Abgasskandal bei Volkswagen: VW muss in Deutschland 540.000 Autos umbauen
Am Montag ist der VW-Aufsichtsrat zu einer weiteren Krisensitzung zusammengekommen. Gleichzeitig sind Greenpeace-Aktivisten auf das Dach des streng bewachten Werktors gestiegen.
Wegen des VW-Abgas-Skandals sind wohl bei 540.000 Diesel-Fahrzeugen in Deutschland größere technische Änderungen als nur ein Austausch der manipulierten Software nötig. Davon sei nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) derzeit auszugehen, teilte das Bundesverkehrsministerium am Montag in Berlin mit.
Hintergrund ist der vom KBA angeordnete verbindliche Rückruf für insgesamt 2,4 Millionen Fahrzeuge, der Anfang 2016 beginnen soll. Dabei geht es um verschiedene Modelle. VW hatte bereits mitgeteilt, dass für Autos mit 2,0 Litern Hubraum reine Software-Lösungen reichen sollen. Bei anderen Modellen sind darüber hinaus Anpassungen in der Motortechnik nötig - also Eingriffe nicht nur über die Programmierung. Mitte Oktober hatte das KBA VW zu der zunächst als freiwillig geplanten Rückrufaktion verpflichtet. Europaweit sind insgesamt etwa 8,5 Millionen Dieselautos von der Affäre um geschönte Stickoxid-Emissionswerte betroffen, weltweit rund 11 Millionen. Die Großaktion soll laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im Januar starten und dürfte sich bis zum Jahresende hinziehen.
Krisensitzung in Wolfsburg
Begleitet von Protesten von Umweltschützern ist auf dem VW-Werksgelände in Wolfsburg der Aufsichtsrat des Autobauers zu einer erneuten Krisensitzung zusammengekommen. Das Kontrollgremium wollte bei der Zusammenkunft - in deren Mittelpunkt die nach wie vor schleppend verlaufende Aufarbeitung der Diesel-Affäre stand - unter anderem über die jüngst von Betriebsratschef Bernd Osterloh geäußerte Kritik am Konzernvorstand beraten. Darüber hinaus dürften weitere Personalfragen und die neuesten Erkenntnisse der internen Ermittlungen eine Rolle bei den Gesprächen spielen.
Am Morgen hatte sich bereits das dem 20-köpfigen Aufsichtsrat vorgeschaltete Präsidium zu Beratungen zusammengefunden. Der für elf Uhr geplante Beginn der Aufsichtsratssitzung verzögerte sich jedoch kurzfristig bis zum Mittag. Grund dafür war zum einen die deutlich längere Präsidiumssitzung und zum anderen erhöhter Redebedarf bei den anschließenden Vorbesprechungen der Aufsichtsratsmitglieder. Am Sonntagabend hatte in Wolfsburg schon der zur Aufarbeitung des Skandals einberufene Sonderausschuss getagt. Auch die Ergebnisse dieser Beratungen sollen bei den Aufsichtsräten zur Sprache kommen.
Innen Beratungen, außen Proteste
Während sich die Kontrolleure in einem von der Öffentlichkeit abgeschotteten Bürogebäude verschanzten, protestierten Mitglieder der Umweltschutzorganisation Greenpeace am Haupteingang des VW-Werkes mit Plakaten gegen die millionenfachen Diesel-Manipulationen sowie falsche CO2- und Verbrauchswerte bei Diesel- und Benzinfahrzeugen. Greenpeace forderte mit der Aktion nach eigenen Angaben Transparenz und neue, ungeschönte Abgasdaten.
Um das verlorene Vertrauen bei seinen Kunden und Geschäftspartnern in den USA zurückzugewinnen, will VW diese unterdessen mit Gutscheinen besänftigen. Besitzer von Diesel-Autos sollten als Wiedergutmachung Prepaid-Karten im Wert von bis zu 1250 US-Dollar (rund 1160 Euro) bekommen, berichtete das Online-Portal „The Truth About Cars“.
Bis zu 750 US-Dollar könnten in VW-Autohäusern eingelöst werden, der Rest sei frei verfügbar. Laut dem Bericht soll die Aktion am Montag publik gemacht werden. Unklar blieb zunächst, ob die VW-Kunden im Gegenzug für die Geldzahlung auf ihr Klagerecht verzichten sollen.
Bislang keine spürbaren Konsequenzen
Die Möglichkeit gelte "ausschließlich" für die USA und Kanada", sagte ein VW-Sprecher am Montag in Wolfsburg. VW entwickle individuell für jeden Markt ein "Maßnahmenpaket" für Kunden, um auf den Manipulationsskandal zu reagieren. Wie Lösungen in Deutschland aussehen könnten, stimmt VW demnach derzeit mit den Behörden ab.
Verbraucherschützer fordern allerdings eine ähnliche Regelung für deutsche Kunden. „Das Unternehmen muss zu seiner Verantwortung stehen“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), der „Rheinischen Post“. „Darum wären solche Gutscheine in Deutschland das Minimum, um die betroffenen Verbraucher zu entschädigen.“
Im Gegensatz zu Volkswagen selbst hat der Abgas-Skandal aufseiten der Autozulieferer bislang noch keine negativen Konsequenzen. „Wir sehen da keine Veränderung in den letzten acht Wochen“, sagte Continental-Finanzvorstand Wolfgang Schäfer am Montag. „Weder in den USA noch in Europa sehen wir eine Verschiebung von Diesel hin zu Benziner oder einen stärkeren Rückgang im Dieselmarkt.“
Schäfer betonte: „Ein kurzfristiger Effekt bei den Kunden ist also nicht zu beobachten.“ Er gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass es derzeit noch zu früh sei für Aussagen zu mittelfristigen Folgen. dpa