In Berlin einschlafen, in Paris aufwachen: Vier Bahnunternehmen vereinbaren neue Nachtzugverbindungen
Die Deutsche Bahn will mit europäischen Partnern den Nachtzug wiederbeleben – und zwar grenzüberschreitend.
Eigentlich hatte sich die Deutsche Bahn davon längst verabschiedet. „Das klassische Nachtzuggeschäft ist ein sehr kostenintensives Angebot“, hieß es noch im Januar. Denn es werden spezielle Fahrzeuge mit Schlaf- und Liegewagen benötigt. Und diese brauchen für Tageszüge nicht nutzbare Wartungsanlagen in den Werken. Zuletzt machte das Nachtzuggeschäft einen Verlust von 31 Millionen Euro, 2016 verabschiedete sich die Bahn von dieser besonderen Art des Reisens. Doch nicht zuletzt auf Druck des Bundes soll es ein Comeback geben, aufbauend auf den positiven Erfahrungen der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB). Dann soll es zum Beispiel über Nacht von Berlin nach Paris gehen.
Viele Zugreisende verbinden mit dieser Art des Reisens besondere Bekanntschaften, Erinnerungen und nostalgische Geschichten. Die Bahn hat zwar weiter Nachtzüge im Einsatz, aber ohne Schlafwagen, also zum Beispiel normale ICEs. Da die deutsche EU-Ratspräsidentschaft das klimafreundliche Reisen zu einem Schwerpunkt gemacht hat, ist für die Zeit nach der Corona-Pandemie eine bisher einmalige europäische Kooperation geplant. „Europa soll noch enger zusammenwachsen – auch auf der Schiene“, lautet das Motto des Projekts, auf das sich die vier Bahnchefs Richard Lutz (DB), Andreas Matthä (Österreichische Bundesbahn), Jean-Pierre Farandou (Französische SNCF) und Vincent Ducrot (Schweizer Bundesbahn) am Rande der europäischen Verkehrsministerkonferenz verständigt haben. Aber noch ist es nur eine Absichtserklärung.
Millionenmetropolen über Nacht verbinden
„Abends in München oder Berlin in den Zug steigen und morgens entspannt in Paris oder Brüssel ankommen – mit unserem Trans-Europ-Express TEE 2.0 und attraktiven Nachtzugangeboten auf der Schiene sind wir künftig in Europa noch klima- und umweltfreundlicher unterwegs“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Geplant sind im ersten Schritt mehrere neue Nightjet-Linien, die in den nächsten Jahren weit mehr europäische Millionenmetropolen über Nacht verbinden sollen als bisher. Ab Dezember 2021 sollen die Verbindungen Wien–München–Paris und Zürich–Köln–Amsterdam, ab Dezember 2022 Zürich–Rom hergestellt werden.
Im Dezember 2023 folgen Verbindungen von Berlin nach Brüssel und Paris und ab Dezember 2024 Zürich–Barcelona. Später könnten Hamburg-Basel-Mailand und vier Strecken ab Amsterdam folgen: über Hamburg nach Kopenhagen, über München nach Wien, über Berlin nach Warschau und über Köln und Basel nach Rom.
Bis Ende des Jahrzehnts könnten dann Berlin-Innsbruck-Rom, Kopenhagen-Berlin-Prag, Hamburg-Bordeaux-Madrid und Stockholm-Kopenhagen-Hamburg-Paris folgen. „Der Nachtzug ist ein Geschäft unter Partnern. Wenn jede Bahn ‚ein bisschen Nachtzug‘ machen würde, wäre niemandem geholfen“, sagt Lutz. Die Deutsche Bahn will beim Ausbau vor allem auf Kooperationen wie mit der ÖBB setzen.
Im September hatte Scheuer auf dem EU-Schienengipfel das Projekt vorgestellt. Das Konzept soll mehr durchgehende Schnell- und Nachtzugverbindungen zwischen Europas Metropolen schaffen. In 13 Stunden ohne Umsteigen von Berlin nach Barcelona – solche Angebote sollen zur Alternative werden für Menschen, die umweltschädliche Flüge und endlose Autobahnfahrten vermeiden wollen, wenn das Reisen nach der Corona-Pandemie wieder einfacher wird.
Mehr Europa auf der Schiene
In einem Schreiben an den Verkehrsausschuss des Bundestages erläuterte Scheuer, dass ein TEE 2.0 mindestens zwei Staaten über wenigstens 600 Kilometer verbinden soll. Die Züge sollen im Schnitt mindestens 100 Kilometer pro Stunde schaffen und zumeist wenigstens Tempo 160 fahren. Vor allem aber soll ein „erhöhtes Komfortniveau“ gegenüber anderen Reisezügen wie dem Eurocity geboten werden, zum Beispiel freies WLAN, Klimaanlage und gastronomische Versorgung.
Fraktionsübergreifend hatten sich Abgeordnete des Europaparlaments für mehr Europa auf der Schiene starkgemacht. Eine Forderung ist auch, dass die Trassenpreise für Nachtzüge, die für die Nutzung der Schienen anfallen, komplett abgeschafft werden. Andernfalls fielen schnell 5000 Euro an, die für die Durchfahrt durch Deutschland gezahlt werden müssen.
Die europapolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, hat das Projekt schon lange unterstützt, sie ist verhalten optimistisch. „Endlich springen Scheuer und die Deutsche Bahn auf den Nachtzug auf“, sagt sie. Der TEE dürfe aber keine Symbolnummer bleiben. „Wir brauchen ein dichtes, zuverlässiges europäisches Schnellzugnetz für Personen und Güter mit einem einfachen Buchungssystem, damit die Menschen langfristig den Zug statt Auto und Flugzeug nehmen.“ Dafür könnten auch Gelder aus dem Corona-Wiederaufbaufonds, der ein Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro haben soll, genutzt werden. „So kommt der Green Deal aufs Gleis“, meint Brantner.
Es sei ein besonderer Tag für den europäischen Verkehr, die neuen grenzüberschreitenden Nachtzugvereinbarungen ein guter Start für die goldene Nach-Corona-Zeit, sagte Scheuer am Dienstag. Davon, dass er nicht von Anfang an von dem Projekt begeistert gewesen sein soll, war nichts mehr zu spüren. Mit dem Fahrplanwechsel am 13.12. gehe eine Rekordfahrplanverkürzung der Strecke München-Zürich einher, „so will das ein Minister sehen“, sagte er.
Scheuer zeigte sich stolz, noch in diesem Jahr konkrete Daten für das kommende Jahr nennen zu können. „Binnen weniger Monate schon Ergebnisse, im September gab es die Idee und im Dezember stehen wir hier mit einem Konzept, so kann Politik auch laufen.“ Der Green Deal sei ein gutes Beispiel dafür, wie die Politik ein Projekt vorstellen kann und Unternehmen es umsetzen.
Vor allem Familien und junge Menschen nutzen den Nachtzug
Über 6000 Züge mit Schlafwagen seien 2020 bislang über deutsche Schienen gerollt, ließ Bahnchef Richard Lutz wissen, täglich würden 500 Tickets für das Nachtzugangebot verkauft. Bislang nutzen dieses vor allem Familien und junge Menschen. In Zukunft werde der Nachtzug sein Potenzial als stressfreie und umweltfreundliche Art des Reisens immer mehr ausspielen. „Eine grüne Zukunft kann es nur geben, wenn wir die Schiene stärken und unsere Angebote attraktiver machen.“
Auch sei klar, dass Deutschland wegen seiner Größe und seiner Lage in der europäischen Eisenbahnzukunft eine zentrale Rolle einnehmen werde. „Wir sind bereit für das europäische Jahr der Schiene 2021.“
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