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Menschen sollen von ihrer Rente leben können, findet Arbeits- und Sozialminister Heil.
© imago/ Winfried Rothermel

Rentenpläne von Hubertus Heil: Vier Gründe, warum die Grundrente nicht funktioniert

Rentenaufschlag nach dem Gießkannenprinzip: Das ist teuer und bewahrt Menschen nicht vor der Altersarmut, sagen Experten.

Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Sozialverbände sind begeistert. Von einem "guten und klugen Vorschlag" spricht der Chef des AWO-Bundesverbands Wolfgang Stadler. Wer lange Jahre gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat und dafür Rentenbeiträge gezahlt hat, muss im Alter mehr haben als eine bedürftigkeitsgeprüfte Grundsicherung, meint Stadler und liegt damit auf einer Linie mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Heil will eine Grundrente einführen, die vor allem Geringverdienern helfen soll.

Die Idee: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, soll im Alter mehr haben als Sozialhilfe. Die Grundrente oder "Respekt-Rente", wie sie mit Blick auf die Lebensleistung der Menschen genannt wird, soll die Rente von Geringverdienern ab dem 1. Januar 2021 aufwerten. Wer 35 Beitragsjahre vorweisen kann und weniger als 80 Prozent des Durchschnittsverdiensts erzielt hat, soll eine pauschale Aufwertung der Bezüge bekommen.

Was würde die Grundrente bringen?

Nach Heils Angaben bekommen Arbeitnehmer, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet und nur den Mindestlohn verdient haben, derzeit eine Rente von etwa 517 Euro im Monat. Mit der neuen Grundrente sollen es 900 Euro werden. Der SPD-Minister reagiert damit auf die Angst vieler Menschen, im Alter zum Sozialfall zu werden. 56 Prozent der Bundesbürger treibt diese Angst um, ergab eine repräsentative Befragung des Beratungsunternehmens EY Anfang des Jahres. Doch nicht nur der Koalitionspartner, auch Wissenschaftler sagen: Heils Rentenplan würde an diesem Dilemma nichts ändern. Denn die Grundrente hat zahlreiche Konstruktionsfehler:

Fehler eins: keine Bedürftigkeitsprüfung

Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, will Heil die Grundrente nicht davon abhängig machen, ob jemand tatsächlich auf die Zusatzeinnahmen angewiesen ist oder nicht. Mit rund vier Millionen Empfängern rechnet der Arbeitsminister, Kosten: rund fünf Milliarden Euro im Jahr. Nicht nur die Bundeskanzlerin und weite Teile der Union wollen dieses Gießkannenprinzip nicht mitmachen.

Auf die bisherige Grundsicherung im Alter, bei der die Bedürftigkeit geprüft wird, haben gerade einmal 300.000 bis 400.000 Menschen Anspruch, gibt auch der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen zu bedenken. "Auch der Erbe eines Millionenvermögens oder die Ehefrau eines wohlhabenden Vorstandsvorsitzenden, die ihr Leben lang in Teilzeit gearbeitet haben, würden von der sogenannten Respektrente profitieren", kritisiert der Ökonom. Von einem rentenpolitischen Betriebsunfall, spricht der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter. Gutsituierte Teilzeitbeschäftigte könnten mit der Grundrente einen Nachschlag "unter dem Vorwand der Armutsbekämpfung bekommen".

Fehler zwei: nur auf die Rente schauen

Von der Grundrente würden vor allem Frauen im Westen profitieren, die niedrige Renten haben, oder Männer und Frauen in Ostdeutschland, die sich nach der Wende mit schlecht bezahlten Jobs über Wasser halten mussten. So sieht die Durchschnittsrente für Frauen im Westen mit 622 Euro im Monat miserabel aus. Langjährige Teilzeitarbeit oder Hausfrauenehen drücken die Werte. Allerdings stellt sich die Sache anders da, wenn man sich nicht die Einzelrenten, sondern das Haushaltseinkommen anschaut.

Wenn man also die Renten des Partners einberechnet sowie die Einnahmen aus privaten und Betriebsrenten, Kapitaleinkünften, Vermietung und Verpachtung. Nach dem Alterssicherungsbericht der Bundesregierung erreichen Ehepaare in Deutschland ein durchschnittliches Netto-Gesamteinkommen von 2543 Euro im Monat, bei den alleinstehenden Männern sind es 1614 Euro, bei den alleinstehenden Frauen 1420 Euro. Allerdings dürfte die Diskrepanz im Westen größer sein als im Osten, wo die Haushalte über weniger Betriebsrenten und Kapital verfügen.

Fehler drei: die starre Grenze

Selbst Ökonomen wie der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, die der Grundrente eher positiv gegenüberstehen, äußern Kritik an den Vorgaben. "Jemand mit 34 Beitragsjahren würde zum Beispiel genauso leer ausgehen wie jemand, der Rentenansprüche geringfügig oberhalb der Grundrente hat", sagte Fratzscher der "Zeit". Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Grundrente diejenigen, die am meisten von Altersarmut bedroht sind, nicht rettet: Solo-Selbstständige, Menschen, die arbeitsunfähig sind, oder Langzeitarbeitslose. Diese dürften sich schwer tun, auf 35 Versicherungsjahre zu kommen.

Fehler vier: Lasten auf die Jungen verschieben

Wer den Rentner von heute gibt, erhöht die Belastung der jüngeren Leute. Zwar soll die Grundrente nicht aus Beitragsmitteln, sondern mit Steuerzahlergeld finanziert werden, doch auch die Steuern müssen bezahlt werden. Statt an Symptomen herumzudoktern, sollte man die Probleme im Kern lösen, sagt daher Oliver Holtemöller vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle: Löhne erhöhen, Menschen weiterbilden, so dass sie Arbeit finden, und für eine vernünftige Kinderbetreuung sorgen.

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