Umstrittene Vorstandsvergütung: VW-Chef verdient das 127-Fache eines Angestellten
Vorstandschefs verdienen sehr viel mehr als einfache Angestellte in ihrem Konzern. Wie viel mehr darf es sein? Und sollten darüber die Aktionäre entscheiden?
Volkswagen-Chef müsste man sein. Fast acht Millionen Euro hat Herbert Diess im vergangenen Jahr verdient. In seinem Konzern dürfte das manchem bitter aufstoßen. Denn er erhält damit 127 Mal mehr als der einfache VW-Mitarbeiter. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder stehen gut da: Top-Entscheider bei VW verdienen im Schnitt das 97-Fache eines Angestellten. In keinem Dax-Konzern ist die Diskrepanz zwischen dem Chef-Gehalt und den Einkommen der Angestellten damit so groß wie bei dem Autobauer aus Wolfsburg. Das zeigt die Untersuchung der Vorstandsgehälter, die die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) am Dienstag vorgelegt hat.
Demnach klafft aber auch bei den anderen großen Aktienkonzernen eine große Lücke zwischen den Gehältern der Top- Entscheider und der Mitarbeiter. Bei acht der 30 Dax-Konzerne verdient ein Vorstandsmitglied mehr als das 60-Fache eines Angestellten. Neben VW ist das etwa bei den Unternehmen Adidas, Eon und Continental der Fall.
Auch bei der Post ist die Kluft beim Gehalt groß
Dabei ist die Kluft zwischen den Gehältern nicht zwangsläufig in den Konzernen besonders groß, in denen die Vorstandschefs überdurchschnittlich viel verdienen. Das zeigt Beispiel Deutsche Post. Chef Frank Appel steht mit 3,7 Millionen Euro im Jahr in der Gehaltsliste der Dax-Bosse am unteren Ende. Weil aber die Durchschnittslöhne der Post-Beschäftigen extrem niedrig sind, verdient Appel immer noch das 60-fache eines Angestellten in seinem Konzern. Damit ist die Gehaltskluft bei der Post sehr viel größer als bei SAP – obwohl dessen Vorstandschef Bill McDermott mit mehr als zehn Millionen Euro im Jahr so viel verdient wie kein anderer Dax-Boss.
Im Schnitt liegt das Gehalt eines Vorstandsmitglieds eines Dax-Konzerns 52Mal über dem eines Beschäftigten. „Dieses Verhältnis bleibt ein hochpolitisches Thema“, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer beim DSW. Daran ändert auch wenig, dass die Gehälter der Top-Manager 2018 insgesamt zurückgegangen sind – um 3,5 Prozent auf durchschnittlich 3,5 Millionen Euro. Verkleinert hat sich der Abstand zwischen den Top- und den Normalverdienern dadurch nicht, er verharrt auf dem Niveau des Vorjahres.
Aktionäre sollen über Vergütung mitentscheiden
Experten bemängeln die hohen Managergehälter schon lange. Unumstritten ist dabei, dass Vorstandschefs gut bezahlt werden sollen. Schließlich tragen sie die größte Verantwortung im Konzern. Die entscheidende Frage ist nur: wieviel mehr sollen oder dürfen sie verdienen? Denn in den letzten Jahren hat sich ihre Bezahlung immer stärker von den Gehältern der einfachen Angestellten entkoppelt. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge ist der Gehaltsunterschied zwischen Top-Managern und Normalverdienern bei den Dax-Konzernen binnen eines Jahrzehnts um 70 Prozent gewachsen.
Weil das kein rein deutsches Phänomen ist, hat die EU inzwischen reagiert. Um Gehaltsexzesse in Zukunft zu verhindern, will Brüssel die Rechte der Anteilseigner stärken. Den Aktionären gehört das Unternehmen schließlich. Deshalb sollen sie – so die Logik – auch ein stärkeres Mitspracherecht bei der Höhe der Vorstandsgehälter bekommen. Eine entsprechende Richtlinie hätten die Mitgliedsstaaten längst umsetzen müssen. Doch Deutschland tut sich damit schwer. Der Grund: Die Regierungsparteien sind uneins darüber, wie viel Einfluss man den Aktionären bei den Vorstandsgehältern gewähren sollte.
CDU und SPD streiten über die Rolle der Hauptversammlung
Bislang ist es deutschen Aktienkonzernen selbst überlassen, ob sie die Aktionäre auf ihrer Hauptversammlung über ihr Vergütungsmodell abstimmen lassen wollen. Das soll künftig anders werden. Gerungen wird allerdings noch um die Frage, wie man mit dem Abstimmungsergebnis der Aktionäre dann umgeht. Ein Gesetzentwurf aus dem Haus von Justizminister Katharina Barley (SPD) sieht nämlich vor, dass das Votum der Aktionäre lediglich einen „beratenden Charakter“ haben soll. Die Aktionäre könnten also das Vergütungsmodell des Konzerns ablehnen, ohne dass der Vorstand es zwingend anpassen müsste.
Die SPD argumentiert ähnlich wie Gewerkschaftsvertreter, dass andernfalls die Rolle des Aufsichtsrats untergraben würde. Bislang ist es das Kontrollgremium, das die Vergütung der Vorstände abnicken muss. Die SPD will an diesem Modell festhalten. „Überzogene Managergehälter müssen verhindert werden, weshalb wir die Arbeitnehmerseite bei deren Festsetzung beteiligen“, sagt Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Weil Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten sind, sollte er auch weiterhin die Vorstandsgehälter festsetzen, so Fechner.
In der CDU sieht man das anders. Die Partei würde den Aktionären gerne mehr Entscheidungsbefugnis bei der Vorstandsvergütung einräumen: „Durch eine ,Kultur der Mitsprache’ wollen wir die Aktionäre in der Hauptversammlung stärken, die naturgemäß ein Interesse an einer angemessenen und nicht überbordenden Vergütung des Managements haben“, sagt CDU-Politiker Heribert Hirte. Er ist damit auf der Seite von Wirtschaftsvertretern. „Als die Inhaber der Gesellschaft müssen Aktionäre bei der Hauptversammlung zum Thema Managervergütung verbindlich votieren, mindestens aber eine Obergrenze von Managergehältern bestimmen können“, sagt Peer-Robin Paulus vom Verband Die Familienunternehmer. „Sie tragen schließlich, im Gegensatz zum Aufsichtsrat, das wirtschaftliche Risiko.“
Zalando-Chefs verdienen jeweils über 19 Millionen Euro
Die Frage, wie der Streit ausgeht, dürfte Einfluss darauf haben, wie viel Vorstandsvorsitzende künftig kassieren. Das gilt auch für die Zalando-Chefs.
Der Berliner Modehändler ist nicht im Dax notiert. Trotzdem erhalten Robert Genz, David Schneider und Rubin Ritter für ihre Arbeit im vergangenen Jahr jeweils 19,4 Millionen Euro. Damit verdienen sie sogar mehr als SAP- Chef und Dax-Spitzenreiter McDermott. Bedingt ist ihr hohes Gehalt durch ein über fünf Jahre laufendes Bonus-Programm. Nimmt man dennoch die Zahl als Grundlage, liegt ihr Gehaltsplus im Vergleich zum Vorjahr bei 9200 Prozent.