Glyphosat-Skandal: Warnschuss der Aktionäre für Bayer-Chef Baumann
Durch Kursverluste und Klagen seit der Monsanto-Übernahme steht die Bayer-Führung unter Druck. Eigner wollen bei der Hauptversammlung die Entlastung verweigern.
Wichtige Anteilseigner wollen der Führung des Pharma- und Agrarchemiekonzerns auf der Hauptversammlung am Freitag in Bonn die Entlastung verweigern. Sie sind verärgert über die Kursverluste seit der Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto und die endlos lange Liste an Rechtsstreitigkeiten wegen des Unkrautvernichters Glyphosat, die sich Bayer damit einkaufte.
Bayer-Chef Werner Baumann verteidigte den Zukauf erneut als richtigen Schritt. "Davon sind wir nach wie vor fest überzeugt", sagte er. Der Vorstand habe die Chancen und Risiken des Zukaufs sorgfältig abgewogen. Aktionäre sehen das anders, man stehe bei Bayer vor einem Scherbenhaufen, monierte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei dem Fondshaus Deka laut Redetext. "Innerhalb von nur zwei Jahren ist der einstige Pharmagigant zu einem Zwerg mutiert."
Die Deka und die Fondsgesellschaften Union Investment, die zu den größten deutschen Einzelinvestoren von Bayer gehören, wollen Vorstand und Aufsichtsrat deshalb nicht entlasten. Rechtliche Folgen hat dieser Schritt zwar nicht. Die Voten gelten aber als wichtiger Indikator dafür, wie viel Vertrauen die Aktionäre in die Unternehmensführung haben.
Ein schlechtes Abstimmungsergebnis oder gar eine Nichtentlastung wären daher eine erhebliche Schmach für Baumann und Aufsichtsratschef Werner Wenning. Bei der Deutschen Bank waren die Resultate vor einigen Jahren so verheerend, dass die beiden damaligen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen kurze Zeit später ihren Rückzug ankündigten.
Speich warnte allerdings vor einem Austausch der Führungsriege. Davon sollte derzeit tunlichst Abstand genommen werden, das Chaos würde dadurch noch vergrößert. "Bei der Komplexität des Unternehmens würde Bayer wichtige Zeit verlieren, wenn sich ein neues Management einarbeiten müsste. Niemand kann wollen, dass neben all dem Chaos auch noch das Tagesgeschäft brachliegt."
Der größte deutsche Einzelinvestor, von Bayer, die Fondsgesellschaft DWS<DWSG.DE, will sich bei der Abstimmung enthalten, man sei aber mit der Kursentwicklung alles andere als zufrieden und Bayer habe die Rechtsrisiken in den USA unterschätzt, kritisierte Nicolas Huber, Head of Corporate Governance bei der DWS. "Wir Aktionäre haben große Bedenken um den Fortbestand einer 150 Jahre alten und größtenteils erfolgreichen deutschen Industriegeschichte."
Konzern ist nur noch 57 Milliarden Euro wert
Analyst Janne Werning von Union Investment äußerte Zweifel, ob die Monsanto-Übernahme noch eine Erfolgsgeschichte werden kann und wollte vom Management wissen, wie es das Ruder wieder herumreißen will. Nach Einschätzung von Speich läuft Bayer Gefahr, "zum Spielball der Märkte zu werden und riskiert, selbst übernommen oder sogar zerschlagen zu werden".
Aktuell ist der Konzern nur noch knapp 57 Milliarden Euro wert - und damit umgerechnet etwa so viel, wie er für Monsanto gezahlt hat. "Da gib es nichts zu beschönigen", sagte Baumann mit Blick auf die massiven Kursverluste der Bayer-Aktie. "Die Klagen und die ersten Urteile zu Glyphosat lasten schwer auf unserem Unternehmen und verunsichern viele Menschen".
In den USA sieht sich der Konzern inzwischen mit etwa 13.400 Klägern wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des von Monsanto entwickelten Herbizids konfrontiert. In zwei Fällen wurde das Unternehmen zu millionenschweren Schadenersatzzahlungen verurteilt. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, uns in Berufungsverfahren und den kommenden Gerichtsverhandlungen erfolgreich zu verteidigen", sagte Baumann. Bayer sei nach wie vor von der Sicherheit von Glyphosat überzeugt. (Reuters)