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E-Modelle von VW.
© IMAGO

Sauberer als Diesel?: VW verteidigt die Ökobilanz von E-Autos

Nach einer Studie des Ifo-Instituts belastet ein E-Auto das Klima mehr als ein Diesel – wenn man die Herstellung berücksichtigt. Volkswagen widerspricht.

Die Klimabilanz von E-Autos ist der von Verbrennern überlegen. Darauf weist Volkswagen auf der Grundlage einer Analyse der CO2-Emissionen während aller Produktstadien des Autos - von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling - hin. VW widerspricht damit einer umstrittenen Studie des ifo-Instituts.

„Der Elektroantrieb hat im europäischen Durchschnitt die beste Klimabilanz", sagte Marko Gernuks, Leiter der Life Cycle Optimierung. Volkswagen wolle die vergleichsweise hohen CO2-Emissionen, die vor allem noch bei der Produktion von Batterien entstehen, durch eine Optimierung in der Lieferkette weiter deutlich reduzieren. Ziel des konzernweiten „Life Cycle Engineering" ist die Klimaneutralität bis 2050.

„Zusammenfassend ergibt sich für den aktuellen Golf TDI (Diesel) über den gesamten Lebenszyklus eine Emission von durchschnittlich 140 Gramm CO2 pro Kilometer, während der e-Golf einen Wert von 119 Gramm erreicht", teilte Volkswagen mit. Angenommen wird, dass der Lebenszyklus des Autos 200.000 Kilometer Laufleistung umfasst. Dies sei ein über alle Fahrzeugklassen - vom Kleinwagen bis zur Limousine - gemittelter Wert.

VW geht zudem vom EU-Strommix aus, also den derzeit in der EU genutzten Energiequellen für Strom. Beim deutschen Strommix, der einen höheren Kohleanteil aufweist, komme man beim Elektro-Golf auf 142 Gramm CO2 pro Kilometer und damit einen Wert vergleichbar mit dem Diesel. Basis der Berechnung ist laut VW der neue WLTP-Abgasprüf- und Verbrauchsstandard. Werde der gesamte Strom zum Fahren aus regenerativen Quellen gewonnen, könnten die CO2-Emissionen beim Fahren auf zwei Gramm sinken.

Verbrenner sind im Betrieb schmutzig, E-Autos in der Produktion

Während beim Diesel oder Benziner die meisten CO2-Emissionen während der Nutzung anfallen („Well-to-wheel"), verursacht beim Elektroauto vor allem die Produktion („Cradle-to-Gate") einen hohen Treibhausgasausstoß. Laut VW-Analyse kommt ein Diesel während der Produktion (darin eingeschlossen die Rohstoffgewinnung) auf 29 Gramm CO2 je Kilometer, während für das E-Auto fast doppelt so viel (57 Gramm) ermittelt wurden. Allein auf die Batteriefertigung und die komplizierte Rohstoffgewinnung entfalle im Lebenszyklus des Fahrzeugs fast die Hälfte der CO2-Emissionen, so Volkswagen.

Der größte Autohersteller der Welt, der in den kommenden zehn Jahren 22 Millionen Elektroautos produzieren will, hat den Anspruch, auch seine Lieferanten auf Nachhaltigkeit zu verpflichten. Bei 40.000 direkten Zulieferern eine „Riesenherausforderung", wie Marco Philippi, Leiter Strategie Konzernbeschaffung, kürzlich einräumte. Je weiter die Lieferkette bis zu den Rohstoffen reicht, desto intransparenter wird es für die Autobauer. Das ist bei Elektroantrieben besonders problematisch, weil zum Beispiel bei der Produktion der E-Maschinen, die viel Aluminium oder Magneten enthalten, der Energieverbrauch hoch ist.

Volkswagen versucht, seine Zulieferer auf den Einsatz von regenerativem Strom zu verpflichten. Allein bei der Fertigung der Batteriezellen rechnet der Konzern mit einem Einsparpotenzial von 80 Prozent. Volkswagen plant zudem, Lieferanten auszuschließen, die sich den Regularien entziehen. Kürzlich war das Unternehmen einer Industrieinitiative um den Rivalen Ford beigetreten, um die Herkunft von Kobalt sicher nachverfolgen zu können. Mit Hilfe der Blockchain-Technologie will der Konzern einen besseren Einblick über die Rohstoffherkunft erhalten. Am Mittwoch hatte Volkswagen eine Kooperation mit Minespider, einem auf Blockchain spezialisierten Unternehmen, bekannt gegeben.

VW ID. soll klimaneutral auf den Markt kommen

Um sich ein Bild vom CO2-Fußabdruck seiner Modelle machen zu können, hat der VW-Konzern schon vor Jahren mit der Lebenszyklusanalyse („Life Cycle Assessment") seiner Autos und deren aktuell bis zu 5000 Bauteile begonnen. Die Verarbeitung in einer Ökobilanz-Software verläuft dabei inzwischen weitgehend automatisiert. Das erste reine Elektromodell in der Golf-Klasse, der VW ID., soll Anfang 2020 auf den Markt kommen und bereits eine klimaneutrale Ökobilanz aufweisen. Weitere Modelle sollen folgen. „Durch Verbesserungen der Lithium-Ionen-Batterietechnologie und Optimierungen in der Lieferkette wird die CO2-Menge zur Herstellung der Akkus im Vergleich zwischen e-Golf und erstem ID. Modell um mehr als 25 Prozent pro Kilowattstunde (kWh) Batteriekapazität reduziert", erklärt Volkswagen. Bei Verwendung von regenerativer Energie betrage das Minderungspotenzial fast 50 Prozent.

Nach einer vor Ostern bekanntgewordenen Studie des Kölner Physikprofessors Christoph Buchal und des früheren Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn belastet ein E-Auto das Klima dagegen „um etwa ein Zehntel und im ungünstigsten Fall um ein gutes Viertel" mehr als ein Diesel - sofern der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Batterien und der deutsche Strommix in der Rechnung berücksichtigt würden. Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt widersprachen den Berechnungen. Auch das Heidelberger Ifeu-Instituts hatte in einer Studie für die Agora-Energiewende-Initiative einen Klimavorteil von E-Autos errechnet.

„Es ist wichtig, immer auf die aktuellen Daten zuzugreifen – gerade bei Batterien hat sich in wenigen Jahren sehr viel getan", sagte Marko Genuks mit Blick auf die Ifo-Studie, die älteres Datenmaterial verwendet hatte. So war von einem deutlich schnelleren Verschleiß der Batterien ausgegangen worden. Auch setzten die Experten eine kürzere Laufleistung voraus. Auch die Auswahl der verglichenen Autos war kritisiert worden. Während Volkswagen zwei Golf-Modelle mit unterschiedlichen Antrieben verglichen hatte, ließen Buchal und Sinn einen sehr leistungsstarken Tesla Model 3 gegen einen sehr effizienten Diesel (Mercedes C 220 d) antreten.

Dieser Artikel stammt vom Tagesspiegel Background. Das Team veröffentlicht täglich Newsletter mit höchster Relevanz für Top-Entscheider, Kommunikationsprofis und Fachexperten. Hier können Sie die Newsletter vom Tagesspiegel Background abonnieren.

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