Bilanz in Berlin: VW schwimmt im Geld
Vorstand, Mitarbeiter und Aktionäre profitieren vom Rekordgewinn des weltweit größten Fahrzeugherstellers. Konzernchef Müller: Der Diesel hat Zukunft.
Die „Dieselthematik“, wie VW die Abgasmanipulation nennt, tut immer noch weh, doch der Schmerz hält sich in Grenzen. Denn der Konzern ist so groß und verdient so viel Geld, dass die Milliarden zur Aufarbeitung des Betrugs recht locker weggesteckt werden. Der Gewinn ist auf Rekordniveau, die VW-Mitarbeiter hierzulande bekommen eine Extraprämie von jeweils 4100 Euro für 2017 und die Kollegen bei der VW-Tochter Audi sogar 4770. Noch mehr gibt es voraussichtlich als Erfolgsbeteiligung für die Porsche-Belegschaft. Doch nicht nur die Kräfte am Band und im Büro, auch der Vorstand profitiert erheblich von dem guten Geschäft. Konzernchef Matthias Müller kassiert für das vergangene Geschäftsjahr gut zehn Millionen Euro, der zehnköpfige Vorstand insgesamt kann sich über rund 50 Millionen Euro freuen. Schließlich bekommen die Aktionäre mit 3,90 Euro 1,90 Euro mehr als im Vorjahr.
"Der Tanker ist jetzt auf Kurs"
Angesichts der vielen schönen Zahlen präsentierte Müller die Bilanz 2017 am Dienstag in Berlin mit Selbstbewusstsein. „2017 war ein exzellentes Jahr für den Konzern und seine Marken“, sagte der Vorstandschef im Autoforum Unter den Linden. „Der Tanker Volkswagen hat seine Richtung geändert: Kurs: Zukunft“, sagte Müller, der vor zweieinhalb Jahren vom Chefsitz bei Porsche zur Konzernmutter nach Wolfsburg gewechselt war, nachdem dort Martin Winterkorn wegen des Dieselbetrugs abtreten musste.
Die Zukunft liegt in der Elektromobilität, das betonte Müller. Doch auch der „moderne Dieselantrieb“ werde noch „für Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielen“. In den kommenden fünf Jahren investiere Volkswagen mehr als 90 Milliarden Euro in das „konventionelle Fahrzeug- und Antriebsportfolio“. Viel geringer dürften die Ausgaben für das E-Auto auch nicht ausfallen. VW will mit seinen diversen Marken bis 2025 rund drei Millionen Stromautos auf den Markt bringen und hat dazu bereits Aufträge an Batterie- und Batteriezellenersteller in einem Volumen von mehr als 20 Milliarden Euro erteilt. „Das ist nicht unsere Kernkompetenz, das können andere besser“, sagte der VW-Chef zu der Frage, ob der Konzern in die Zellenfertigung einsteigen möchte. In Salzgitter baut VW derzeit eine Pilotfertigung auf. VW will Batterie-Know-how im eigenen Haus, aber selbst nicht in die großindustrielle Fertigung einsteigen. Ähnlich agiert BMW.
160 000 Autos mit Umweltprämie verkauft
Die Aufarbeitung des Dieselbetrugs kostete den Konzern im vergangenen Jahr 3,2 Milliarden Euro nach 6,4 Milliarden im Jahr zuvor. 2017 waren vor allem Rückkäufe von Autos und Nachrüstungen in den USA sowie „höhere Rechtsrisiken“ ursächlich für die Milliardenkosten. Der Dieselbetrug war im September 2015 aufgeflogen und hat den Konzern bislang schätzungsweise rund 25 Milliarden Euro gekostet. „Wir wissen, dass wir selbst dafür mitverantwortlich sind, dass sich diese Debatte derart zugespitzt hat“, sagte Müller über den Diesel, der maßgeblich zur Stickoxidbelastung in den Städten beiträgt und deshalb von Fahrverboten bedroht ist. VW und die anderen Hersteller seien aber Teil der Lösung. Mittlerweile seien mithilfe der Umweltprämie über 160 000 VW-Kunden auf moderne Fahrzeuge umgestiegen. Hardwarenachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen lehnt Müller als zu langwierig und aufwendig ab.
2018 werden elf Millionen Fahrzeuge verkauft
Mit 10,7 Millionen Fahrzeugen verkaufte der Konzern im vergangenen Jahr so viele Pkw, Lkw und Transporter wie noch nie. Im laufenden Jahr werde man diese Zahl vermutlich „moderat übertreffen“. Nach einem guten Jahresstart mit Zuwächsen im Januar und Februar klingt das bescheiden. Die NordLB etwa erwartet ein Plus um fünf Prozent auf mehr als elf Millionen Euro. „Die Kunden scheinen den Diesel-Skandal weitgehend verziehen zu haben“, heißt es in einer Analyse der Bank. Allerdings sinkt der Anteil des Diesels bei den Neuzulassungen hierzulande seit Monaten.
Auf wichtigen Märkten hat der Diesel allerdings noch nie ein Rolle gespielt: In China baut Volkswagen mit Partnern rund vier Millionen Autos und verdiente damit im vergangenen Jahr 4,7 Milliarden Euro (im Vorjahr: fünf Milliarden). Diese 4,7 Milliarden sind noch nicht im Ergebnis nach Sonderbelastungen von 13,8 Milliarden Euro enthalten. „Das ist das beste operative Ergebnis, das der Volkswagen-Konzern je erreicht hat“, freute sich Finanzvorstand Frank Witter in Berlin. Die operative Rendite erhöhte sich von 6,7 auf 7,4 Prozent. Auch bei dieser Kennziffer blicken die Konzernchefs auffallend zurückhaltend nach vorn: Für 2018 wird ein Wert zwischen 6,5 und 7,5 Prozent erwartet. An der Börse kam das nicht gut an. Mit einem Minus um knapp drei Prozent gehörte die VW-Aktie am Dienstag zu den schwächsten Werten im Dax.