Abgasskandal bei Volkswagen: VW-Manager sollen schon früh von Mogel-Software gewusst haben
Sie waren offenbar frühzeitig gewarnt: VW-Verantwortliche konnten schon 2007 von illegaler Software wissen. Nun ist der Schaden groß.
Der VW-Skandal um manipulierte Abgaswerte könnte nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für einige Topmanager teuer werden. VW-Verantwortliche konnten offenbar schon 2007 von einer Software wissen, mit der illegal Dieselabgase manipuliert werden können. Mehrere Zeitungen berichteten am Sonntag über entsprechende Vermerke der internen VW-Revision. Zum einen soll ein VW-Mitarbeiter 2011 darauf hingewiesen haben, dass die Software einen Rechtsverstoß darstellen könnte. Zum anderen gab es offenbar bereits 2007 Hinweise des Zulieferers Bosch an VW, dass eine Verwendung der Software zur Abgasnachbehandlung illegal sei. Bosch habe die Software an VW geliefert, die aber nur für Testzwecke und nicht für den normalen Fahrbetrieb vorgesehen war.
Damit scheint immer wahrscheinlicher, dass auch die Konzernspitze frühzeitig davon Kenntnis erlangte. Würde dies nachgewiesen, müssten die Manager mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Träfe sie die Schuld an Manipulationen, müssten sie mit ihrem Privatvermögen haften. Der Konzern könnte dann hohen Schadenersatz verlangen.
Ein Volkswagen-Sprecher wollte die Berichte am Sonntag nicht kommentieren. „Wir ermitteln auf Hochtouren und werden die Ergebnisse, sobald wir sie haben, bekannt geben“, sagte er.
VW bereitet Rückrufaktion vor
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat Volkswagen aufgefordert, bis zum 7. Oktober einen verbindlichen Maßnahmen- und Zeitplan vorzulegen, bis wann die Fahrzeuge auch ohne Manipulationssoftware die verbindliche Abgasverordnung einhalten können. Bereits am Sonnabend hatte der Hersteller angekündigt, dass es in Kürze eine Rückruf- oder kostenlose Serviceaktion geben werde, bei der die betroffenen Fahrzeuge in der Werkstatt umgebaut werden.
In Deutschland sind 2,8 Millionen Diesel-VW betroffen, weltweit elf Millionen. Bei der Kernmarke VW sind es laut Angaben aus Wolfsburg insgesamt fünf Millionen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Modelle aus mehreren Baujahren, etwa den Golf der sechsten Generation, den Passat der siebten Generation und die erste Generation des Tiguan. Verbaut ist ein Motor mit der Typbezeichnung EA 189 in 1,6- und 2-Liter-Varianten, der etwa auch bei Audi und Skoda zum Einsatz kam.
"Wir haben auch diese Software - aber nicht scharf gestellt"
Inwieweit auch andere Zulieferer und Wettbewerber von Volkswagen mit vergleichbarer Software hantierten – womöglich illegal –, darüber besteht weiter Unklarheit. Zwar betonen BMW, Daimler und andere fortgesetzt, dass es bei ihnen keine Manipulationen gebe. Technisch wären sie aber offenbar problemlos möglich: „Wir haben auch diese Software – sie ist bei uns nur nicht scharf gestellt“, sagte ein großer VW-Wettbewerber dem Tagesspiegel. Bosch hatte bereits erklärt, dass die Systeme zur Dieseleinspritzung und Abgasnachbehandlung – die mit spezieller Softwareprogrammierung manipuliert werden können – auch an andere Hersteller geliefert wurden.
Die Sorge der Industrie ist groß, dass die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen nach dem VW-Skandal einbrechen könnte. Mehr als jedes dritte der 44,4 Millionen in Deutschland zugelassenen Autos hat einen Dieselmotor. Bei den Neuzulassungen lag der Anteil im vergangenen Jahr bei knapp 48 Prozent. Die deutschen Hersteller haben in Westeuropa einen Diesel-Marktanteil von 53 Prozent. „Ein Nachfrageeinbruch haut nicht nur bei uns rein, sondern auch bei sehr vielen unserer Zulieferer“, sagte der Vertreter eines Autokonzerns. „VW färbt auf uns ab.“
Der Diesel wird für die Klimaziele gebraucht
Besonders kritisch wird die Situation mit Blick auf die EU-Klimaziele und CO2-Grenzwerte, die den Herstellern ab 2020 strengere Abgasnormen vorschreiben. Weil Dieselmotoren weniger Kraftstoff verbrauchen, stoßen sie auch weniger CO2 aus (dafür aber mehr gesundheitsgefährdende Stickoxide). „Wesentlich bleibt: Ohne den Diesel kein Klimaschutz“, heißt es zugespitzt bei einem großen Zulieferer. Verkaufen die Autohersteller deutlich weniger Diesel, laufen sie Gefahr, die für ihre Flotten zulässigen CO2-Grenzwerte zu überschreiten. Dann würden hohe Strafzahlungen fällig. „Unsere Flottenwerte stehen auf der Kippe“, bestätigt ein Konzernvertreter. Bis 2021 sind im Schnitt für EU-Neuwagen nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer zulässig.
Hinzu kommt: Ab 2017 soll in der EU ein neues Testverfahren zur Messung von Abgasen gelten – WLTP (Worldwide Harmonised Light Duty Test Procedure) –, das der Wirklichkeit näher kommt. Für die Hersteller bedeutet dies, dass sie künftig wohl höhere Verbrauchs- und CO2-Abgaswerte angeben müssen. Seit Monaten verhandelt die Autolobby über die Ausgestaltung des WLTP und die Umrechnung von alten in neue Testwerte. Zudem wird auf EU-Ebene immer noch intensiv darum gerungen, wie streng die CO2-Normen für die Autoindustrie nach 2020 ausfallen sollen. Klar ist, dass der VW-Skandal die hervorragende – von der Bundesregierung gestützte – Verhandlungsposition der deutschen Autolobby schwächt. Ein Konzernvertreter räumt ein: „Wir sind politisch jetzt in einer äußerst heiklen Situation.“