael Müller: Industrie ist das Rückgrat des Standorts
An Bekenntnissen hat es nie gefehlt, bis heute nicht. Wowereit-Nachfolger Michael Müller (SPD) tritt das Erbe gerne an: „Für mich war klar, dass ich die erfolgreiche Arbeit des Steuerungskreises fortsetze“, sagte der Regierende Bürgermeister dem Tagesspiegel. „Die Berliner Industrie mit ihren vielen Hidden Champions ist ein wichtiges Rückgrat unseres Wirtschaftsstandortes. Sie steht für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Ihre Stärkung ist für meinen Senat und die anderen Akteure im Steuerungskreis zentrales wirtschaftspolitisches Ziel.“
Deutlich weniger freundlich fällt die Zwischenbilanz von Skip und Masterplan bei der IHK und den Gewerkschaften aus. „Unser fünfjähriges Kind ist noch lange nicht schulreif“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. Und diese Reife ist auch nicht in Sicht, weil der Zögling „in den letzten drei Jahren nicht dazugelernt hat“. In den drei Jahren wurde die Senatsverwaltung für Wirtschaft erst von Sybille von Obernitz und dann von Cornelia Yzer geführt. Industriepolitik kennen und können beide nicht.
Trotzdem halten die Beteiligten am dem schmalbrüstigen Kind fest. Masterplan und Skip seien „so lange erforderlich, wie der bundesdeutsche Durchschnitt der Industrie an der Gesamtbeschäftigung noch nicht erreicht ist“, sagt DGB-Vize Christian Hoßbach. Also noch viele Jahre. Der Senat habe sich indes viel zu lange auf ehrenamtliches Engagement verlassen, „er muss die Strukturen künftig personell und finanziell untersetzen“.
IHK-Chef Jan Eder: Wir brauchen eine Wirtschaftskonferenz
Das ist auch der wichtigste Punkt Jan Eders von der IHK. Vor fünf Jahren hatten die Masterplaner sagenhafte 34 Projekte identifiziert – umgesetzt wurde fast nichts, weil die Projekte eben nicht mit Ressourcen, mit Menschen und Geld, unterlegt wurden. Immer wieder haben Gewerkschaften und Kammer für eine entsprechende Arbeitsstruktur geworben. Vergebens.
Eine politische Steuerung findet sowieso nicht mehr statt, seit Harald Wolf weg ist und kein politisch Verantwortlicher das Thema oben hält. „Wir brauchen dringend auch wieder eine erfolgreiche Wirtschaftskonferenz“, sagt IHK-Chef Eder. Dass es 2014 keine gab, wird mit der Lustlosigkeit in der Wirtschaftsverwaltung erklärt. Für Mitte September ist nun eine Veranstaltung zur Smart City geplant. „Wir spielen das Thema Industrie die ganze Zeit“, sagt Yzers Sprecher und nennt ein paar Schlagworte: Industrie 4.0, eben Smart City, Technologietransfer, Flächenpolitik und Tegel.
Für die künftige Entwicklung Tegels hat der Skip nach Einschätzung der Teilnehmer tatsächlich etwas gebracht. Allein auch dadurch, dass es eine Koordinierung der an den Planungen beteiligten Verwaltungen gab. Hilfreich war auch die bei Berlin Partner angesiedelte Kampagne, „die Industrie hat heute einen anderen Stellenwert“, wie Berlins IG Metall-Chef Klaus Abel sagt. „Initiativen wie die Lange Nacht der Industrie oder die Industriekampagne unterstreichen, was die Branche ausmacht und welche Karrierechance sie bietet“, ergänzt UVB-Geschäftsführer Amsinck. Die Unternehmensverbände basteln gerade mit den Kollegen der Gewerkschaften an einer neuen Ausbildungsinitiative. Der sich abzeichnende Fachkräftemangel gehört auch zu den Projekten des Masterplans. Ergebnisse nach fünf Jahren: Nicht erkennbar.
IG Metall-Chef Abel: Es ist kein Druck auf dem Kessel
„Der Steuerungskreis muss nun daran arbeiten, die Standortbedingungen für Unternehmen weiter zu verbessern“,sagt Amsinck. Das ist immer richtig, und da widersprechen auch die Gewerkschaften nicht. Doch nach den Erfahrungen der letzten Jahren überwiegt die Skepsis. „Der Kessel ist auf dem Herd, aber es kommt kein Dampf drauf“, meint Abel über Skip und Masterplan. Wo soll der auch her kommen. „Pläne sind schön und gut, aber es kommt auf die Investitionen an“, sagt Yzers Sprecherin Claudia Hambouch. Mit anderen Worten: Mit dieser Senatorin wird es keine Planerfüllung geben.