Krise des Geldinstituts: Vorstandschef Sewing betont Stärke der Deutschen Bank
Die Deutsche Bank steht mit dem Rücken zur Wand. Probleme in den USA und schlechtere Bonitätsnoten verunsichern Anleger. Der neue Konzernchef bemüht sich um Aufbruchstimmung.
Ein Kursplus von zeitweise 3,8 Prozent auf rund 9,50 Euro am Freitag - für die Aktie der Deutschen Bank ist das eine Ausnahme in diesen Tagen. Am Donnerstag war das Papier um mehr als sieben Prozent auf das Rekord-Tief von 9,07 Euro abgestürzt, nachdem bekannt geworden war, dass die US-Notenbank schon vor einem Jahr vor der schwierigen Lage der Bank gewarnt hatte. Jetzt zählt eine wichtige US-Aufsichtsbehörde das Institut zu den Banken, bei denen ein Scheitern nicht ausgeschlossen sei. Am Freitag stufte die wichtige Rating-Agentur Standard&Poors (S&P) die Deutsche Bank ab. Und weitere Analysten sagten den Sturz der Aktie auf acht Euro voraus.
Vorstandschef Cristian Sewing, der zur Wochenmitte in New York noch für sein Haus geworben hatte, sah sich am Freitag zu einem Brandbrief an die weltweit 97.000 Beschäftigten gezwungen. „Die Nachrichtenlage, da will ich nichts beschönigen, ist nicht gut“. Die von den US-Behörden angesprochenen Mängel würden bearbeitet, aber man sei noch nicht da, wo man hin wolle. Sewing bestreitet allerdings, dass die Finanzlage bei den US-Ablegern der Bank kritisch ist. „Finanziell sind unsere US-Töchter sehr solide ausgestattet... Es geht nicht um unsere finanzielle Stabilität, sondern um IT- und Kontrolldefizite, die wir entschlossen beheben.“
Die Herabstufung durch S&P versucht Sewing zu relativieren. Die Ratingagentur senkt die Note für die Kreditwürdigkeit der Bank A- auf BBB+. Damit wird ein Investment in die Deutsche Bank nicht mehr als sichere, sondern nur noch als durchschnittlich gute Anlage eingestuft. Das verteuert die Refinanzierung für die Bank, sorgt für weitere Belastungen. S&P lobt zwar indirekt die geplanten harten Einschnitte, es gebe aber hohe Risiken für die Umsetzung. Die Agentur spricht allerdings auch von guten Bonitäts- und Liquiditätspuffern bei der Deutschen Bank.
Reserven von 279 Milliarden Euro
Sewing zufolge verfügte das Geldhaus Ende März über Reserven von 279 Milliarden Euro. Die Kapitalquote sei höher als bei vielen Wettbewerbern. Dies ist freilich Ergebnis auch von mehreren Kapitalerhöhungen in den letzten Jahren, die sich auf mehr als 30 Milliarden Euro summieren. Der 48jährige Bank-Chef behauptet, die Kredit- und Marktrisiken der Bank seien so gering wie selten. „Spekulationen, dass uns durch die politischen Unsicherheiten in Italien erhebliche Belastungen drohen könnten, sind vollkommen unbegründet.“
Sewing liest aus der Analyse von S&P auch die Zuversicht heraus, dass die Bank den erforderlichen Wandel schaffen werde. „Wir müssen liefern - und zwar schnell und konsequent“, wiederholt er seine Aussage auf der Hauptversammlung vor einer Woche. Es gebe keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen. Auch er, so der Deutsche Bank-Chef, habe „die schlechten Nachrichten satt“.
Analysten bleiben skeptisch. Am Freitag senkte das RBC Capital das Kursziel von 12 auf acht Euro. Es gebe keinen Grund, die Deutsche Bank-Aktie zu kaufen, so Analystin Anke Reingen Ihre Einschätzung vom Juni 2017, dass es mit der Bank nicht noch schlimmer kommen könne, habe sich als Trugschluss erwiesen. Mittlerweile sehen mehrere Institute den Kurs der Aktie bei acht Euro oder nur wenig mehr.
Europäische Bankenaufseher sehen deutliche Fortschritte
An der Börse räumt man die schwierige Lage der Bank ein, versucht aber auch zu beruhigen. „Wir sollten Herrn Sewing zwei Jahre Zeit geben“, sagt Oliver Roth, Chef-Händler bei Oddo Seydler. Spekulationen über einen möglichen Kollaps oder die Pleite der Deutschen Bank hält er für abwegig. „Aber das Aufräumen hat die Bank nach der hochriskanten Geschäftspolitik vor allem unter Josef Ackermann sträflich vernachlässigt.“
Die Bank habe sich „ganz viele Leichen“ in den Keller gelegt, um die von Ackermann avisierte „wahnsinnige“ Rendite von 25 Prozent erreichen zu können. Das Aufräumen dauere einfach länger als erwartet. „Sewing muss die letzten Scherbenhaufen zur Seite kehren“, sagt Roth. Und das Institut müsse sich Vertrauen und Reputation neu erarbeiten. „Man sollte die Bank aber auch nicht schlechter reden als sie ist“. Dass der Aktienkurs gleichwohl noch weiter in den Keller gehen könnte, schließt auch Roth nicht aus.
Auch die europäischen Bankenaufseher sehen dem Vernehmen nach deutliche Fortschritte bei der Deutschen Bank. Die Kapital- und Liquiditätsausstattung sei gut, mit den Sanierungsplänen sind die Aufseher angeblich zufrieden. Sewing will das Geschäft in den USA stark eindämmen, weltweit insgesamt deutlich mehr als 7.000 Stellen streichen und damit die Kosten sichtbar reduzieren. Raimund Röseler, Direktor bei der Finanzaufsicht BaFin, hatte den neuen Chef der Deutschen Bank unlängst ausdrücklich gelobt.
„Wir kennen Herr Sewing und wir schätzen ihn“. Das hat freilich nicht verhindert, dass der Aktienkurs seit der Ernennung des 48jährigen am 7. April rund 20 Prozent verloren hat. Seit 2010 befindet sich das Papier der Deutschen Bank fast permanent auf Talfahrt. An der Börse ist das Geldhaus gerade noch gut 19 Milliarden Euro wert. Zum Vergleich: In Deutschland liegt SAP mit mehr als 118 Milliarden Euro an der Spitze.